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20.09.19 / »Der dicke Lüderjahn« / Zwischen dem aufgeklärten Friedrich II. und dem tugendhaften Friedrich Wilhelm III. regierte der bigotte Friedrich Wilhelm II.

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-19 vom 20. September 2019

»Der dicke Lüderjahn«
Zwischen dem aufgeklärten Friedrich II. und dem tugendhaften Friedrich Wilhelm III. regierte der bigotte Friedrich Wilhelm II.
Wolfgang Kaufmann

Friedrich der Große regierte Preußen 46 Jahre lang und sein Großneffe Friedrich Wilhelm III. noch einmal 43 Jahre. Im Vergleich dazu drohen die elf Jahre, in denen Friedrich Wilhelm II. auf dem Thron saß, stark zu verblassen. Dennoch prägte auch dieser König, der vor nunmehr 275 Jahren, am 25. September 1744, in Berlin geboren wurde, die Geschicke des preußischen Staates auf ganz nachhaltige Weise.

Der Lieblingskandidat des kinderlosen Friedrich II. für seine Nachfolge war weder sein jüngerer Bruder August Wilhelm noch dessen Sohn Friedrich Wilhelm. Allerdings ließ ihm die Staatsräson letztlich keine andere Wahl. Erst verlieh er dem ungeliebten Bruder als vermutetem Nachfolger den Titel Prinz von Preußen und nach dessen frühem Tod im Jahre 1758 dann Friedrich Wilhelm. Auf Betreiben Friedrichs erhielt dieser Neffe ersten Grades bereits ab 1747 eine umfassende Ausbildung und Erziehung, die ihn auf seine spätere Aufgabe vorbereiten sollte. Dazu gehörte auch das Erlernen des Kriegshandwerks. 

So nahm Friedrich Wilhelm 1762 an der erfolgreichen Belagerung der österreichischen Festung Schweidnitz in Schlesien und der für Preußen siegreichen Schlacht von Burkersdorf teil. Dabei erlangte er große Beliebtheit unter den Soldaten, was Friedrich mit einigem Argwohn registrierte. Doch noch war das Verhältnis zwischen König und Prinz vergleichsweise unbelastet.

Das änderte sich, als Friedrich Wilhelm von seinem dominanten Onkel nacheinander zu zwei Ehen genötigt wurde, die er freiwillig niemals eingegangen wäre. Zunächst musste er 1765 Elisabeth Christine Ulrike von Braunschweig-Wolfenbüttel heiraten und dann 1769 – nach der Scheidung von Elisabeth Christine Ulrike – Friederike Luise von Hessen-Darmstadt, die dem Thronfolger 1770 einen Stammhalter, den späteren König Friedrich Wilhelm III., und noch sechs weitere Kinder schenkte. Nebenher vergnügte sich der Prinz von Preußen mit diversen anderen Frauen, was zu acht zusätzlichen Nachkömmlingen führte. Abgesehen von seinen Frauengeschichten entwickelte der Prinz zunehmend einen Hang zu Prunk, Protz und Luxus. Fried­rich der Große prophezeite deshalb für die Zeit nach seinem eigenen Tod: „Es wird ein lustiges Leben bei Hofe sein. Mein Neffe wird den Schatz verschwenden und die Armee ausarten lassen. Die Weiber werden regieren, und der Staat wird zugrunde gehen.“ Deshalb protegierte der Alte Fritz demonstrativ seinen Großneffen, der ihm als der bessere Nachfolger dünkte, und versuchte auf vielerlei Weise, den Prinzen zu demütigen und kaltzustellen.

Trotzdem konnte Friedrich Wilhelm II. nach dem Ableben Fried­richs II. am 17. August 1786 den Thron des Königreiches besteigen. Trotz seiner Laster setzten viele Preußen große Hoffnungen auf den 41-Jährigen hinsichtlich Reformen und einer allgemeinen Verbesserung der Situation im Lande. Bald schon stießen die Entscheidungen des neuen Herrschers und dessen Lebensstil jedoch auf wachsende Kritik. 

Zum einen uferte die Günstlings- und Mätressenwirtschaft nun erst richtig aus, zum anderen atmeten viele Edikte des Königs, wie beispielsweise die über Religion und Zensur aus dem Jahre 1788, eher den repressiven Geist der Zeit vor Friedrich dem Großen. Zum Bruch mit der Toleranzpolitik seines Vorgängers kam das massiv beargwöhnte Interesse von Friedrich Wilhelm II. für Spiritismus, Okkultismus, Astrologie und Geheimbünde.

Abgesehen von dieser Bigotterie stieß auch Friedrich Wilhelms Kurswechsel in der Österreichpolitik auf viel Widerstand. Während Friedrich der Große mit den Schlesischen Kriegen gegen Österreich und dem Aufstieg seines Landes zur zweiten deutschen Großmacht neben Habsburg den deutschen Dualismus begründet hatte, suchte Friedrich Wilhelm II. eher in der Tradition seines Großvaters Friedrich Wilhelm I. die Annäherung an das Habsburgerreich. Dieser Schwenk führte im Juli 1790 zur Reichenbacher Konvention, die einen drohenden Krieg zwischen den beiden Mächten verhinderte. Kurz darauf bewirkten die Vorgänge im revolutionären Frankreich einen noch engeren Schulterschluss zwischen Wien und Berlin. Dieser gipfelte 1792 im gemeinsamen militärischen Vorgehen gegen Frankreich während des Ersten Koalitionskrieges.

Aus dem stieg Friedrich Wilhelm II. 1795 mit dem Separatfrieden von Basel vorzeitig aus – ei­nerseits, weil Preußen seit 1794 vor dem Staatsbankrott stand, andererseits, weil er sich von einer militärischen Präsenz im Osten eher territoriale Zugewinne versprach. Zu denen kam es dann tatsächlich. Bei der zweiten und der dritten polnischen Teilung von 1793 und 1795 bekam Preußen Danzig, Thorn, Großpolen und Teile Masowiens, das spätere Südpreußen, sowie die Gebiete zwischen Bug und Memel mit Warschau, das spätere Neuostpreußen, sowie nordwestlich von Krakau das spätere Neuschlesien zugesprochen. Da 1791 zudem auch noch die Fürstentümer Ansbach und Bayreuth hinzugekommen waren, vergrößerte sich das Territorium Friedrich Wilhelms II. in seiner Regierungszeit um über ein Drittel und die Zahl seiner Untertanen stieg von 5,4 auf 8,7 Millionen.

Dennoch hinterließ er seinem Sohn große Probleme, als er bereits eine Woche, bevor er während eines Krampfanfalles im Schreibkabinett des Potsdamer Marmorpalais am 16. November 1797 starb, diesem aufgrund seiner fortschreitenden Atemnot und Bewegungsunfähigkeit infolge von Brustwassersucht sämtliche Regierungsgeschäfte übertrug. 

Der von Friedrich dem Großen angehäufte Staatsschatz in Höhe von 54 Millionen Talern hatte sich binnen elf Jahren in eine Staatsschuld in gleicher Höhe verwandelt. Dafür waren neben den militärischen Unternehmungen vor allem auch das verschwenderische Lotterleben des Königs sowie seiner Gespielinnen und Höflinge verantwortlich. So berichtete der Bildhauer Johann Gottfried Schadow: „Alles besoff sich in Champagner, fraß die größten Leckereien, frönte allen Lüsten. Ganz Potsdam war ein Bordell.“ Nicht umsonst wurde Friedrich Wilhelm II. im Volke „Der dicke Lüderjahn“, also Taugenichts, genannt. 

Zu den positiven Posten seiner Regierungszeit gehören neben der deutlichen Vergrößerung Preußens die Inkraftsetzung des Allgemeinen Landrechts und eine bemerkenswerte kulturelle Blüte. Unter der Ägide des Königs entstanden diverse repräsentative Bauten wie das Brandenburger Tor, und die deutsche Kunst und Kultur wurden intensiv gefördert – getreu dem Motto, das Friedrich Wilhelm II. 1786 bei der Eröffnung des Nationaltheaters am Gendarmenmarkt verkündet hatte: „Wir sind Teutsche und wollen es bleiben.“