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20.09.19 / Europäer kämpfen gegen Bevölkerungsrückgang / Immer mehr EU-Staaten setzen auf Familienförderung und spezielle Rückkehrprogramme für Ausgewanderte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-19 vom 20. September 2019

Europäer kämpfen gegen Bevölkerungsrückgang
Immer mehr EU-Staaten setzen auf Familienförderung und spezielle Rückkehrprogramme für Ausgewanderte
Bodo Bost

Für Anfang dieses Monats hatte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban erstmals zu einem sogenannten Demografiegipfel in die ungarische Hauptstadt geladen. Bei dem derzeitigen Bevölkerungsrückgang könnten Mathematiker bereits berechnen, wann der letzte Europäer das Licht ausmache, erklärte Orban in seiner Eröffnungsansprache. „Vergesst diesen grünen Unsinn, der besagt, dass weniger Menschen gut sind, um die Zukunft des Planeten zu sichern“, rief Orban den Teilnehmern zu. Ohne die Menschheit hätten auch der Kontinent und das Klima keine Zukunft, fuhr Orban fort und stigmatisierte Umweltbedenken im Zusammenhang mit Überbevölkerung. „Wenn Europa in Zukunft nicht mehr von Europäern bevölkert wird und wir dies für selbstverständlich halten, sprechen wir von Umvolkung“, fügte der ungarische Regierungschef hinzu. „Es gibt politische Kräfte in Europa, welche die derzeitige Bevölkerung aus ideologischen oder anderen Gründen ersetzen wollen“, erklärte Orban. 

Seit der Immigrationskrise von 2015 hat Orban versucht, den demografischen Niedergang seines Landes einzudämmen. Den Prognosen zufolge könnte die ungarische Bevölkerung bis 2050 von 9,8 Millionen auf 8,3 Millionen schrumpfen. 

Auch in Ungarn liegt die Kinderzahl pro Frau bei 1,5, weit entfernt von dem für das Halten der Bevölkerungszahl erforderlichen Wert von 2,1. Deshalb kündigten die ungarischen Behörden im Februar neue Maßnahmen zur Geburtenförderung an: eine Steuerbefreiung für Frauen mit vier oder mehr Kindern; ein Darlehen von zehn Millionen Forint (gut 30000 Euro) für Familien mit drei Kindern; und Zuschüsse für große Familien beim Fahrzeugkauf. 

Ein größeres Problem Ungarns in diesem Zusammenhang ist jedoch die Abwanderung. Laut Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben zwischen 2008 und 2018 etwa eine Million ungarische Staatsbürger das Land verlassen. Dieser Exodus führt zu Arbeitskräftemangel im öffentlichen Dienst wie dem Gesundheitswesen. 

Auch Polen und Portugal haben gerade Programme gestartet, um Auswanderer zurückzuholen. Die portugiesischen Behörden haben das Programm „Regressar“ (Rück­kehr) im Sommer gestartet. Auf dem Online-Portal des portugiesischen Arbeitsamtes wurde ab dem 22. Juli ein verlockendes Angebot eröffnet: 6536 Euro pro in das Land zurücksiedelnder Familie, sofern diese vor 2016 abreiste und einen Arbeitsvertrag in Portugal unterzeichnet. 

Polen setzt finanzielle Mittel ein, um junge Menschen zu halten, die von besseren Lohn- und Beschäftigungsbedingungen in anderen europäischen Ländern angezogen werden. Seit dem 1. August müssen Beschäftigte unter 26 Jahren, die weniger als 20000 Euro pro Jahr verdienen, keine Steuern mehr bezahlen. Zwei Millionen Menschen sind betroffen. 

Ähnlich wie Ungarn setzt auch Polen sowohl auf die Rückholung von Auswanderern beziehungsweise die Verhinderung von Auswanderung sowie die Erhöhung der Geburtenzahl. In Polen hatte die Einführung von Beihilfen für junge Eltern eine gemischte Resonanz. Die Geburtenzahl stieg zwar von 370000 im Jahr 2015 auf 402000 im Jahr 2017, doch sank sie danach wieder auf 388000 im Jahr 2018. 

Spanische, litauische, lettische und irische Regierungsvertreter trafen sich am 27. Mai in Warschau, um sich über die Abwanderung ihrer am besten ausgebildeten Kräfte ins westeuropäische Ausland Gedanken zu machen. Polen verzeichnete nach Angaben des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) zwischen 2013 und 2017 einen Nettoverlust von 268000 jungen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren. Im selben Zeitraum verlor Spanien 135000, Litauen 85000 junge Leute. 

Die elf Länder des Ostens der EU hatten 1989 111 Millionen Einwohner, heute sind es nur noch 103 Millionen. Am stärksten betroffen sind Bulgarien, Lettland und Litauen mit einem Rückgang von über 20 Prozent vor Kroatien mit elf und Ungarn mit acht Prozent. Polen verzeichnete immerhin noch einen Rück­gang von drei Prozent. Laut Eurostat lebten im Jahr 2017 8,2 Millionen Menschen aus diesen Ländern in anderen EU-Mitgliedstaaten, fünfmal mehr als im Jahr 2014. Allein 2,5 Millionen Polen und 3,1 Millionen Rumänen lebten in anderen EU-Ländern, vor allem in Großbritannien und Deutschland.