18.04.2024

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06.09.19 / Zwei Insider klären über Wirtschaftskonflikte auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-19 vom 06. September 2019

Zwei Insider klären über Wirtschaftskonflikte auf
Dirk Klose

Die Welt befindet sich heute in einer tiefgreifenden Veränderung. Seit der Wende 1989 hat sie sich, so sagen es Nils Ole Oermann und Hans-Jürgen Wolff, „demographisch, technologisch, wirtschaftlich und politisch verändert wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit binnen so kurzer Zeitspanne“. Und dieser Wandel werde auch weiterhin anhalten, ja noch zunehmen. Die Konsequenzen sind absehbar: wachsende politische und wirtschaftliche Spannungen innerhalb der Staatenwelt, und das nicht nur zwischen politischen Gegnern, sondern auch zwischen befreundeten Staaten (Beispiel: die wachsenden handelspolitischen Spannungen – siehe Zölle – zwischen der EU und den USA). 

Beide Autoren haben neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit immer wieder auch in der praktischen Politik gearbeitet, so im Bundespräsidialamt. Die Tatsache, dass über Wirtschaftskonflikte jetzt immer häufiger als von Wirtschaftskriegen gesprochen werde, sei für sie ein Alarmsignal gewesen und Anlass, genauer über solche Konflikte nachzudenken. Generell lägen allen zwischenstaatlichen Wirtschaftsbeziehungen gewisse „wirtschaftskriegerische Grundspannungen“ zugrunde (Beispiel: Handelsüberschuss der Bundesrepublik verursacht Zahlungsdefizite bei anderen europäischen Partnern); die Geschichte biete genügend Beispiele, wie wirtschaftliche Konflikte in militärische eskalierten.

Der Untertitel des Buches „Wirtschaftskriege“, „Geschichte und Gegenwart“, lässt eine historische Darstellung von Wirtschaftskriegen erwarten. Aber das stimmt nicht ganz. Nach ausführlichen wissenschaftlichen Überlegungen zur Legitimität von Wirtschaftskriegen kommen die Autoren rasch auf den sie vor allem bewegenden Punkt: Wie wird sich Chinas wachsender politischer und ökonomischer Einfluss weltweit auswirken? Wird es zu einem schweren Handelskonflikt zwischen China und dem Westen kommen mit der nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass dieser militärisch fortgesetzt wird? Und schließlich, was kann, was sollte (das etwas hilflos wirkende Wörtchen „sollte“ taucht verräterisch oft auf) der Westen tun, um sich einem aggressiven China gegen­über zu behaupten? 

Oermann und Wolff sehen viele Indizien, dass Chinas wirtschaftlicher und finanzieller Einfluss ständig wächst und auch sein „militärischer Fußabdruck“ größer wird. Den westlichen Staaten halten sie vor, die chinesische Herausforderung nicht richtig erkannt, geschweige denn nur halbwegs adäquat auf sie reagiert zu haben. Es gehe weniger darum, sich auf einen drohenden Wirtschaftskrieg vorzubereiten, sondern den ständigen Wirtschaftskampf zu bestehen und auf diese Weise zu verhindern, dass er kriegerisch eskaliert.

Die Autoren machen sehr genaue Vorschläge, die das Buch gerade in seiner zweiten Hälfte zu einer ungemein lohnenden Lektüre machen. Grundsätzlich ist ihr Plädoyer, immer wieder in gemeinsamer Abstimmung um eine Zusammenarbeit mit China und auch mit Russland, bilateral und im Rahmen der WTO, „kooperationsbereit und streitbar, selbstbewusst und selbstkritisch“ bemüht zu sein, aber nur insoweit, „solange Transparenz, Reziprozität und gleiches Recht für alle herrschen“. Der umfangreiche Anmerkungsapparat, leider ohne ein eigenständiges Literaturverzeichnis, nennt fast nur Titel aus dem englischsprachigen Raum, ein Indiz dafür, wie wenig das politische Denken in Deutschland bislang auf dieses hochaktuelle Thema eingegangen ist. 

Nils Ole Oermann, Hans-Jürgen Wolff: „Wirtschaftskriege. Geschichte und Gegenwart“, Herder Verlag, Freiburg/Br. 2019, gebunden, 272 Seiten, 24 Euro