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27.09.19 / Neuauflage von Schwarz-Blau? / Am Sonntag wählen die Österreicher ein neues Parlament – Eine erstarkte FPÖ umwirbt Kurz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-19 vom 27. September 2019

Neuauflage von Schwarz-Blau?
Am Sonntag wählen die Österreicher ein neues Parlament – Eine erstarkte FPÖ umwirbt Kurz
Peter Entinger

Ex-Kanzler Sebastian Kurz erhofft sich von der Parlamentswahl eine Rückkehr ins Kanzleramt. Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) schielt bereits wieder über die 20-Prozent-Marke. 

Im Zuge der sogenannten Ibiza-Affäre zerbrach im Mai die Koalition aus der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der FPÖ, der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wurde durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Auslöser für die Regierungskrise war ein 2017 heimlich aufgenommenes Video, auf dem der damalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einer vermeintlichen reichen Russin Staatsaufträge in Aussicht stellt, wenn sie mit ihrem Geld der FPÖ an die Macht verhilft. Kurz löste die Koalition auf und wurde kurz danach durch ein Misstrauensvotum aus dem Kanzleramt gewählt.

Während zahlreiche Medien damals von einer „Niederlage des Rechtspopulismus“ schrieben und der FPÖ eine „Halbierung“ vorhersagten, haben sich die Gemüter wieder beruhigt. Selbst eine Neuauflage einer schwarz-blauen Koalition scheint nicht ausgeschlossen. In Umfragen stehen die Freiheitlichen bei etwa 20 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Wahl 2017 erhielten sie 26 Prozent. An Kurz’ ÖVP werden sie nicht herankommen, aber dass sie an der SPÖ vorbeiziehen, scheint nicht ausgeschlossen. 

Seit Kurz’ Sturz regiert eine Übergangsregierung aus hohen Beamten. In den Umfragen liegt Kurz’ ÖVP mit 31 bis 36 Prozent weit in Führung, ist die Sozialdemokratie mit 20 bis 23 Prozent abgeschlagen, liegt die FPÖ erstaunlich stabil bei 19 bis 21 Prozent, schaffen die Grünen mit zehn bis 13 Prozent fest den Wiedereinzug und können die liberalen NEOS – Das Neue Österreich und Liberales Forum – auf bis zu zehn Prozent kommen. 

Der Wahlkampf stand bis zuletzt im Schatten der Ibiza-Affäre. Kurz, der nach dem Ende der Koalition noch „bis zu 40 Prozent“ als Ziel ausgegeben hatte, musste ebenfalls Federn lassen. So wurde bekannt, dass unmittelbar vor dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen ihn ein Regierungsbeamter fünf Drucker-Festplatten hatte zerstören lassen. Er hat die Daten von einer Spezialfirma vernichten lassen – allerdings unter Angabe eines falschen Namens. Kurz begründete dies damit, die Zerstörung habe bei einer externen Firma erfolgen sollen, damit nicht der Eindruck entstehe, die Regierung rechne mit ihrer Abwahl. Dieses Vorgehen wurde als „Schredder-Affäre“ bekannt.

Politik ist ein schnelllebiges Geschäft, auch in Österreich. Der einstige FPÖ-Chef und -Hoffnungsträger Heinz-Christian Strache spielte im Wahlkampf kaum eine Rolle, auch wenn er hinter den Kulissen an einem 

Comeback arbeitet. Nahezu einstimmig votierten die FPÖ-Delegierten zwei Wochen vor der Wahl für ihren ehemaligen Bundespräsidentenkandidaten Norbert Hofer, der die Partei nach der Ibiza-Affäre und dem Rück-tritt ihres langjährigen Vorsitzenden Strache bereits kommissarisch geführt hatte.

Nach seiner Wahl zum FPÖ-Chef ging Hofer nur sehr kurz auf seinen Vorgänger ein, der nicht auf dem Parteitag in Graz anwesend war. Strache habe beim Wiederaufbau der FPÖ seit 2005 „Unglaubliches geleistet“. Die FPÖ sei in der Vergangenheit auf dem Weg, zur stärksten Partei Österreichs zu werden, jedoch mehrmals an sich selbst gescheitert – „jetzt wieder«, so Hofer mit Blick auf das Ibiza-Video.

Gemeinsam mit dem ehemaligen Innenminister Herbert Kickl hat Hofer einen engagierten Wahlkampf geführt und war bis zum Ende bemüht, die Partei über die 20-Prozent-Marke zu führen. Bei den vergangenen Nationalratswahlen im Herbst 2017 kam die FPÖ auf knapp 27 Prozent, kurz vor Bekanntwerden lag sie bei 23 Punkten. 

Hofer hatte europaweit für Aufsehen gesorgt, als er im Jahr 2016 bei der Wahl zum Bundespräsidenten nur hauchdünn gegen den Grünen Alexander Van der Bellen unterlegen war. Im Gegensatz zum begnadeten Populisten Strache und dem Basis-Liebling Herbert Kickl, mit dem er einen engagierten Wahlkampf geführt hat und bis zum Ende bemüht war, die Partei über die 20-Prozent-Marke zu führen, gilt er als moderat und auch Wählern der Mitte vermittelbar. Schon sein Auftreten während des Parteitags machte deutlich, dass er die Partei straff und kompromisslos führen wird. So ließ er sich als neuer Vorsitzender von den Delegierten mehr Machtbefugnisse erteilen, um Parteimitglieder ausschließen zu können. „Wir müssen auch dort die notwendigen Maßnahmen setzen, wo wir erkennen müssen, dass jemand aus unserer Gesinnungsgemeinschaft etwas tut, was uns massiv schadet. Auch dort müssen wir rasch und entschlossen reagieren.“

Beobachter werten dies als Zugeständnis an Ex-Kanzler Kurz, der von seinem ehemaligen Koalitionspartner eine eindeutige Abgrenzung von Rechtsextremisten gefordert hatte. Ganz im Sinne einer Neuauflage von Schwarz-Blau ist auch, dass der Parteitag einstimmig Hofers Leitantrag beschloss, der sich für eine „vollständige Umsetzung des mit der ÖVP 2017 ausgearbeiteten Regierungsprogramms“ ausspricht. 

Möglicherweise steht und fällt eine Neuauflage der schwarz-blauen Koalition mit einem Verbot der Identitären Bewegung. Die ÖVP möchte das Vereinsrecht dahingehend ändern, dass Verbote derartiger Organisationen schneller durchgeführt werden können. Die neue Regelung sei für die ÖVP eine „absolute Koalitionsbedingung“, erklärte Kurz. Dem ehemaligen und möglicherweise auch zukünftigen Kanzler haben sich sowohl die Grünen, die 2017 mit 3,8 Prozent an der Vier-Prozent-Sperrklausel scheiterten, als auch die Sozialdemokraten als Alternative zu den Freiheitlichen angeboten.