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30.08.19 / Den Himmel in Sagan vermessen / Johannes Kepler ist in der Stadt am Bober hoch geachtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-19 vom 30. August 2019

Den Himmel in Sagan vermessen
Johannes Kepler ist in der Stadt am Bober hoch geachtet
Chris W. Wagner

Vor Johannes Kepler gab es keine Astronomie, meint Jacek Patka, Betreuer der Astronomensektion im Saganer Kulturzentrum (Centrum Kultury Zagan) gegenüber der Gazeta Lubuska. „Kepler war der erste, der die Sterne nicht nur deshalb beobachtete, um Horoskope zu erstellen oder die Zukunft zu deuten, er griff zur Mathematik, um das Weltall zu verstehen“, so Patka, der seine Arbeit für die Astronomie als Fortführung der Tradition der Saganer Vorkriegs-Wissenschaftsgesellschaft sieht. Die Saganer verehren Kepler, er ist in der Stadt vielerorts präsent. 

Der Astronom, Mathematiker und Physiker Johannes Kepler (1571-1630) entdeckte Gesetze, nach denen sich die Planeten des Sonnensystems bewegen. Eine Reihe seiner Entdeckungen revolutionierten die Wissenschaft. Er befasste sich mit Optik, erfand das astronomische Fernrohr, führte neue Lösungen bei Dezimalbrüchen und bei der Berechnung von Volumen diverser geometrischer Körper ein. „Er bleibt aber sein Leben lang ein Träumer und glaubt fest daran, dass der Mensch eines Tages imstande sein wird, das Leben auf dem Mond zu erforschen“, so Iza Liwacz, Fremdenführerin in Niederschlesien. Die junge Frau freut sich, wenn sie deutsche Touristen durch Sagan führt, denn in der Stadt am Bober geht man mit der deutschen Geschichte respektvoll um. Besonders stolz ist man in Sagan auf die Augustiner-Bibliothek im 1284 gegründeten Augustiner-Chorherrenstift. Zum Bibliotheksbestand gehört nämlich ein Fragment einer Bibel aus dem 8. Jahrhundert. Doch der wahre Historien-Star ist und bleibt in Sagan Johannes Kepler, an den ein Kepler-Pfad durch die Stadt erinnert.

Nach Sagan kam Kepler auf Einladung Albrecht von Wallensteins, der sich während seines Prag-Aufenthaltes vom kaiserlichen Hofmathematiker Johannes Kepler sein erstes Horoskop ausstellen ließ. Anscheinend von Kepler beeindruckt, holte Wallenstein Kepler 1627 nach Sagan, wo dieser bis 1630 wirkte. „Kepler lässt sofort eine Druckerpresse nach Sagan herbeischaffen, um ohne Angst vor Überfällen und der Vernichtung der Arbeitsergebnisse ungestört arbeiten zu können. Ihm gelingt in einem der ersten Werke, die er in Sagan veröffentlicht, eine Sonnenfinsternis vorherzusagen, die am 10. Juni 1630 auch eintreten sollte. Diese genaue, wissenschaftlich begründete Vorhersage verschaffte ihm Ansehen und Vertrauen seiner Saganer Gönner“, so Iza Liwacz. 

Keplers Jugendtraum von der Monderforschung bleibt auch in Sagan wach. Das Studium von Plutarchs Schrift über das „Mondgesicht“ und seine Fernrohr-Beobachtungen und Dispute mit gelehrten Freunden befruchten seine Fantasie. Er schreibt seine Gedanken in einem persönlichen Werk „Somnium” (der Traum) nieder. „Das Werk ist eine wahre Satire auf eine Zeit, in der sich der ernsthafte Wissenschaftler Kunstausdrücken bedient und seine Anschauungen in Traumbildern verhüllt, um seine Ansichten zum Ausdruck zu bringen und um sich vor religiösen Eiferern der Inquisition zu schützen“, so Liwacz, die Keplers Roman als den wohl ersten Science-Fiction-Roman der Geschichte bezeichnet: „Er schrieb, bei den Mondbewohnern gäbe es keinen sicheren und festen Wohnsitz. Scharenweise durchqueren die Mondgeschöpfe während eines einzigen ihrer Tage ihre ganze Welt, indem sie teils zu Fuß, teils mit Flügeln, teils zu Schiff dem zurückweichenden Wasser folgen. Die meisten sind Taucher, alle sind von Natur sehr langsam atmende Geschöpfe, können also ihr Leben tief am Grunde des Wassers zubringen“ zitiert Liwacz.

Gestorben ist Kepler im Alter von 58 Jahren während seines Besuches in Regensburg, wo er die Auszahlung ausstehender Gehälter erhoffte. Liwacz: „Man fand bei ihm einen zerknitterten Zettel mit einem Text, den man als Inschrift auf seinem Grab fertigen sollte. ‚Die Himmel hab ich gemessen, jetzt mess‘ ich die Schatten der Erde. Himmelwärts strebte der Geist, des Körpers Schatten ruht hier’“.

Für den Saganer Jacek Patka vom Kulturzentrum ermöglichte Keplers Lebenswerk die Rudolfinischen Tafeln: „Satelliten, die unsere tägliche Kommunikation und Navigation garantieren, im Weltraum zu positionieren“.

Eine lebensgroße Skulptur Johannes Keplers in Sagan und ein Entdeckungspfad auf den Spuren Johannes Keplers erinnert an den Wissenschaftler. Der Pfad führt zu fünf Orten, die mit dem Astronomen in Verbindung stehen: das Rathaus, das Restaurant „Kepler“ auf dem Saganer Ring, das Konvikt auf dem Klosterplatz, die Keplerstraße und das Stadttor in der ul. Keplera.