28.03.2024

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13.09.19 / Dem Ruf der Seele folgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-19 vom 13. September 2019

Dem Ruf der Seele folgen
Silvia Friedrich

Der Mensch besteht aus Körper, Geist und Seele. Diese drei Aspekte des Menschseins stehen in gegenseitiger Wechselwirkung und bilden eine Einheit“, sagte Michael Tischinger, Chefarzt der Adula Klinik Oberstdorf in seinem Buch „Auf die Seele hören. Wegweiser in ein selbstbestimmtes Leben“. Dass in den Universitäten heute weiterhin „ein allzu verengtes Bild des Menschen, nämlich die Reduktion auf den Körper vertreten wird“, weiß jeder aus eigener Erfahrung. Ausschließlich im Fachgebiet der Psychosomatik, so der Autor, scheine das Nachdenken über die gegenseitige Einflussnahme erwünscht zu sein. Das allgemeingültige Bild des Menschen, das jedem von uns vermittelt wurde, sei ein mechanistisches. Der Mensch als Maschine, die auch genauso zu funktionieren habe. Tue sie das nicht mehr, würden Teile ausgetauscht, bis sie wieder laufe. Es läuft aber so leider nicht, denn die doch recht einseitige Medizin behandle oft Symptome, nicht aber die ursächlich dazu führenden Gegebenheiten.

Laut Tischinger leide die menschliche Seele an individuellem Stress, an Entmenschlichung, Überforderung, Verletzungen, zu wenig zwischenmenschlichem Halt, mangelnder Unterstützung und Liebe. In dieser immer schnellerwerdenden Zeit, buhlten Werbetexte, Nachrichten, ständig neue Informationen ohne Unterlass um unsere Aufmerksamkeit. 

Wie kann man sich diesem „Dauerbeschuss“ entziehen? Die Antwort dazu liegt in jedem von uns selbst. Wir müssen wieder mit der Seele in Kontakt treten, die doch so oft laut ruft, indem sie Krankheiten schickt. Wie man das tut, wie man den inneren Kompass wieder entdecken kann, zeigt der Autor anhand vieler Erfahrungsberichte von sich und Patienten und leicht durchzuführender Übungen. Achtsamkeit und Geduld seien notwendig, um wieder mit der eigenen Seele in Berührung zu kommen.

Im Leben eines jeden gibt es Krisen, mehr oder weniger schwere, jedoch ist es beglückend und neu zu erfahren, dass Tischinger diese als „göttliche Störungen“ bezeichnet. Diese, so der Autor, holten einen oft aus dem Alltagstrott heraus, rüttelten einen auf und ließen einen vielleicht wieder richtig „lebendig“ werden. Oft verstehen wir nicht, warum das „Schicksal“ derart zugeschlagen hat, erst in der Rückschau wird oft klar, wie wir daran gewachsen sind und warum es auftauchen musste, um zur eigenen Identität zu gelangen.

Nicht nur im Internet trifft man häufig auf selbsternannte Gurus, die von sich behaupten, das Rezept für ein gesundes, glückliches Leben gefunden zu haben. Bei Tischinger kann man da ganz beruhigt sein. Er weiß genau, wovon er spricht. Als Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie ist er erstens bestens ausgebildet und zweitens hat er täglich mit seelisch Kranken zu tun. Es ist sein Metier als Arzt, sich mit Patienten zu befassen, die auf vielerlei Weise mit dem Leben nicht mehr zurecht kommen, sie im besten Fall wieder oder erstmals auf einen gesunden, vor allem aber freudvollen Weg zu bringen, zu dem die jeweiligen Seelen lauthals „Ja“ rufen. Nicht mehr fremdbestimmt, nicht eingeengt, sondern seiner wahren Lebensaufgabe auf der Spur, um diese zum Wohle aller auszuleben. Sehr persönlich geschrieben und angenehm zu lesen, könnte das Buch für viele ein Anfang sein, sich auf einen selbstbestimmten, glück­lichen Weg zu begeben. 

Michael Tischinger: „Auf die Seele hören. Wegweiser in ein selbstbestimmtes Leben“, Herder Verlag, Freiburg 2019, broschiert, 240 Seiten, 20 Euro