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30.08.19 / Gewichtig wie Humboldts Werk – die Zeichnungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-19 vom 30. August 2019

Gewichtig wie Humboldts Werk – die Zeichnungen
S. Friedrich

Beinahe ehrfürchtig hält man das Buch „Alexander von Humboldt: Das zeichnerische Werk“ in den Händen. Vom Gefühl begleitet, dem genialen Universalgelehrten erstmals ganz nah zu kommen, blättert man durch das von Dominik Erdmann herausgegebene Werk. Als Mitarbeiter der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, katalogisierte er den Nachlass Alexander von Humboldts in der Biblioteka Jagiellonska in Krakau. Mitautor Oliver Lubrich, Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Universität Bern, hat bereits mehrere Werke Humboldts neu herausgebracht. Zwei hochkarätige Autoren widmen sich dem ökologischen Vordenker, indem sie 260 Zeichnungen, Illustrationen und Grafiken aus dem Nachlass des Wissenschaftlers erstmals zugänglich machen.

„250 Jahre nach seiner Geburt“, so die Herausgeber, „scheint Alexander von Humboldt bekannter zu sein denn je.“ Nicht nur, dass man Pflanzen, Düngemittel, eine Universität, eine Stiftung, eine Meeresströmung und nicht zuletzt einen Mondkrater nach ihm benannt hat – er wird auch als Wegbereiter der modernen wissenschaftlichen Geografie gefeiert. Er interessierte sich nicht nur für Naturerscheinungen, sondern auch für die gesellschaftlichen Verhältnisse der bereisten Länder, trat gegen die Rassendiskriminierung und für die Abschaffung der Sklaverei ein. In einer Zeit, als man die Natur als des Menschen Untertan ansah, und Menschen anderer Hautfarben als geschichtslose, tierische Wesen, tauchte dieser preußische Adlige aus dem Dunkel der Geschichte auf und wollte die Welt entdecken. 

Ein Weg, diesem außergewöhnlichen Zeitgenossen näherzukommen, ist sicher der über seine Aufzeichnungen. „Das Zeichnen hat Humboldt früh erlernt und dann lebenslang praktiziert“, so die Herausgeber. „Es wurde zu einer wichtigen Methode seiner Weltaneignung.“ Der Band bietet erstmals die Möglichkeit, auch sein künstlerisches Werk zu entdecken, so der Verlag, denn bisher unveröffentlichte Zeichnungen aus seinem Nachlass in Berlin und Krakau konnten nun gedruckt werden.

Nach der informativen Einleitung bekommt der Leser einen Einblick in das umfangreiche 

Œuvre, unterteilt in Menschen, Werke, Tiere, Pflanzen, Erde, Karten, Planeten, Figuren, Versuche und Fragen. Ganz- und doppelseitige Abbildungen von engbeschriebenen Papierseiten, Zeichnungen und Papierfragmenten sind zu sehen, beschriftet und kommentiert und sonst sicher nur der historischen Forschung vorbehalten. Am Ende gibt eine Zeittafel noch einmal einen chronologischen Überblick über Humboldts Leben. 

Die danach folgende Werkübersicht erklärt anschaulich, dass sich Humboldts überaus umfangreiches Gesamtwerk in vier Werkgruppen unterscheiden lässt: Tagebücher und Briefe, selbstständige Bücher und unselbstständige Schriften. Mit dem jetzt erschienenen Band kommt nun ein weiterer Bereich der Bilder hinzu.

In einer Zeit, in der es weder Ton- noch Bildaufnahmegeräte noch Schreibmaschinen oder Telefone gab, eine fast unbekannte neue Welt zu erschließen und zu dokumentieren, ringt Achtung ab, ist extrem beeindruckend und für den heutigen Menschen beinahe unvorstellbar. 

Humboldt schafft es bis heute, die Menschheit zu faszinieren. Dieses Buch ist ein Beitrag dazu, fast so gewichtig wie das Werk des großen Gelehrten.

Dominik Erdmann/Oliver Lubrich: „Alexander von Humboldt: Das zeichnerische Werk“, wbg Verlag, Darmstadt 2019, gebunden, 432 Seiten, 100 Euro