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06.09.19 / Erfolgreicher Kampf einer alten Dame / Dank Nadeschda Smirnowas unermüdlichem Einsatz blieb die ehemalige Bäckerei in Cranz erhalten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-19 vom 06. September 2019

Erfolgreicher Kampf einer alten Dame
Dank Nadeschda Smirnowas unermüdlichem Einsatz blieb die ehemalige Bäckerei in Cranz erhalten
Jurij Tschernyschew

Erstmals wurde im Königsberger Gebiet ein Holzhaus unter Denkmalschutz gestellt – die ehemalige Bäckerei in der Cranzer Königsberger Straße. Vorausgegangen war ein jahrelanger Kampf seiner mutigen Eigentümerin.

Der staatliche Denkmalschutzdienst des Königsberger Gebiet hat endlich den Antrag einer Cranzer Bürgerin, das winzige Gebäude einer Bäckerei auf die Liste der Objekte mit Merkmalen des Kulturerbes zu setzen, positiv beschieden. Nadeschda Smirnowa hatte der Behörde alle notwendigen Unterlagen, die für eine Aufnahme in das staatliche Register benötigt werden, zur Verfügung gestellt. Die 78-jährige Eigentümerin des Holzgebäudes auf der Königsberger Straße [Kurortny Prospekt] in Cranz lebt seit 1946 in dem Kurort. Über die positive Entscheidung der Experten, die ihre Initiative unterstützten, war sie hocherfreut. Sie selbst fühlt sich mittlerweile jedoch nicht mehr in der Lage, ihre Bäckerei weiter zu betreiben, da die Jahre des Kampfes ihre Kräfte aufgebraucht haben. Die langwierige Angelegenheit hatte vor zehn Jahren ihren Anfang genommen.

Smirnowa hatte eine Zeit lang die Bäckerei namens „Gnom“ gemietet und dann 2009 beschlossen, sie zu kaufen. Als Mieterin hatte sie das Vorkaufsrecht. Obwohl das Gebäude laut Datenblatt der Stadtverwaltung einen Preis von umgerechnet rund 285 Euro hatte und die Stadt es zum Selbstkostenpreis abgeben wollte, verlangte sie schließlich knapp 4400 Euro für die Immobilie. 

Viele Jahre versuchte die neue Eigentümerin, das schöne Holzgebäude zu restaurieren. Sie  bereitete verschiedene neue Entwürfe vor und reichte sie bei der Stadtverwaltung zur Genehmigung ein. Die fand jedoch immer einige Mängel oder Fehler in den Dokumenten und verweigerte die Erlaubnis zur Restaurierung.

Die Stadtverwaltung ging sogar noch weiter, indem sie der alten Dame mit dem Abriss des Hauses drohte. Schließlich reichte sie Klage ein mit der Begründung, dass dieses Gebäude, das sie zuvor an Smirnowa verkauft hatte, einsturzgefährdet und ohnehin nur provisorisch sei. Doch Smirnowa fand heraus, dass das „provisorische“ Gebäude im Cranzer Zentrum schon vor dem Krieg dort gestanden hatte. Sie ging viele Male zum Denkmalschutzdienst, aber das einzige Foto aus der Vorkriegszeit mit Blick auf Cranz, auf dem diese Bäckerei zu sehen war, stellte die Beamten nicht zufrieden. 

Die ganze Zeit versuchte Smirnowa, den Holzladen in gutem Zustand zu halten, und sie kümmerte sich sorgfältig um ihn: Sie bemalte die Wände und deckte das Dach neu ein. Als sie das Dach reparierte, passierte etwas Unerwartetes: Sie fand eine Holztafel mit einer Inschrift, die den Namen und das Geburtsjahr des Eigentümers dieser Bäckerei sowie das Jahr, in dem er sie gebaut hatte, angab – im Juni 1905. Außerdem fand Smirnowa im örtlichen Heimatmuseum Fotografien von 1937, auf denen diese Bäckerei bereits stand. Sie erzählte, wie eines Tages ein älterer Mann aus der Bundesrepublik in ihre Bäckerei kam und ihm Tränen in den Augen standen. Wie sich herausstellte, hatte er als kleines Kind in der Nähe gewohnt und war immer zur Bäckerei gelaufen, um frische Brötchen zu holen.

Nachdem Smirnowa dem Antrag beim Denkmalschutzdienst ein Foto der Tafel und eine Bescheinigung des Museums beigefügt hatte, erklärten sich die Beamten damit einverstanden, ihren Antrag zu prüfen. Die Stadtverwaltung erkannte wohl, dass sie den Prozess verlieren würde, da nun offensichtlich war, dass die Bäckerei seit mehr als 100 Jahren existierte und keinesfalls „provisorisch“ dort stand.

Anschließend versuchte man Smirnowa zu überreden, die Bäckerei zu verkaufen. Der lange Kampf hatte die alte Dame bereits aufgezehrt. Außerdem ist in diesem Jahr ihr Mann verstorben. Deshalb erklärte sich Smirnowa schließlich damit einverstanden, die Bäckerei zu verkaufen. „Seit 2011 haben sie mir nichts erlaubt, ich habe alles selbst gemacht, aber da war mein Mann noch am Leben, und im Moment werde ich es ohne ihn nicht mehr schaffen. Ich habe immer für die Stadt und für diese Bäckerei gekämpft. Es tut mir um sie so furchtbar leid. Man sagt, dass es jetzt einen Touristenladen dort geben wird. Aber ich wäre froh, wenn man dort weiter Brot verkaufen würde. Darüber hinaus sind alle Läden in der Umgebung sehr teuer, und dies hier ist für die Bürger der Stadt, für jeden verfügbar. Der Investor sagt, er werde an meiner Bäckerei ein Zeichen aufhängen, dass es sich um ein Denkmal handelt, den Namen des ehemaligen Ei-gentümers und meinen Namen dort eintragen. Aber ich brauche nicht unbedingt meinen Namen dort zu sehen, ich bin bloß froh, dass es als Denkmal erhalten bleibt.“

Bis Anfang 2019 befand sich noch eine Bäckerei in dem Holzhaus, doch im Frühjahr wurde der Kiosk renoviert und ein Tourismusbüro darin eröffnet.