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20.09.19 / Rolle Rückwärts zum Meisterzwang / Bei einem Dutzend von 50 Gewerken soll das Rad der Zeit um 15 Jahre zurückgedreht werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-19 vom 20. September 2019

Rolle Rückwärts zum Meisterzwang
Bei einem Dutzend von 50 Gewerken soll das Rad der Zeit um 15 Jahre zurückgedreht werden
Peter Entinger

Die Meisterpflicht soll ab Anfang 2020 für insgesamt zwölf Gewerke wieder eingeführt werden. Im Jahr 2004 war in mehr als 50 Berufen die Meisterpflicht weggefallen. Mit der Reform der Handwerksordnung wollte die Bundesregierung damals einfachere Tätigkeiten für Selbstständige öffnen.

Der Abschaffung war damals eine zähe Debatte vorausgegangen. Die Handwerker-Verbände sagten einen massiven Qualitätsverfall in den betroffenen Branchen voraus. Die Befürworter der Liberalisierung im Handwerk dagegen warben mit neuen Jobs und der Aussicht auf sinkende Preise für die Kunden. Die Meisterpflicht bedeutet, dass ein Handwerksbetrieb nur nach dem Bestehen der Meisterprüfung selbstständig geführt werden darf. Sofern der Inhaber nicht selbst Meister ist, kann er eine bestehende Meisterpflicht durch die Beschäftigung eines angestellten Meisters erfüllen.

Nun sind etwa im Baubereich die Auftragsbücher voll, viele Menschen haben Schwierigkeiten überhaupt einen Handwerker zu bekommen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) fordert dennoch die Rückkehr zur Meisterpflicht in vielen Berufen. Im Handwerk gebe es eine zunehmende Zahl von Solo-Selbstständigen, dies führe zu massiven Problemen etwa bei der Qualität. 

Seit 2004 sei es in einigen Gewerken zu „Fehlentwicklungen“ gekommen, sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer und malte eine düstere Zukunftsprognose: „Weniger Auszubildende, weniger Fachkräfte, weniger Qualität, schneller vom Markt verschwindende Betriebe und infolge dessen ein geringerer Gewährleistungs- und Verbraucherschutz.“

Daher sei es gut, dass diese Fehlentwicklungen jetzt korrigiert werden sollten, um wieder mehr Ausbildung, mehr Qualifikation, mehr Qualität, mehr Gewährleistungs- und Verbraucherschutz zu ermöglichen. „Denn auch in Zukunft sollen Verbraucher ein qualitativ hochwertiges, ausbildungs- und betriebsnachhaltiges Handwerk vorfinden. Der Meisterbrief ist der Garant, um das Ausbildungs- und Qualifizierungssystem und damit auch Fachkräfte im Handwerk für die Zukunft zu gewährleisten“, teilte er weiter mit. 

Der Wirtschaftsweise Lars Feld und der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sprachen sich dagegen gegen eine Rückkehr zum Meisterzwang aus. Die Pläne seien rückwärtsgewandte Klientelpolitik, sagte Feld der „Stuttgarter Zeitung“. 

Dabei habe die Reform der Handwerksordnung positive Effekte am Arbeitsmarkt gehabt, sagte der Freiburger Professor. Nach Fuests Auffassung ist die Rückkehr zum Meisterzwang nicht der richtige Weg. „Er beschränkt den Wettbewerb und verteuert die Leistungen der betroffenen Branchen. Die Kunden sollen selbst darüber entscheiden können, ob sie einen Handwerker mit oder ohne Meisterprüfung beschäftigen wollen“, erklärte er in einer Pressemitteilung. 

Die neue Regelung soll konkret für Fliesen-, Platten- und Mosaik­leger, Betonstein- und Terrazzohersteller, Estrichleger, Behälter- und Apparatebauer sowie Parkettleger gelten. Ebenfalls betroffen sind Rollladen- und Sonnenschutztechniker, Drechsler und Holzspielzeugmacher, Böttcher, Glasveredler, Schilder- und Lichtreklamehersteller, Raumausstatter sowie Orgel- und Harmoniumbauer.

Die Regierungskoalition legte dabei Wert auf die Feststellung, dass bestehende Betriebe, die derzeit nicht der Meisterpflicht unterliegen, auch weiterhin ihr Handwerk selbstständig ausüben dürfen. Sie erhalten sogenannten Bestandsschutz. „Wir sind davon überzeugt, dass der Meisterbrief im deutschen Handwerk die beste Garantie für Qualitätsarbeit, Verbraucherschutz, Leistungsfähigkeit und Innovationskraft liefert“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann und dem stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Sören Bartol. Entscheidend für die Einführung der Meisterpflicht sei dabei, ob es sich um Handwerke handle, deren unsachgemäße Ausübung eine „Gefahr für Leben und Gesundheit“ bedeute. Zudem würden solche Handwerke berück­sichtigt, die als immaterielles Kulturgut anzusehen seien wie eben Orgel- und Harmoniumbauer. 

Lob gab es sogar aus Oppositionskreisen. Tino Chrupalla (AfD) erklärte, den Handwerkern sei die Berufsehre genommen worden. Eine der tragenden Säulen des Mittelstands und damit der Wirtschaft sei geschwächt worden. Er betonte den kulturellen Wert handwerklicher Fähigkeiten und Fertigkeiten – dieses Wissen und diese Traditionen gelte es zu bewahren, sie seien das Kapital der deutschen Wirtschaft. 

Von der FDP-Fraktion hieß es, das Handwerk brauche Anerkennung. Der Meisterbrief sei unverzichtbarer Bestandteil der beruflichen Bildung. Manfred Todtenhausen (FDP) sprach zugleich davon, eine Ausweitung des Meisters auf mehr Berufe müsse mit Augenmaß geschehen. Es gehe darum, aus den Fehlern der Novellen von vor etwa eineinhalb Jahrzehnten zu lernen. Wichtig sei, rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten und genau auf die Bedürfnisse des Handwerks zu reagieren.

Kritiker befürchten, dass sich die neue Regelung nachteilig auf die Wirtschaft auswirken und zu einer weiteren Verteuerung führen könnte. „Anstatt hier die Lage zu entschärfen, schafft man eine lupenreine Marktzugangsbeschränkung. In Sonntagsreden wird immer die Kultur der Selbstständigkeit hochgehalten, und unter der Woche beschließen die Koalitionäre, genau diese einzuschränken“, schrieb der „Handelsblatt“-Redakteur und Sachbuchautor Thomas Sigmund.