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13.09.19 / Als Finnland nolens volens die Seiten wechselte / Vor 75 Jahren beendete der Waffenstillstand von Moskau die Kampfhandlungen des Fortsetzungskrieges

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-19 vom 13. September 2019

Als Finnland nolens volens die Seiten wechselte
Vor 75 Jahren beendete der Waffenstillstand von Moskau die Kampfhandlungen des Fortsetzungskrieges
Wolfgang Kaufmann

Möge meine Hand verdorren, die gezwungen ist, ein derartiges Papier zu unterschreiben“, hatte der finnische Präsident Kyösti Kallio anlässlich der Ratifizierung des Friedensvertrages von Moskau gesagt, mit dem am 21. März 1940 der sogenannte Winterkrieg zwischen seinem Land und der Sowjetunion geendet hatte. Denn der Diktatfrieden bescherte dem sowjetischen Angreifer, der am 30. November 1939 ohne Kriegserklärung und trotz eines Nichtangriffsvertrages zwischen den beiden Staaten aus dem Jahre 1932 mit 30 Divisionen in das Nachbarland eingefallen war, beachtliche Gebietsgewinne auf Kosten Finnlands. Das skandinavische Land, das erst 22 Jahre zuvor von Russland unabhängig geworden war, musste neben Westkarelien den Ostteil von Salla und die Fischerhalbinsel abtreten. Insgesamt annektierte die Sowjetunion zwölf Prozent des finnischen Territoriums. Außerdem wurde etwa jeder zehnte Finne aus seiner angestammten Heimat vertrieben.

Während des Winterkrieges hatte Finnland die Erfahrung machen müssen, dass es weder auf nennenswerte Hilfe seitens seiner skandinavischen Nachbarn noch auf echte Unterstützung der Westalliierten hoffen konnte, wenn es Moskau gelüstete, zulasten Helsinkis zu expandieren. Daraus resultierte die strategische Entscheidung, sich trotz des noch gültigen deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages auf die Seite Deutschlands zu schlagen. Nachfolgend lieferte das Reich Beutewaffen aus den ersten beiden gewonnenen Blitzkriegen nach Finnland, während es im Gegenzug strategisch wichtige Rohstoffe wie Kupfer, Molybdän und Nickel von dort bezog. Darüber hinaus durfte Deutschland nun die Transportwege quer durch Lappland benutzen und bekam so einen Zugang zum Eismeer. 

Derweil übte Josef Stalin wie schon vor dem Winterkrieg massiven diplomatischen Druck auf Finnland aus. Indes stärkte er hierdurch die Position des Oberkommandierenden der finnischen Streitkräfte, Marschall Carl Gustaf Mannerheim, der sich für eine weitere Annäherung an Deutschland ausgesprochen hatte. 

Deutlichster Ausdruck derselben war der Entschluss, im Juni 1941 an der Seite der Wehrmacht in die Sowjetunion einzumarschieren. Damit begann der sogenannte Fortsetzungskrieg, in dem das skandinavische Land die von der UdSSR im Zuge des Winterkrieges geraubten Territorien zurückerobern und die sowjetische Bedrohung seiner staatlichen Existenz auf Dauer ausschalten wollte. 

Als unmittelbarer Anlass für die Kriegserklärung an Moskau vom 25. Juni 1941 dienten sowjetische Bombenangriffe auf Stützpunkte im zu diesem Zeitpunkt noch neutralen Finnland. Danach gingen Mannerheims Truppen sofort in die Offensive. Bis Ende 1941 stießen sie gemeinsam mit deutschen Kampfverbänden an die alte Grenze zwischen Finnland und der UdSSR vor und besetzten dann auch den sowjetischen Teil Kareliens bis zum Onegasee und zum karelisch-russischen Grenzfluss Swir. Dann fraß sich die Offensive, die unter anderem zur Blockade Leningrads vom Norden geführt hatte, fest, während Großbritannien Finnland den Krieg erklärte, wodurch das Land noch enger an Deutschland gebunden wurde.

Nachfolgend entwickelte sich ein Stellungskrieg, der Finnland für längere Zeit zum Nebenschauplatz des Zweiten Weltkrieges machte, während die großen Entscheidungen woanders fielen. Eine davon war die Schlacht von Stalingrad, in der die Sowjetunion obsiegte. Daraufhin beschloss das finnische Kriegskabinett unter Marschall Mannerheim und Staatspräsident Risto Ryti am 3. Februar 1943, einen Separatfrieden mit Moskau auszuhandeln. Zu diesem Zeitpunkt standen bereits 630000 Finnen unter Waffen, was für das Vier-Millionen-Volk eine extreme Belastung darstellte, der es nicht ewig gewachsen sein konnte. Allerdings bekam die deutsche Seite Wind von dem Vorhaben und erzwang den Abbruch der Verhandlungen – als Druckmittel dienten nicht zuletzt die sieben Divisionen der Wehrmacht in Lappland.

Am 10. Juni 1944 begann die Rote Armee einen Großangriff auf die finnische Armee in Karelien, die sogenannte Wyborg-Petrosawodsker Operation. Zunächst hielt die Front. Aufgrund ihrer überaus zähen Gegenwehr und deutscher Waffenhilfe konnten die Finnen den sowjetischen Vormarsch bis August 1944 in mehreren siegreichen Schlachten stoppen. Anschließend nutzten sie die vermeintliche Gunst der Stunde für den Versuch, unter einigermaßen erträglichen Bedingungen aus dem Krieg gegen die UdSSR auszusteigen. 

Der am 19. September 1944 vereinbarte Waffenstillstand von Mos­kau orientierte sich im Wesentlichen an den Friedensbedingungen von 1940, beinhaltete jedoch eine weitere Westverschiebung der gemeinsamen Grenze im Norden. Finnland verlor jedes Dritte seiner Kraftwerke, ein Viertel aller Zellulosewerke, die Nickelgruben von Petsamo und den einzigen Hafen an der Eismeerküste. Zusätzlich musste das ausgeblutete Land Reparationen im Werte von 300 Millionen US-Dollar zahlen. Außerdem verpflichtete sich Helsinki, sämtliche im Lande stehenden deutschen Truppen – darunter vor allem die über 200000 Mann starke 20. Gebirgs-Armee unter Generaloberst Lothar Rendulic – aus Finnland zu vertreiben oder zu internieren. Hieraus resultierte der Lapp­landkrieg, in dem sich die ehemaligen Waffenbrüder plötzlich gegenüberstanden und teilweise sehr verbissene Kämpfe lieferten. Dieser Konflikt endete erst am 27. April 1945 mit dem Abzug der letzten deutschen Soldaten von finnischem Boden.

Die Abmachungen des Waffenstillstandes von Moskau wurden am 10. Februar 1947 im Friedensvertrag von Paris bestätigt. Auf finnische Versuche, noch einige Änderungen zu erreichen, entgegnete der sowjetische Unterhändler Andrej Wyschinski drohend: „Versucht nur, mit Hilfe der Westmächte die Grenze näher an Leningrad heranzuschieben, und ihr werdet sehen, was euch passiert!“ 

Andererseits behielt Finnland durch den Vertrag zumindest seine staatliche Souveränität und teilte nicht das Schicksal der von der Sowjetunion zwangsweise einverleibten baltischen Staaten und der Ostblockstaaten. Der Preis dafür war neben dem Akzeptieren der aufgezwungenen Gebietsverluste sowie der Zahlung der Reparationen Wohlverhalten gegenüber der UdSSR und strikte außenpolitische Neutralität. Für diese Haltung wurde später der Begriff „Finnlandisierung“ geprägt.