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13.09.19 / Ehrenrettung eines Wunderkinds / Vor 200 Jahren wurde Clara Schumann geboren – Leipzig, Bonn und Berlin ehren die Pianistin und Ehefrau Robert Schumanns

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-19 vom 13. September 2019

Ehrenrettung eines Wunderkinds
Vor 200 Jahren wurde Clara Schumann geboren – Leipzig, Bonn und Berlin ehren die Pianistin und Ehefrau Robert Schumanns
Helga Schnehagen

Die Neuköllner Oper in der Karl-Marx-Straße 131/133 nennt sich selber „Berlins vierte Oper“ und „ein Unikum“. Denn sie glaubt, dass es mit Neuinszenierungen bekannter Werke und ein paar neuen Auftragswerken nicht getan ist, die Oper zukunftsfähig zu machen. Sie ist davon überzeugt, dass man relevante Themen selbst auf die Bühne bringen muss: mit neuen Fragen – in neuen Stücken – und möglichen Antworten.

Mit Clara Schumann hat die Neuköllner Oper eine Protagonistin gefunden, die ins Programm passt. Ihrer Zeit weit voraus, bildet sie die perfekte Brücke zur Gegenwart. Oder anders gesagt, was Clara unter ganz anderen Bedingungen im 19. Jahrhundert auf die Beine stellte, schaffen viele Frauen und Mütter (und Väter) bis heute nicht. Das noch  bis zum 20. September auf dem Programm stehende Musiktheater-Stück „Casting Clara“ stellt die entsprechenden Fragen. 

Wunderkind, Klaviervirtuosin, Komponistin, Ehefrau von Robert Schumann, umworben von Johannes Brahms, Mutter von acht Kindern, Witwe, Konzertunternehmerin, Bühnenstar, Herausgeberin, Musikpädagogin, Großmutter und bis kurz vor ihrem Tod mit 

76 Jahren voll berufstätig: Wer war dieses ausnehmend selbstbewuss­te und emanzipierte Energiebündel? Wie ließen sich Karriere sowie ein anspruchsvolles Familien- und Liebesleben unter einen Hut bringen? Was man heute als  „Work-Life-Balance“ bezeichnet, hat Clara bereits vorgelebt.

Die Musikerin managte ihre eigene beispiellose Pianistinnen-karriere, eine komplizierte Künstlerehe und eine vielköpfige Fa­milie, sie arbeitete unermüdlich für den Familienunterhalt und die Verbreitung der Kompositionen ihres Gatten, dessen wechselhafte psychische und körperliche Verfassung legendär ist. 

Am 31. Juli 1856 wurde ihr Mann Robert auf dem Alten Friedhof in Bonn zu Grabe getragen. Zwei Tage zuvor war er verstorben. Außer Clara waren wohl nur seine liebsten Freunde Johannes Brahms, Joseph Joachim und Albert Dietrich dabei. Als Clara 40 Jahre später an den Folgen eines Schlaganfalls am 20. Mai 1896 in Frankfurt am Main starb, versammelte sich am übernächsten Tag alles, was Rang und Namen hatte, zur Trauerfeier. Zwei Tage später wurde Clara wunschgemäß in Bonn an der Seite ihres Mannes beerdigt.

Überstrahlte Claras Ruhm zu Lebzeiten den ihres Komponistengatten, wendete sich das Blatt beim musikalischen Nachlass. Viele Zeitgenossen fanden Ro­berts Werk zu schwierig. Doch im 20. Jahrhundert war er im Kreis der großen Komponisten angekommen. Claras Kompositionen dagegen verschwanden in der Versenkung und wurden erst in den 60er Jahren wiederentdeckt. 

Selbst in ihrer Geburtsstadt Leipzig, wo sie die ersten 25 Jahre ihres Lebens verbracht hatte, mit neun Jahren im Gewandhaus ihr Debüt gab und 1884 ebenda unter überwältigender Anteilnahme ihr 50. Bühnenjubiläum feierte, muss­ten 200 Jahre seit ihrer Ge­burt am 13. September 1819 vergehen, ehe man sie ge­bührend ehrt. Denn auch im Schumann-Haus in der Inselstraße, in dem das Paar seine ersten vier Ehejahre verbracht hatte, fokussierte sich die 1999 eröffnete Ausstellung vermehrt auf Robert. Mit der Neukonzeption als Paarmuseum werden Clara und Robert jetzt gleichberechtigt in Szene gesetzt. Die Neueröffnung ist am 14. September. 

Leipzigs Bach-Museum nimmt bis zum 19. Januar 2020 neben Clara zwei andere bekannte Mu­sikerinnen mit in den Blick: die Hofsängerin Anna Magdalena Bach geb. Wilcke (1701–1760), die zweite Ehefrau Johann Sebastian Bachs, sowie die Pianistin und Komponistin Fanny Hensel geb. Mendelssohn (1805–1847), die ältere Schwester von Felix. 

Eine Karriere wie Clara legten die Kolleginnen nicht hin. Anna Magdalena mangelte es möglicherweise an passenden Gelegenheiten. Fanny hatte schon der Vater gesagt, dass ihr die Musik im Leben allenfalls zur Zierde gereiche, nie aber Beruf werde. So blieb es dann auch nach ihrer Heirat mit dem Berliner Hofmaler Wilhelm Hensel. Claras Vater dagegen, der früh ihr Talent erkannt hatte, ordnete dem ehrgeizigen Ziel, sie berühmt und erfolgreich zu machen, alles unter. 

Das Stadtgeschichtliche Mu­seum Leipzig unternimmt mit der Ausstellung „Frauenliebe & Le­ben“ vom 2. Oktober bis 19. Januar 2020 eine Art Ehrenrettung. Hier steht Clara im Mittelpunkt mit einer Auswahl von Originalbriefen, Notenblättern, Porträts und plastischen Bildwerken.

Höhepunkt des Jubiläumsjahres in Leipzig sind die Schumann-Festwochen vom 12. bis 29. September, bei denen unter anderem Claras Urururenkel mit von der Partie sein werden (26.9. Schumann-Haus). Eröffnet werden sie mit jeweils Großem Konzert im Gewandhaus unter Leitung von Andris Nelson an Claras Geburts- (13.9.1819) und Hochzeitstag (12.9.1840). Kammermusik, vor allem im Schumann-Haus, er­gänzt das Programm (www.leipzig-im.de/Fest & Festival).

Auch andernorts wird Clara gefeiert. In Frankfurt am Main, wo sich Clara 1878 niederließ, prägte sie als „Erste Klavierlehrerin“ von Dr. Hoch’s Konservatorium das Musikleben der Stadt. Dabei bildete sie eine Generation erstklassiger Pianisten aus. Die bis 26. Ja­nuar 2020 laufende Ausstellung „Clara Schumann: eine moderne Frau des 19. Jahrhunderts“ im Karmeliterkloster beleuchtet mit Schautafeln ihr bewegtes Leben im Wechselspiel mit den Geschicken der sich wandelnden Stadt. 

Die Ausstellung „On tour. Clara Schumann als Konzertvirtuosin auf den Bühnen Europas“ im Bonner Ernst-Moritz-Arndt-Haus geht noch bis zum 29. September mit Clara auf Konzertreise, so nach Paris, wohin sie schon als Zwölfjährige reiste, oder nach 

St. Petersburg und Königsberg. Oder nach Wien, wo sie mit 19 Jahren zum internationalen Star wurde. Die meisten Auftritte hatte sie in London. Daneben waren Leipzig, Wien und Berlin die wichtigsten und am häufigsten besuchten Städte während ihrer über 60-jährigen öffentlichen Bühnenlaufbahn.

Clara Schumann hat nie in Bonn gelebt. Trotzdem ehrt sie die Stadt an ihrem Geburtstag im Rahmen des Beethovenfestes im World Conference Center mit einem Sonderkonzert. Im Mittelpunkt stehen die beiden Klavierkonzerte von Clara und Robert Schumann (www.beethovenfest. de).

Mehr Infos im Internet: www.schumann-portal.de/clara-schumann-200-geburtstag-2019