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06.09.19 / Regenwald auf dem Teller / Streit um Brände im Amazonasgebiet – Der Westen könnte durch Fleischkonsum mitgezündelt haben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-19 vom 06. September 2019

Regenwald auf dem Teller
Streit um Brände im Amazonasgebiet – Der Westen könnte durch Fleischkonsum mitgezündelt haben
Peter Entinger

Die Brände, die im südamerikanischen Amazonasgebiet wüten, sind wahrscheinlich die schlimmsten, seit solche Ereignisse überhaupt gezielt dokumentiert werden. Die wirtschaftlichen Folgen könnten gravierend sein.

Angesichts der Waldbrände stellen Deutschland und Frankreich das gerade ausgehandelte Freihandelsabkommen mit Brasilien und anderen südamerikanischen Staaten in Frage. „Ein Mercosur-Handelsabkommen ohne Schutzgarantien für den Regenwald ist nicht verantwortbar“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) dem „Tagesspiegel“. Von dem Handelsabkommen erhofft sich Brasilien, mehr Rindfleisch und mehr Soja in den Wirtschaftsraum der Europäischen Union exportieren zu können. Kritiker weisen allerdings darauf hin, dass zu diesem Zweck noch mehr Flächen im Amazonas-Gebiet abgeholzt zu werden drohen. Laut einer Statistik des US-Nachrichtensenders CNN ist die Anzahl der Waldbrände in Brasilien im Vergleich zum Vorjahr um 85 Prozent gestiegen. Die Zeitschrift „Globo Rural“ schrieb, dass sich im Bundesstaat Pará über 70 Personen in einer Whats­App-Gruppe dazu verabredet hatten, große Flächen in Brand zu stecken.

Ziel der Aktion sei es gewesen, den Präsidenten Jair Bolsonaro bei seinem Plan zu unterstützen, die Umweltkontrollen zu lockern, hieß es in dem Bericht. Nach Einschätzung von Naturschützern werden die meisten Brände von Farmern gelegt, um neue Weideflächen für ihr Vieh zu schaffen. Da es momentan in der Region ungewöhnlich trocken ist, greifen die Brände immer wieder auch auf intakte Waldflächen über. 

Brasilianische Bauern kämpfen seit Langem darum, neue Weideflächen für Tiere, allem voran für Rinder, zu bekommen. Denn Brasilien ist der größte Rindfleisch-Exporteur der Welt. Außerdem will Bolsonaro die Sojaanbauflächen vergrößern, um so mehr Soja – hauptsächlich für Tierfutter – zu verkaufen und die Wirtschaft des Landes anzukurbeln.

Bolsonaro bestreitet die Vorwürfe, er habe zu illegalen Brandlegungen ermuntert, und hat stattdessen ein hartes Durchgreifen gegen die Brandstifter angekündigt. Der Staatspräsident hat unterdessen ein Dekret erlassen, mit dem seit der vergangenen Woche Soldaten in den betroffenen Bundesstaaten, Umweltschutzzonen und in indigenen Territorien einen Monat lang bei der Eindämmung des Feuers helfen sollen.

Wegen der dramatischen Ausmaße der Brände im Amazonas-Gebiet regte Finnland, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ein Einfuhrverbot für brasilianisches Rindfleisch in den EU-Raum an. Die Union sollte dringend die Möglichkeiten eines solchen Verbots prüfen, erklärte der finnische Finanzminister Mika Lintilä. „Jetzt wird von der EU effektives Handeln gebraucht.“

In Deutschland, wo derzeit ohnehin eine ziemlich aufgeregte Klimadebatte herrscht, plädieren Umweltaktivisten für einen Fleischverzicht, um den Regenwald zu retten. Wer Fleisch esse, schade dem Regenwald – auch wenn es sich nicht um ein brasilianisches Steak handele. „Natürlich hat auch unser Handeln in Deutschland viel mit dem Verlust des Regenwaldes zu tun“, erklärte beispielsweise der Professor für Welternährungswirtschaft an der Universität Göttingen, Matin Qaim, dem Internetportal „Heute.de“: „Zum Beispiel importieren wir große Mengen Soja als Futtermittel für unsere Rinder und Schweine, und der steigende Sojaanbau trägt in Brasilien mit zur Regenwaldrodung bei.“ 

Und Tom Kirschey vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) erklärte: „Wir haben, auch wenn wir regional produziertes Fleisch konsumieren, immer auch brasilianischen Regenwald mit auf dem Teller.“

Heute bedecken tropische Regenwälder knapp acht Prozent der Erdoberfläche mit zwölf Millionen Quadratkilometern, aber in diesen Wäldern leben mehr als die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten der Welt. Der größte ununterbrochene Waldblock ist im Amazonasbecken in Südamerika zu finden. 

Neun Staaten haben Anteil daran, aber mehr als die Hälfte der Fläche liegt in Brasilien, wo insgesamt ein Drittel der weltweit verbliebenen tropischen Regenwälder beheimatet ist. Ein „Regenwald-Land“ ist dabei Französisch-Guyana – ein Überseedépartement und eine Region Frankreichs, das damit zum Einflussgebiet der Europäischen Union gehört. 

Diese Tatsache erklärt beispielsweise auch den erbitterten Streit zwischen Bolsonaro und dem französischen Staatspräsidenten Macron. Der Brasilianer fordert, dass sich Macron bei ihm entschuldigt, erst dann sei er zu Gesprächen über die Hilfszahlungen bereit. „Zunächst sollte Macron die Beleidigungen gegen mich zurücknehmen“, sagte der Staatschef: „Er hat mich einen Lügner genannt. Und dann hat er nach meinen Informationen die Souveränität des Amazonasgebiets infrage gestellt.“ Macron bezeichnete die Amazonasregion in dem Zusammenhang wegen deren Bedeutung für den globalen Klimaschutz als „Gemeingut“. 

Zu Beginn der Waldbrände hatte Macron ein Foto getwittert und mit dem Kommentar „unser Haus brennt“ versehen.

Der Konter aus Brasilien ließ nicht lange auf sich warten. Bolsonaros Kabinettschef Onyx Lorenzoni sagte: „Macron schafft es nicht mal, einen vorhersehbaren Brand in einer Kirche zu verhindern, die Teil des Welterbes ist, und er will uns Lektionen für unser Land erteilen?“, sagte Lorenzoni in Anspielung auf das Feuer in der Pariser Kathedrale Notre-Dame im April.