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06.09.19 / Aufmüpfige Jugend / Politische Umerziehung in der DDR – Ausstellung auf Königstein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-19 vom 06. September 2019

Aufmüpfige Jugend
Politische Umerziehung in der DDR – Ausstellung auf Königstein
Wolfgang Kaufmann

Die Festung Königstein auf dem gleichnamigen, rund 9,5 Hektar großen Tafelberg in der Sächsischen Schweiz erhebt sich stolze 240 Meter über dem Elbstrom. Ihre Baugeschichte reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück, wobei die nie vom Feind eroberte Anlage im Laufe der Jahrhunderte mannigfache Funktionen erfüllte: Rückzugsort für den kurfürstlichen Hofstaat zu Dresden in Krisenzeiten, Garnison, Staatsgefängnis, Depot für geheime Akten und bedrohte Kunstschätze sowie auch Lazarett und Kriegsgefangenenlager. 

Auf dem Königstein saßen unter anderem der Erfinder des europäischen Porzellans, Johann Friedrich Böttger, der russische Anarchist Michail Bakunin, der Mitbegründer der deutschen So­zialdemokratie August Bebel und der französische General Henri Giraud ein. Letzteren gelang 1942 eine spektakuläre Flucht per Abseilmanöver. Dennoch galt die Festung auch nach dem Zweiten Weltkrieg als ausbruchssicher, weshalb das DDR-Regime hier von 1949 bis 1955 einen Jugendwerkhof betrieb.

Im „Ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden“ gab es über 70 solcher Einrichtungen, die der „Umerziehung“ straffällig gewordener oder als „asozial“ geltender Jugendlicher zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ dienten. Dabei hatte der Jugendwerkhof auf der Festung Königstein insofern eine Pionier-Funktion, als er als Vorbild für viele andere solcher Anstalten diente, die später eröffnet wurden – 20 davon übrigens alleine im heutigen Freistaat Sachsen.

Über die Zeit, als der Königstein als sogenannter „Kinderknast“ herhalten musste, informiert derzeit die Sonderausstellung „Jugendwerkhof Königstein“, welche noch bis zum 3. November geöffnet hat und die dauerhafte Exposition „In lapide regis – Auf dem Stein des Königs“ über die rund 800-jährige Ge­schichte der Festung ergänzt. Sie befindet sich im zweiten Obergeschoss der Magdalenenburg, dem ehemaligen Proviant-Magazin, in dem bis 1819 auch das 238600 Li­ter fassende Riesenweinfass Au­gusts des Starken stand. 

Die Ausstellung bietet zahlreiche Fotos, Dokumente und Objekte aus den sechs Jahren als Jugendgefängnis, die ein durchaus differenziertes Bild vermitteln. So empfanden viele der ersten Insassen die Unterbringung auf dem Königstein eher als Erlösung, hatten sie doch vorher im berüchtigten Zuchthaus Waldheim einsitzen müssen.

Die Nutzung des Königsteins als Jugendwerkhof endete deshalb nicht wegen ihrer Inhumanität, sondern aufgrund ständiger Proteste des Rates des Kreises Pirna und des Bürgermeisters des Städtchens am Fuß der Festung: Die Anlage solle doch besser der touristischen Nutzung dienen! Und tatsächlich wurden die 200 „Zöglinge“ der realsozialistischen Besserungsanstalt dann im Frühjahr 1955 verlegt oder entlassen. Kurz darauf kamen die ersten freiwilligen Besucher auf den Königstein, welcher noch heute eine Visite lohnt.