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13.09.19 / Alles andere als stabil / Wer mit wem? Planspiele zu Koalitionen in Brandenburg und Sachsen offenbaren tiefe Brüche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-19 vom 13. September 2019

Alles andere als stabil
Wer mit wem? Planspiele zu Koalitionen in Brandenburg und Sachsen offenbaren tiefe Brüche
Norman Hanert

Nach den Landtagswahlen ist in Sachsen und auch in Brandenburg rechnerisch ein Dreier-Bündnis aus CDU, SPD und Grünen die wahrscheinlichste Regierungsvariante. Allerdings gibt es bereits vor der Aufnahme der eigentlichen Koalitionsverhandlungen die ersten Probleme.

In Potsdam platzte in die gerade erst angelaufenen Sondierungsgespräche für eine neue Regierungskoalition eine Rücktrittsmeldung. Der CDU-Spitzenkandidat, Partei- und Fraktionschef Ingo Senftleben, trat fünf Tage nach den Landtagswahlen von allen Parteiämtern zurück. CDU-Generalsekretär Steeven Bretz sagte, Senftleben werde nicht mehr an den Sondierungsgesprächen teilnehmen und stehe auch für kein Regierungsamt zur Verfügung. Mit seinem Rücktritt wolle er eine stabile Regierung unter Beteiligung der CDU gewährleisten.

Die Union hatte unter Senfleben mit weniger als 16 Prozent ihr bislang schlechtestes Landtagswahlergebnis in der Mark eingefahren und war auf Platz 3 hinter der SPD und der AfD zurückgefallen. 

Senftleben war bereits kurz nach der Wahl unter parteiinternen Druck geraten. Bei der ersten Sitzung der neuen Landtagsfraktion hatten die Abgeordneten Saskia Ludwig und Frank Bommert die Wahl eines neuen Vorstands gefordert. Der Antrag scheiterte. Allerdings war das Abstimmungsergebnis mit Blick auf die Pläne für ein rot-schwarz-grünes Bündnis ein Alarmsignal. Von den 15 CDU-Abgeordneten stimmten nämlich sechs für den Antrag von Saskia Ludwig. Das geplante Dreier-Bündnis aus SPD, CDU und Grünen kann sich im Landtag aber nur auf eine Mehrheit von fünf Stimmen stützen.

Nach dem Rücktritt Senftlebens bezeichneten die Grünen-Spitzenkandidaten Ursula Nonnemacher und Benjamin Raschke den Unions-Politiker als „Aushängeschild einer liberalen und weltoffenen CDU“. In dem Zusammenhang warnten die beiden Grünen-Politiker: „Setzt sich jedoch der Siegeszug des rechtskonservativen Flügels um Saskia Ludwig und Frank Bommert fort und bleibt es dort bei Spaltung und Chaos, wäre Kenia für uns erledigt.“ 

Rein rechnerisch ist im märkischen Landtag auch ein rot-rot-grünes Bündnis oder eine Koalition aus SPD, CDU und Freien Wählern möglich. Beide Varianten hätten allerdings nur eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme. 

Auch in Sachsen gilt eine „Kenia“-Koalition aus CDU, SPD und Grünen als einzig realistische Variante, um unter Ausschluss der AfD eine rechnerisch stabile Regierungskoalition zu bilden. Wie in Potsdam verlaufen allerdings auch in Dresden bereits die Vorbereitungen schwierig. Während in Brandenburg der Rücktritt des CDU-Spitzenkandidaten für Skepsis bei den Grünen sorgt, irritiert die sächsischen Grünen die Nominierung eines Unions-Politikers. Dabei geht es um die Kandidatur für das Amt des Landtagspräsidenten. Bei einer Abstimmung in der CDU-Fraktion hat sich der bisherige Amtsinhaber Matthias Rößler gegen Vizepräsidentin Andrea Dombois durchgesetzt. Im Wahlkampf hatte sich der 64-Jährige für eine Minderheitsregierung und gegen eine Koalition mit den Grünen ausgesprochen. Rößler geriet zudem unter das Feuer des linken Lagers, weil er den ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen in seinen Wahlkreis eingeladen hatte.

Nicht nur bei Personalfragen zeichnet sich Konfliktpotenzial ab: Die Palette strittiger Themen reicht vom sächsischen Polizeigesetz über den Kohleausstieg bis hin zur Grünen-Forderung nach einem „längeren gemeinsamen Lernen“ an Sachsens Schulen. Der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck sagte schon kurz nach der Landtagswahl, er erwarte von der sächsischen CDU in Koalitionsgesprächen Entgegenkommen.

Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) hat sich inzwischen mit Blick auf die Regierungsbildung in Sachsen zu Wort gemeldet. Ramelow, der seit 2014 mit Hilfe einer Dreierkoalition aus Linkspartei, SPD und Grünen regiert, mahnte: „Zwangskoalitionen als Abwehr gegen die AfD führen zu nichts Gutem.“ 

Dem sächsischen CDU-Chef Michael Kretschmer riet Ramelow, „sich über die Kultur zu verständigen, die Kultur des Umgangs miteinander“. Aus Sicht des Linkspartei-Politikers dürfe der „Größere“ in der Koalition „den Kleineren nicht zu irgendetwas zwingen“.

Das Befolgen dieser Empfehlung stellt keineswegs eine Garantie für eine stabile Regierung dar, wie ein Blick nach Sachsen-Anhalt zeigt. In Magdeburg regiert Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) seit 2016 mit einer Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Innerhalb der Union werden immer wieder verärgerte Stimmen laut, die Haseloff vorwerfen, den Grünen zu viele Zugeständnisse gemacht zu haben. 

Vor allem in der Agrarpolitik, in Asylfragen und beim Kohleausstieg liegen die Vorstellungen von CDU und Grünen oft weit auseinander. Auch zwischen wichtigen Akteuren der Koalition scheint das Vertrauen so weit aufgebraucht, dass mittlerweile von einer Dauerkrise die Rede ist. Innerhalb der bundesweit bislang einzigen „Kenia“-Koalition haben sich die Konflikte zwischen Grünen und CDU sogar mehrmals schon so weit zugespitzt, dass ein vorzeitiges Aus bevorzustehen schien.