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06.09.19 / Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel / Wie das wieder passt! / Wozu der »Spiegel« die DDR entlarvt, wie man den Kahn ganz cool auf den Eisberg setzt, und wie Riesters Falle zuschnappt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-19 vom 06. September 2019

Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel
Wie das wieder passt! / Wozu der »Spiegel« die DDR entlarvt, wie man den Kahn ganz cool auf den Eisberg setzt, und wie Riesters Falle zuschnappt

Jeder Mensch verändert sich im Laufe seines Lebens. Damit verändern sich natürlich auch seine persönlichen Interessen. Mit politischen Lagern verhält es sich nicht anders. Über viele Jahrzehnte hinweg war die politische Linke in Westdeutschland wie in der DDR und danach in der vereinigten Republik brennend daran interessiert, dass niemand darüber spricht, wie viele ehemalige Nationalsozialisten bei der SED mitmischten. Wer dennoch über dieses peinliche Detail redete, wurde als „dumpfer Antikommunist“ und Kalter Krieger verschrien oder einfach nur als Schmutzfink gebrandmarkt.

Die Rollenverteilung war in Stein gemeißelt, spätestens seit 1968 auch im Westen: In der „BRD“ hatten sich die braunen Buben überall wieder an die Macht gerobbt, daher war das „Bonner Regime“ unheilbar von der Nazipest befallen. Die DDR hingegen stellte das bakterienfrei antifaschistische Gegenstück dar. Mochten Mauer, Schießbefehl und das „gelbe Elend“ von Bautzen auch noch so erklärungsbedürftig sein. Die braune Lache hatte man im Arbeiter- und Bauernstaat rückstandsfrei trocken­gelegt – immerhin!

Doch nun das: Ausgerechnet bei „Spiegel online“ müssen wir lesen, wie es wirklich war. Nämlich ganz genauso, wie es jahrzehntelang nur die „dumpfen Antikommunisten“, die Kalten Krieger und die Schmutzfinken zu behaupten wagten: 1954 bestand die SED zu 27 Prozent aus ehemaligen NSDAP-Genossen oder früheren Mitgliedern in NS-Gliederungen, im öffentlichen Dienst der DDR waren es mehr als 32 Prozent. Alte SA-Kämpen hätten sogar komplette Einheiten der paramilitärischen „Gesellschaft für Sport und Technik“ (GST) gekapert.  

Interessant: Der Text ist eigentlich schon etwas betagt, er wurde im Mai 2015 schon einmal veröffentlicht. Nun aber, unmittelbar nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen, hielt man es in der Redaktion offenbar für angebracht, die Sache noch einmal prominent auf der Netzseite zu platzieren. 

Warum? Na ja, das Thema „Framing“ hatten wir hier ja schon. Die Botschaft des „Spiegel“ soll lauten: Die Ossis waren damals Nazis und wählen daher logischerweise heute die AfD. Alles das Gleiche und sozusagen als Erbkrankheit von Generation zu Generation gereicht.

Waren das noch Zeiten, als Soziologen und Demoskopen, Journalisten und Politiker die Lupe zückten, um möglichst genau herauszufinden, was die Deutschen im Innersten bewegt. In einer Mischung aus Furcht und Ehrfurcht raunte man vom „Wähler, dem unbekannten Wesen“.

Das haben wir hinter uns: Unbekannt? Pah! Wir wissen genau, wie das Pack funktioniert. Entweder, sie springen über die Stöck­chen, die wir ihnen hinhalten, oder es sind alles braune Ratten. Und zwar immer schon. Dann wird entsprechend „geframt“, um diese simple Sicht dem Publikum unter die Weste zu jubeln, und schon passt alles zusammen. 

Ließe sich das Muster auch woanders wiederholen? Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Im Frühjahr 2021 wählen die Baden-Württemberger einen neuen Landtag. Vielleicht gelingt es den Grünen ja, schon bis dahin mit ihrer Klimapolitik den Autoherstellern und deren Zulieferern spürbaren Schaden zuzufügen, was zahllose Autobau-Angestellten, die im Südwesten an Wählerprozenten ganz schön was auf die Waage bringen, zur AfD treibt.

Es wird dann nur Tage dauern, bis wir lesen, dass Baden und Württemberg schon immer braune Hochburgen waren. Und noch bevor Sie „Schwachsinn!“ sagen können, haben die Eifrigen den sogenannten „Fall Filbinger“ ausgemottet und zum neu ent­deckten Thema aufgeblasen. 

Dass fast kein Bürger unter 50 mehr weiß, wer Filbinger war, spielt da keine Rolle. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass von den DDR-Staatsdienern der 1950er Jahre kaum noch einer leben dürfte. „Framing“ ist die Kunst, Zusammenhänge herzustellen, wo gar keine sind. Das ist der Trick. Und hier von Sippenhaft zu sprechen, wäre ohnehin verfehlt. Sippenhaft heißt es nur, wenn es die Bösen tun. Machen die Guten das Gleiche, nennt man es „Ursachenforschung“.

Grüne und AfD seien die neuen Hauptgegner in der Republik, sagen die Experten. So wie früher Union und SPD. Stimmt das überhaupt? Wir zweifeln. Am Beispiel Baden-Württembergs erkennen wir, wer den Grünen in Wahrheit am gefährlichsten werden kann: Es sind die Grünen selbst. Man kann ihnen nur wünschen, dass ihr Feldzug gegen die deutsche Schlüsselindustrie, den Autobau, nicht allzu schnell zum Erfolg führt. Denn wenn es soweit ist, verlieren zigtausende Angestellte ihre Stelle, während sich in ihren Ohren grünes Klima-Pathos mit dem Hohngelächter der ausländischen Konkurrenz vermengt. Das wird für Stimmung sorgen. Und für Stimmen, allerdings an der falschen Stelle.

Aber wäre das denn so dramatisch? Letztlich geht es nicht darum, was passiert, sondern wie wir es aufnehmen. Sachsens SPD-Chef Martin Dulig gibt da ein herausragendes Vorbild ab, als er am Wahlabend den historischen Satz prägte: „Wir haben das schlechteste Wahlergebnis. Wir sind aber der coolste Landesverband.“ 

Stimmt. Wenn die letzte große Hollywood-Verfilmung das Geschehen richtig wiedergegeben hat, war der „Titanic“-Kapitän nicht halb so „cool“ wie Dulig, als das Wasser über Bug in sein Schiff drang. Der schien sogar regelrecht erschrocken zu sein. Was für ein Waschlappen, der Martin ist da aus ganz anderem Holz.

Und damit steht er nicht bloß für seine Sieben-Prozent-Klitsche von Landesverband, sondern für die SPD insgesamt. Jede Meile, die der rote Kahn dem Eisberg näherkommt, legen die Genossen noch Kohlen drauf. Olaf Scholz, Bundesfinanzminister und möglicherweise nächster SPD-Chef, will eine Steuer auf Aktiengeschäfte einführen. Auf den ersten Blick finden das alle toll, weil es ja nur die „Reichen“ trifft. Normalos haben keine Aktien, oder?

Und ob: Über ihre Betriebsrenten oder Lebensversicherungen stecken Millionen von Deutschen im Aktienmarkt, und zwar über ihre Versicherer, die das Geld an der Börse anlegen. Damit das Gesamtgebilde stabil bleibt, schichten sie dort unentwegt um, wobei jedes Mal die Scholz-Steuer fällig werden soll, die dann an die Versicherten weitergereicht würde. Ganz anders die klassischen privaten Großaktionärs-Dynastien. Die halten die Papiere nicht selten über Generationen, würden also gar nix zahlen.

Besonders lecker: Mit der „Riester-Rente“ hat ausgerechnet ein SPD-Arbeitsminister weitere Millionen Deutsche über ihre Rentenverträge an die Aktienmärkte und damit offenbar in eine Falle gelockt, die sein Genosse Scholz nun zuschnappen lassen will. Man kann den Sozis nur wünschen, dass dem ersten Blick kein zweiter folgt, durch welchen die kleinen Leute erkennen, dass Scholz sein Messer für ihren Skalp wetzt – und nicht für den der Großaktionäre.

Das wäre eigentlich ein gefundenes Fressen für die Linkspartei. Dafür müssten die jemanden haben, der auch wirkungsvoll zubeißen kann. Doch von denen ist keiner mehr da. Wer den Niedergang der SED-Erben sinnlich erleben will, der stelle nur die abgedrängte Sahra Wagenknecht im Geiste neben ihre siegreiche Parteirivalin Katja Kipping oder Gregor Gysi und Oskar Lafontaine neben den nunmehrigen Obergenossen Bernd Riexinger. Wer diese Reihe vor Augen hat, hat keine Fragen mehr. Irgendwann wird es selbst dem treuesten Linkswähler zu viel. Oder zu wenig, je nachdem.

Die Wahlergebnisse der Linkspartei in den einstigen PDS-Hochburgen Sachsen und Brandenburg können wir am treffendsten mit dem schönen Schlager der hanseatischen Schauspiel-Legende Heidi Kabel untermalen: „In Hamburg sagt man Tschüss!“