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13.09.19 / Ottilie gegen Dörte / TV-Duell zweier Emanzen im Ersten und ZDF – Eine Bauhäuslerin zieht gegen eine Fabrikantin den Kürzeren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-19 vom 13. September 2019

Ottilie gegen Dörte
TV-Duell zweier Emanzen im Ersten und ZDF – Eine Bauhäuslerin zieht gegen eine Fabrikantin den Kürzeren
Anne Martin

Ob in der fränkischen Bleistift-Fabrik oder am avantgardistischen Bauhaus zu Weimar – ehrgeizige Frauen hatten es immer schwer. In einer Serie und einer historischen Biografie erzählen ZDF und ARD vom Kampf ihrer Heldinnen um Unabhängigkeit. 

Über 50 Prozent aller Fernsehzuschauer sind weiblich, also wird produziert, was Frauen gern sehen: Geschichten über Frauen, die sich nach oben kämpfen oder das zumindest versuchen. In früheren Jahren überwanden die TV-Heroinen Uschi Glas („Anna Maria – eine Frau geht ihren Weg“) und Christiane Hörbiger („Julia – Eine ungewöhnliche Frau“) auf ihrem Karriereweg allerlei Widerstände, nun ist die jüngere Generation am Start. Wenn man deren Kampf um Eigenständigkeit dann noch mit Meilensteinen der deutschen Historie untermauern kann – umso besser.

Das Schicksal der Bleistift-Erbin Ottilie von Faber-Castell (1877–1944) birgt alle Zutaten für eine Moritat von Aufstieg und Fall. („Ottilie von Faber-Castell – Eine mutige Frau“, Sonnabend, 14.9., ARD). Großvater Lothar vererbt seiner erst 16-jährigen Enkelin seine Fabrik für edles Schreibgerät, und diese macht sich fleißig daran, alle Gewerke der Firma kennenzulernen. 

Allein: Der Zeitgeist ist gegen die vor 75 Jahren gestorbenen Pionierin. Die männlichen Kollegen nehmen die junge Frau nicht ernst, und sobald Ottilie (Kristin Suckow) erst verheiratet ist, wird sie von ihrem Gatten auf klassische Weise ausgebootet: Alexander von Faber-Castell (Johannes Zirner) verweist seine ehrgeizige Ehefrau auf ihren traditionellen Platz. Unter dem Vorwand vermeintlicher Rücksichtnahme auf die Pflichten einer jungen Mutter wird sie beruflich kaltgestellt. 

Wie Regisseurin Claudia Garde diese gescheiterte Emanzipationsgeschichte in Szene setzt, ist Fernsehen vom Feinsten. Sogar ein Duell wird ausgetragen, um den Kampf um die reiche Erbin zu illustrieren. Alexander macht das Rennen, aber sein Rivale Philipp Brandt von Neidstein (Hannes Wegener) gibt nicht auf, sondern schenkt seiner Angebeteten Jahr für Jahr einen Goldreif als Zeichen seiner Liebe.

Deutlich nüchterner ist dagegen das Leben der 20 Jahre später geborenen Kunststudentin Dörte Helm (1898–1941), die das ZDF unter den zahlreichen Frauen an der Kunsthochschule in Weimar heraushebt („Die neue Zeit“, ab Sonntag, 15.9., 22.15 Uhr; Arte ab Donnerstag, 5.9., 20.15 Uhr).

Ausgerechnet an einem Institut, das sich der Avantgarde verschrieben hat, muss Dörte (Anna Maria Mühe) erfahren, wie Frauen vom allmächtigen Direktor Walter Gropius und seinem sektiererischen Meister Johannes Itten kleingehalten und in die Weberei abgedrängt werden. Zynisches Motto des Bauhaus-Künstlers Oskar Schlemmer: „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, und sei es nur zum Zeitvertreib.“

Ottilie gegen Dörte, Unternehmerin gegen Künstlerin: Der Fernseh-Vergleich geht eindeutig zugunsten der Schreibstift-Erbin aus. 

Was bei Ottilie gelingt – ein delikat ausstaffierter Kostümfilm mit feministischer Färbung – will dem ZDF nicht recht glücken. „Die neue Zeit“ kommt über weite Strecken als illustrierter Volkshochschulkurs daher und wird wohl aus gutem Grund im Spätprogramm versteckt. Regisseur Lars Kraume will die Geschichte des „Bauhauses“ erzählen, jener kühnen Architekturrichtung in der Weimarer Republik, die das Design der Funktion unterordnete und Wohnmodule für viele schaffen wollte. Doch Fakten und fiktionale Geschichte geraten sich ständig in die Quere. Seine Protagonistin Dörte etwa, bei Gründung des Bauhauses 1919 gerade einmal 21 Jahre alt, spricht gestelzt, als habe sie ihre Dialoge aus einem Nachschlagewerk auswendig gelernt. Allzu kess stürmt die junge Frau das Direktoren-Zimmer, wohlwollend herablassend nimmt Gropius sich ihrer an. 

Viel will die ZDF-Serie in sechs 45-Minuten-Folgen unterbringen, allzu viel. Da wird noch schnell der Kapp-Putsch angerissen, als Vertreter der erzkonservativen Weimarer Gesellschaft fungieren eine streng blickende Dame und ihr Komplize, die sogar ein Ehrengericht bemühen, um dem Direktor sittliche Verfehlungen nachzuweisen. Für Lebendigkeit sollen die berühmten Feste sorgen, die seltsam unmotiviert in die Handlung montiert werden. Immer wieder wird junges Volk gezeigt, das rauschhaft tanzt oder nackt in die Fluten der Ilm springt. 

Plump konstruiert wirkt auch die Rahmenhandlung. Der nach Chicago emigrierte Gropius wird 1963 von einer Journalistin interviewt, die wissen will, ob die Frauen am Bauhaus unterdrückt wurden. 

Dagegen Ottilie: In satten Sepiatönen entfaltet sich der Kampf der Bleistift-Erbin um Anerkennung. Taftröcke knistern, Kandelaber leuchten so glühend wie die braunen Augen des Verehrers. Das opulente Ambiente ist ein schöner Kontrast zur rauen Wirklichkeit. Ottilie soll im Hintergrund wirken wie alle Frauengenerationen vorher. Fünf Kinder bringt sie zur Welt, ein Sohn stirbt. Unterstützung erfährt sie von niemandem, am wenigsten von ihrer Mutter, die sich mit ihrem Schick­sal als graue Witwe abgefunden hat: „Wir sind Geister ohne Fleisch und Blut.“ Eine wahre Revolution, dass die auf ihre Mutterrolle reduzierte Erbin zuletzt ihr Recht auf privates Glück einfordert. 

Während das Erste im großen Drama schwelgt, verläuft das Opus Gropius im Sande. Der müde alte Mann im amerikanischen Exil, in seiner Maske dem späten Herbert Wehner ähnlich, hält an seinem patriarchalen Weltbild fest. Dörte, behauptet er, hätte den Umzug des Bauhauses 1925 nach Dessau nicht mitgemacht, obwohl er sie ausdrücklich gebeten habe. Tatsache war: Dem Bauhaus-Chef, längst mit einer wohlhabenden jungen Frau verbandelt, ist seine kritische Studentin lästig. 

Dörte Helm wird in Dessau keine Perspektive geboten, sie zieht nach Hamburg, heiratet einen Redakteur und stirbt mit nur 43 Jahren an einer Virusinfektion. 

Welch dramatisches Ende dagegen bei Ottilie: Die verhinderte Unternehmerin, die letztlich doch ihrem Herzen folgt, muss diesen Befreiungsschlag bitter büßen. Ihr Gatte, selber schon länger auf amourösen Abwegen unterwegs, verklagt sie wegen Ehebruchs, entzieht ihr die Kinder und verweigert jeglichen Unterhalt – so hoch war der Preis, den eine Frau seinerzeit für ihre Unabhängigkeit zahlen musste.