Im Gegensatz zum Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen bei Düsseldorf ist das Haus Schlesien in Königswinter mutiger: Es nennt einen sporadischen Kooperationspartner im oberschlesischen Schwientochlowitz [Swientochlowice] nicht wörtlich übersetzt „Museum der Schlesischen Aufstände“, sondern – zumindest in Pressetexten – „Museum der Polnischen Aufstände“. Formal ist so der polnische Name richtig, inhaltlich jedoch der Deutsche, denn mittlerweile räumen auch polnische Historiker ein, dass der neue polnische Staat nach dem Ersten Weltkrieg ordentlich am „Aufstand“ polnisch Optierender in Oberschlesien mitwerkelte und doch wohl weniger eine breite Volkserhebung slawischer Oberschlesier gegen die preußische Staatsmacht auszumachen war. Immerhin hatten die Deutschen ja auch die Volksabstimmung über die Zukunft der Region mit 60 zu 40 Prozent gegen Polen gewonnen.
Während im Angesicht des
80. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges deutsche Medien polnischen Stimmen zur Interpretation der Geschichte breiten Raum einräumten, weiß sich Polen weitgehend bei fragwürdigen Mythologisierungen sicher. Außerhalb zu den Jahren 1939 bis 1945 kommt aus Deutschland keine Hinterfragung, und das ist angesichts eines noch runderen Jubiläums nicht gerade hilfreich. 100 Jahre liegen die besagten Aufstände in Oberschlesien nun zurück, da gilt es auch jugendgerecht die Tauglichkeit des Mythos in die Jugendkultur zu implementieren. Et voilà: Fertig war just zum 100. Jubiläum das Spiel als Handyapp „Schlesische Aufstände“ vom Schwientochlowitzer Museum.
In polnischer, englischer und sogar deutscher Sprache findet sich diese im Appstore unter der Rubrik „Bildung“ – erfrischenderweise sind sogar die deutschen Ortsnamen kleinerer Orte in deutscher Sprache in Klammern zu finden. Das ändert freilich nichts daran, dass die Botschaft, die dank Unterstützung aus dem EU-Fonds für regionale Entwicklung umgesetzt werden konnte, zu den „wichtigsten Orten der schlesischen Unabhängigkeitsaufstände“ führt. Man sammelt Punkte und „Dekorationen“, womit der Sinn des Spiels im Aufstieg vom Soldaten zum General liegt. Orden gibt es im Grunde nur dafür, dass man die langweiligen Gedenktafeln mit pathetischen und historisch überaus einseitigen Texten einfach langweilig abhakt. Zwischenzeitlich wird man mit „geheimen Nachrichten vom Aufstandsoberhaupt“ versorgt.
Dumm steht eigentlich nur der da, der seine Reise nicht im Aufständischenmuseum in Schwientochlowitz beginnt, denn wer das multimediale Museum in der ehemaligen Polizeidirektion auslässt, verliert eigentlich zu viele Punkte und bringt es sicher nie zum General. Drei Routen kann man bewältigen. Damit das Ganze auch modern klingt, sind die drei Aufstände in „drei Trails“ zu bewältigen. Angesicht fehlender inhaltlicher Tiefe und gähnend langweiliger Texte austauschbarerer Erinnerungstafeln an unschönen Gedächtnisorten ist das Spiel wohl nur etwas für den von Hause aus unkritischen Hurrapatrioten. Immerhin ist das mit europäischen Mitteln entstandene Spiel so banal, dass die Altersempfehlung so auch ab vier Jahren (USK ab 0 Jahren) gilt. Das allein wäre ein Grund für einen gehörigen gesellschaftlichen Aufstand!
Bislang wurde dieses Spiel, das seit dem 13. Mai 2019 im Google Play-store zugänglich ist, häufiger als
10 mal, aber weniger als 100 mal heruntergeladen. Im Itunes-Store gibt es bislang eine Bewertung, und zwar ein Sternchen von fünf möglichen. Wer sich selbst ein Urteil bilden möchte, findet hier die Links: https://play.google.com/store/apps/details?id=pl.mobilems.mpsl oder https://itunes.apple.com/ us/app/powstania-%C5%9Bl% C4%85skie/id1466603758?l= pl&ls=1&mt=8
