28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.09.19 / Ein unbequemer ostpreußischer Theologe / Käthe Kollwitz’ Großvater: der Königsberger Pfarrer Julius Rupp, der sich mit der staatlichen Kirchenpolitik anlegte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-19 vom 20. September 2019

Ein unbequemer ostpreußischer Theologe
Käthe Kollwitz’ Großvater: der Königsberger Pfarrer Julius Rupp, der sich mit der staatlichen Kirchenpolitik anlegte
Gerd Brausch/tws

Vor dem Haus Pauperplatz 5, hinter dem Dom in Königsberg, steht ein Gedenkstein mit dem Porträt des Pfarrers Julius Rupp: Die Freie Evangelische Gemeinde hatte das Denkmal 1909 zur Hundertjahrfeier seiner Geburt setzen lassen. Das bronzene Relief stammte von der Hand seiner Enkelin Käthe Kollwitz, blieb nach dem Zweiten Weltkrieg verschollen und wurde 1991 vom Berliner Bildhauer Harald Haacke nachgebildet.

Julius Rupp wurde am 13. August 1809 als Sohn des Kalkulators Daniel Friedrich Rupp und seiner Ehefrau Juliane Karoline Wolff zu Königsberg (Pr.) geboren. Er besuchte das Altstädtische Gymnasium, studierte anschließend, noch nicht 18 Jahre alt, an der Albertina Theologie, aber auch Philosophie, Geschichte, Kunst- und Literaturgeschichte; besonders beeindruckt wurde er von dem Philosophen und Pädagogen Johann Friedrich Herbart, der seit 1809 Kants Lehrstuhl besetzte und das Pädagogische Seminar an der Universität begründet hatte. Kants Werk über „Die Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft“ übte einen bescheidenen Einfluss auf Rupp aus. Nach dem Examen besuchte er das Wittenberger Predigerseminar, an dem Richard Rothe lehrte.

In die Heimat zurückgekehrt, wurde Rupp Lehrer in den Fächern Deutsch, Religion und Geschichte an verschiedenen Königsberger Schulen. Nach der Promotion habilitierte er sich mit einer Arbeit über Spinozas Philosophie und wurde Privatdozent an der Philosophischen Fakultät der Albertina; um aktuelle Themen bemüht, las er Philosophie, Pädagogik, Geschichte und Literaturgeschichte. 

1835 heiratete er Mathilde Schiller, aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor (die älteste Tochter Katharina heiratete Carl Schmidt, dieser Ehe entstammte die Enkelin Käthe). 1842 wurde Rupp Divisionspfarrer; seine Predigten an der Königsberger Schlosskirche hatten einen großen Zulauf und wurden auch gedruckt. Zum Geburtstag Friedrich Wilhelm IV., am 18. Oktober 1842, hielt Rupp eine Festrede in der Deutschen Gesellschaft über den „Christlichen Staat“, der den Völkerfrieden befestige, die Nationen lehre, sich selbst Gesetze zu geben, der keine Herren und Knechte wolle, sondern brüderliche Gleichheit. 

Die Rede fand viel Zustimmung, es gab auch eine Besprechung durch Karl Rosenkranz, der 1833 Herbart auf Kants Lehrstuhl gefolgt war. Vonseiten des Konsistoriums unter dem Generalsuperintendenten Ernst Wilhelm Christian Sartorius wurde diese Rede als ein Angriff auf die staatliche Kirchenpolitik verstanden. Kultusminister Eichhorn ließ Rupp an die Pflichten seines Amtes erinnern. 

Zur gleichen Zeit wurde Rupp vom Magistrat der Stadt Königsberg zum Direktor des Kneiphöfischen Gymnasiums gewählt; das Ministerium versagte jedoch der Wahl die Bestätigung. Mit seiner Streitschrift „Der Symbolzwang und die protestantische Lehr- und Gewissensfreiheit“ verschärfte er seine Position gegenüber dem Konsistorium. Am 18. Januar 1844 hielt Rupp eine Festrede vor der Deutschen Gesellschaft über „Theodor von Hippel und seine Lehre über den Christlichen Staat“, worauf eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet wurde. Das Konsistorium erteilte einen Verweis „wegen Nichtbeachtung der früheren Mahnung“. Die Bewegung der „Lichtfreunde“ trat zu dieser Zeit in Königsberg auf; am 9. April 1844 wurde ein Zweigverein der protestantischen Freunde gegründet.

Rupp gehörte zum Vorstand des Vereins, der jedoch am 26. August 1844 bereits geschlossen wurde, was Rupp als einen Akt der Gewalt betrachtete. In seiner Predigt vom 29. Dezember 1844 sprach er über Galater 4, 1–7 zum Thema: „Der christliche Glaube ist der Glaube der Mündigen“ und erklärte, Christ zu sein und die Seligkeit von einer Glaubenssatzung abhängig zu machen, sei miteinander unvergleichbar. Es brachte ihm ein Verfahren ein.

Das Konsistorium enthob am 17. September 1845 Rupp seines Amts als Divisionspfarrer wegen wiederholter Verletzung seiner Pflichten (das Urteil wurde mit drei gegen zwei gesprochen). Während der Verhandlungen war Rupp vom Burgkirchenkollegium aufgefordert worden, sich um die Hofprediger-Adjunkten-Stelle zu bewerben, war auch gewählt worden, vom Konsistorium wurde die Wahl jedoch nicht bestätigt. 

Inzwischen war es in Königsberg zur Gründung einer Freien Evangelischen Gemeinde gekommen, die wählte Rupp im Januar 1846 zu ihrem Prediger. In der Zeit der Reaktion verlor Rupp seine Dozentur (1851) und damit seine letzte Tätigkeit außerhalb der Gemeinde, denn den Religionsunterricht an der Schule hatte er nach seiner Entlassung aus dem Amt freiwillig aufgegeben. Die Freie Gemeinde wurde polizeilich überwacht, schließlich geschlossen, sie habe kein Bekenntnis, sei daher keine religiöse Gemeinde, sondern habe einen politischen Charakter; Rupp wurde mehrfach mit Strafen belegt, selbst die Freimaurerloge schloss ihn aus. Nach zwei Jahren gelang Rupp die Neugründung der Gemeinde unter dem Namen „Unsere Religionsgemeinschaft“. Seine Arbeit „Immanuel Kant. Über den Charakter seiner Philosophie und seine Bedeutung für die Gegenwart“ erschien 1857 in Königsberg. 

Erst mit Beginn der Regentschaft des Prinzen Wilhelm von Preußen (1858), die innenpolitisch einen Kurswechsel durch liberale Minister und die offene Verurteilung des herrschenden kirchlichen Systems brachte, konnte die Gemeinde den Namen „Freie evangelisch-katholische Gemeinde“ annehmen und mit anderen freien Gemeinden einen Bund bilden. Während der Zeit des Verfassungskonflikts war Rupp wieder politisch tätig und gab die Wochenschrift „Der Verfassungsfreund“ heraus. Ab 1863 wirkte er nur noch als Prediger in der Freien Gemeinde, bis ihn 1881 zunehmende Blindheit zwang, die Tätigkeit zu beenden. 

Zur Feier des 50. Doktorjubiläums wurde er von der Philosophischen Fakultät der Albertina mit der Erneuerung seines Doktordiploms geehrt. Das Porträtrelief für das Denkmal des Großvaters war die erste plastische Arbeit der Käthe Kollwitz, es trug die Inschrift „Wer nach der Wahrheit, die er bekennt, nicht lebt, ist der gefährlichste Feind der Wahrheit selbst“ und auf Rupps Grabstein stand „Der Mensch ist nicht dazu da, glück­lich zu sein, sondern dass er seine Pflicht erfülle“. Das waren auch Leitworte des Theologen und Philosophen, des Politikers und Journalisten Julius Rupp, der am 11. Juli 1884 in Königsberg starb.