Das „Wunschkonzert“ gilt als die populärste deutsche Rundfunksendung der Kriegsjahre. Nach wie vor erklingt ein Gutteil des „Wunschkonzert“-Repertoires. Sogar Gegenwartskünstler wie Ulrich Tukur und Nina Hagen haben Schlager aus der NS-Zeit wie „Roter Mohn“, „Traummusik“, „Yes Sir!“ oder „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ in ihr Programm genommen. Der geschichtliche Hintergrund bleibt dabei jedoch ausgespart.
Ab der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 war das Rundfunkhören nicht mehr eine „Privatangelegenheit“, sondern „staatspolitische Pflicht“ für jeden „Volksgenossen“. Der Rundfunk als „Künder einer neuen Zeit“ sollte „in erster Linie ein künstlerisches Instrument und erst in zweiter Linie ein Nachrichteninstrument“ sein. Neue Hörer sollten mittels eines attraktiven Programms und preisgünstiger Empfangsgeräte gewonnen werden. So präsentierte Propagandaminister Joseph Goebbels im August 1933 den „Volksempfänger“, der nur 76 Reichsmark kostete. Die Zahl der Rundfunkteilnehmer verdoppelte sich wegen dieses Preis- und Programmangebots zwischen 1933 und 1939 und wuchs bis zum 1. Januar 1941 mit 15 Millionen Empfangsgeräten auf das Dreifache der Gerätedichte des Jahres 1933.
Für die Programmgestaltung galten die Vorgaben des Propagandaministers. Nun wurden die Übertragungen von politischen Reden, Kundgebungen und Wortbeiträgen ebenso wie der Anteil der ernsten Musik reduziert. Goebbels setzte auf Unterhaltungsmusik, deren Anteil zur besten Sendezeit am Abend ab 1936 rund sieben Zehntel am Gesamtprogramm betrug.
Ihr Forum fand die Unterhaltungsmusik vor allem im „Wunschkonzert“, der bekanntesten Rundfunksendung im Dritten Reich. Entstanden war es aus dem „Wunschkonzert für das Winterhilfswerk“ (1935). Neu an der Sendeform war die mit einer Spende verbundene Beteiligung der Hörer. Wünsche wurden erfüllt, wenn der Hörer entweder Geld oder Sachspenden direkt an den Sender nach Berlin schickte oder einen Nachweis erbrachte, dass er einer Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt eine Spende hatte zukommen lassen.
Der Siegeszug des „Wunschkonzerts“ begann mit dem Zweiten Weltkrieg vor 80 Jahren. Ab sofort war die Unterhaltungsmusik „genau so wichtig wie Kanonen und Gewehre“.
Die Rundfunksendung, verstanden als „Sprachrohr zwischen Front und Heimat“, wurde im Winterhalbjahr zweimal wöchentlich ausgestrahlt, sonntags und mittwochs, ab 1940 nur noch sonntags, moderiert von Heinz Goedecke und Wilhelm Krug. Mit der Beschwörung von „Treue und Liebe der Heimat“ über „Raum und Zeit“, wurde trotz großer räumlicher Distanzen wirkungsvoll eine kurzzeitige Nähe inszeniert, die den oft propagierten Gedanken der „Volksgemeinschaft“ popularisierte.
Als Tonaufzeichnung ist keine einzige komplette „Wunschkonzert“-Übertragung erhalten. Lediglich die Programmfahnen einiger Sendungen der Jahre 1936 bis 1938 sind im Bestand der Reichsrundfunkgesellschaft archiviert. Über Programmbeiträge, Mitwirkende und Spendenaufkommen informieren die zahlreichen Presseechos. Aufschluss über die Programmbeurteilung durch die Hörer geben die „geheimen Lageberichte“ des Sicherheitsdienstes der SS. Überliefert sind ferner Tagebucheintragungen von Goebbels sowie Aktenvermerke des Propagandaministeriums und der Wehrmachtspropagandastellen, die den staatspolitischen Stellenwert der Sendung erkennen lassen. Anschauliche Quellen bilden schließlich zwei zeitgenössische Selbstdarstellungen: das 1940 von den beiden Moderatoren der Sendung herausgegebene Buch „Wir beginnen das Wunschkonzert für die Wehrmacht“ und der im selben Jahr entstandene UfA-Film „Wunschkonzert“, der Originalaufnahmen der 8. und 10. „Wunschkonzert“-Übertragung enthält.
Die Programmfolge der Sendung sah eine Dreiteilung vor. Von 16 bis 19 Uhr war eine bunte Abfolge von Märschen, Kammermusik und Chorsätzen, Ouvertüren, Operetten- und Opernarien, Volksweisen und Soldatenliedern zu hören. Nach den Nachrichten begann der zweite Teil mit leichter Unterhaltungsmusik, der dritte Teil, von 20 bis 22 Uhr, glich im Wesentlichen dem Eröffnungsteil. Aufgelockert wurde das musikalische Programm durch Gedichte, Sketche, Ansagen militärischer und privater Natur.
In jedem „Wunschkonzert“ trat ein prominenter Gast auf. Bekannte Sportler, Schauspieler, Sänger, Dirigenten, Politiker und weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sprachen über das Mikrofon oder boten einen Ausschnitt ihres Könnens. Zu den Höhepunkten gehört die 50. Ausstrahlung des Wunschkonzertes am 1. Dezember 1940 mit „Prominenten aller Art“ wie Zarah Leander, Rosita Serrano oder Herbert von Karajan. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Sendung die beachtliche Summe von 7,5 Millionen Reichsmark eingespielt. Goebbels selbst war mit dem Verlauf der Jubiläumssendung zufrieden, wie sein Tagebucheintrag belegt: „50. Wunschkonzert. Eine ganz große Sache. Ich spreche kurz. Mit großem Beifall. Dank an den Rundfunk und seine Männer … Ein voller Erfolg. Und das ganze Volk, Front und Heimat, sitzt am Lautsprecher. Ich bin zufrieden mit dieser großartigen Leistung.“ Einen ebenso besonderen Stellenwert in Gestaltung und Berichterstattung hatte auch die Übertragung der 75. Sendung am 25. Mai 1941. Bis dahin waren rund 15,5 Millionen Reichsmark an Sach- und Geldspenden eingegangen.
Nach der Sommerpause sollte die Sendung fortgesetzt werden, doch zu einer Wiederaufnahme kam es nicht, vielmehr hieß es dann im Mai 1942: „Die Bezeichnung Wunschkonzert sowie Sendeformen, die dem Wunschkonzert gleichen oder ähneln, sind untersagt.“ Begründet wurde die Einstellung des erfolgreichen „Wunschkonzerts“ nicht, und so lassen sich nur Mutmaßungen anstellen: Die Belastungen des Kriegsalltags erschwerten die
Live-Veranstaltung. Mitwirkende Künstler wurden zur Truppenbetreuung entsandt, weniger prominente Darsteller wie auch Orchestermitglieder zur Wehrmacht eingezogen. Ausländische Gäste blieben nun solchen Veranstaltungen fern.
Der Verfasser dieses Beitrags ist Autor der 2006 in Graz zu diesem Thema erschienenen Monografie „Wunschkonzert. Unterhaltungsmusik und Propaganda im Rundfunk des Dritten Reichs“.