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06.09.19 / »Idioten» und »Schafsköpfe« / Italien ohne Lega – Zwei verfeindete Parteien bilden neue Regierung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-19 vom 06. September 2019

»Idioten» und »Schafsköpfe«
Italien ohne Lega – Zwei verfeindete Parteien bilden neue Regierung
Bodo Bost

Die Chefs der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung und der Sozialdemokraten vom Partito Democratico (PD) haben sich auf ein neues Regierungsbündnis unter der Leitung des alten Ministerpräsidenten Giu­seppe Conte geeinigt. Vorher musste der Widerstand gegen Conte als alten und neuen Premier von Seiten der PD aufgegeben werden. Erstmals in der Geschichte Italiens regieren nun zwei linke Parteien, die sich zuvor bis aufs Messer bekämpft hatten. „Das wird kein Spaziergang“, räumte der Chef der PD, Nicola Zingaretti, gleich am Anfang ein. 

Beide Parteien sind aus der linken und christdemokratischen Parteienlandschaft Italiens entstanden, die sich Ende der 1990er Jahre aufgelöst hat. Die Fünf Sterne waren als Protestpartei erst gegen die PD groß geworden. In der vergangenen Regierung beleidigte man sich gegenseitig als „Idioten“ und „Schafsköpfe“. Die Frage ist nun, ob die Parteien mehr verbindet als die Angst vor Neuwahlen und das Bemühen, einen Wahlsieg Salvinis zu verhindern. Meistert Conte diese Aufgabe nicht, wird seine zweite Regierung wohl von noch kürzerer Dauer sein als seine erste.

Der 55-jährige Jurist Conte hatte sich bei seinem Amtsantritt vor 14 Monaten als Anwalt des Volkes angepriesen, doch in Wahrheit war er seit dieser Zeit ein williger Ausführungsgehilfe seines rechtsnationalen Innenministers Matteo Salvini gewesen. Noch einen Tag vor dem Absprung des Lega-Chefs hatte Conte dessen zweites Anti-Migranten-Paket unterzeichnet. Die Linke fordert jetzt von ihm, dieses Dekret zu annullieren. 

Das wird die erste Bewährungsprobe, weil Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio in der Asylfrage Europa am Zuge sieht und nicht Italien. Auch die Einführung einer Vermögensteuer, wie sie in PD-Kreisen zur Eindämmung der Staatsschuld erwogen wird, lehnte Di Maio ab und forderte dagegen weitere Steuerreformen zur Entlastung der sozial Schwachen.

Conte hat in den vergangenen Monaten eine erstaunliche Metamorphose durchlaufen und sich, je heftiger sich die beiden bisherigen Koalitionspartner Lega und Fünf Sterne zerstritten, von diesen emanzipiert und sich selbst Respekt verschafft. So konnte der parteilose Conte einige Erfolge verbuchen, er genießt Vertrauen auf dem internationalen Parkett, dazu auch das Wohlwollen etwa von US-Präsident Donald Trump. Zweimal konnte er ein drohendes Defizitverfahren der EU-Kommission gegen sein Land abwenden. 

Der Süditaliener Conte war bislang als Ministerpräsident eher eine Marionette der beiden Parteichefs Salvini von der Lega und Di Maio von den Fünf Sternen. Als Conte 2018 gerufen wurde, hatten sich die Lega und die Fünf Sterne bereits vorher über ihren Koalitionsvertrag und die Verteilung der Ministerien geeinigt. Diesmal wird es Conte selbst sein, der die Verhandlungen über ein gemeinsames Regierungsprogramm der neuen Koalitionspartner sowie die Postenverteilung entscheidend mitführen wird.

Als Salvini vor drei Wochen die Regierungskrise ausgelöst hatte, war er davon ausgegangen, dass es zu Neuwahlen kommen würde, die er mit großer Wahrscheinlichkeit gewonnen hätte. Doch die Krise entwickelte sich nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Die neue Regierung habe nicht die Zustimmung der Wähler, kritisierte Salvini via Facebook. Di Maio habe aus reiner Machtgier ein Bündnis mit dem ehemaligen Feind PD geschlossen. 

Die neue Regierung hat im italienischen Parlament jedoch eine knappe Mehrheit. Mit dieser Mehrheit kann Conte die Richtung der neuen Regierung bestimmen und dafür sorgen, dass Italien aus seiner Lethargie befreit wird.