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27.09.19 / Schwebende Schachtel / Mangel an Spektakulärem – Das neue Bauhaus-Museum von Dessau versteckt sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-19 vom 27. September 2019

Schwebende Schachtel
Mangel an Spektakulärem – Das neue Bauhaus-Museum von Dessau versteckt sich
Veit-Mario Thiede

Dessau rühmt sich, die zweitgrößte Bauhaus-Sammlung der Welt zu besitzen. Doch die war über Jahrzehnte mangels Ausstellungsfläche so gut wie unsichtbar. In dem am Rande des Stadtparks neu errichteten Bauhaus Museum ist sie nun ausgebreitet.

Die Stiftung Bauhaus Dessau kündigte ein spektakuläres Museumgebäude an: Eine durchsichtige Glashülle, in der als Gehäuse für die Sammlungspräsentation ein „Black Box“ genannter Betonriegel „schwebt“. Die Verwirklichung des 105 Meter langen, 25 Meter breiten und zwölf Meter hohen Museums ist weit schlichter ausgefallen. Es versteckt sich geradezu. Statt sich selbst zur Schau zu stellen, macht es auf die zumeist wenig ansehnliche umliegende Architektur und den Park aufmerksam. Die spiegeln sich nämlich in seiner Dreifachverglasung.

Das Erdgeschoss bietet reichlich Platz für wechselnde Aktivitäten. In ihm sollen zwischen den beiden 50 Meter voneinander entfernten Treppenhäusern aus Sichtbeton viele Sonderausstellungen, Aufführungen und Empfänge stattfinden. Treppab geht es zu den Toiletten. Man könnte meinen, dass die Bauhaus-Stiftung im neuen Museum mit nur wenigen Gästen rechnet, denn in den Damen- und Herren-Toiletten gibt es jeweils nur vier Plätze. 

Etwa fünf Meter über den Köpfen der im Erdgeschoss stehenden Besucher erstreckt sich die „Black Box“. Da sie bis fast an die Glashülle des Gebäudes reicht, will sich der Eindruck des Schwebens nicht einstellen. Eher scheint sie schwer über den Besuchern zu lasten. 

Als Auflager des schwarzen Betongehäuses dienen die Treppenhäuser. Die Ausführung und Ausstattung des vom jungen Barcelonaer Team „addenda architects“ entworfenen Museums ist so schlicht und sparsam wie möglich. Roberto González, der Sprecher des Architektenteams, er­klärt: „Es gibt keine Extras, es gibt keine Kosmetik.“ Das ist die Konsequenz der finanziellen Rahmenbedingungen, an die sich die Architekten hielten. Der Bund und das Land Sachsen-Anhalt stellten 28 Millionen Euro für den Museumsbau zur Verfügung.

In der vom Tageslicht abgeschotteten „Black Box“ herrschen ideale konservatorische Bedingungen für die Exponate. Die dunkelgrauen Betonwände um­schließen 1500 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Zu sehen sind 1200 der rund 49000 Stücke umfassenden Sammlung. Im Südraum steht unter dem Titel „Probierplatz Bauhaus“ die Ge­schichte der berühmtesten Schule für Produktgestaltung, neuartiges Bauen und Avantgardekunst im Blickpunkt. Das vor 100 Jahren in Weimar eröffnete Bauhaus zog 1925 nach Dessau um. 

Das zunächst von Walter Gropius, dann von Hannes Meyer und schließlich von Ludwig Mies van der Rohe geleitete Institut war umstritten. Die NSDAP beantragte im Stadtrat die Auflösung des Bauhauses zum 1. Oktober 1932 – und hatte Erfolg. Es ließ sich daraufhin in Berlin nieder, wo der Meisterrat 1933 das Ende der Einrichtung beschloss. Einige Exponate des Südraums sorgen für magische Momente und verklären das Bauhaus zum Ort wundersamer Entdeckungen. 

Auf die Frage „Kann Licht ge­stalten?“ antwortet die Rekonstruktion des von László Moholy-Nagy entworfenen motorisierten „Licht-Raum-Modulators“ mit wechselndem Farblicht- und Schattenspiel. Und die Frage „Kann man auf einer Luftsäule sitzen?“ bejaht Marcel Breuers hinterbeinloser Stahlrohrsessel.

Die im Nordraum ausgebreiteten Dokumente und Objekte geben über die Sammlungsgeschichte Auskunft. Ihr Aufbau begann 1976 anlässlich des 

50-jährigen Bestehens des von Walter Gropius entworfenen Schulgebäudes, das heute ebenso wie seine Meisterhäuser und Hannes Meyers dem sozialen Wohnungsbau angehörende Laubenganghäuser auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes steht. Auf erste Sammlungsankäufe aus dem staatlichen Kunsthandel der DDR folgten Erwerbungen und Schenkungen aus dem Besitz oder Nachlass ehemaliger Bauhäusler. 

Schülerarbeiten bilden den Schwerpunkt: Zeichnungen, Übungen, Studien, Kompositionen und Mitschriften aus dem Unterricht. Dazu erklärt Sammlungsleiter Wolfgang Thöner: „Die Vielfalt und Fülle des in der heutigen Sammlung Vorfindlichen kompensieren den noch immer vorhandenen Mangel an Spektakulärem.“ Er meint damit, dass Kunstwerke Mangelware sind und  Gemälde der Bauhaus-Meister Feininger, Kandinsky, Klee und Schlemmer für die Dessauer wohl unerreichbar bleiben werden.

Der Mittelraum stellt die Schule als Experimentierfeld und Fabrik vor. Eine ansprechende Idee ist die Präsentation von acht Lehrer-Schüler-Paaren. So war Moholy-Nagy mit seinen Licht- und 

Materialexperimenten wichtiger Ideengeber für Marianne Brandt, die wegweisende Leuchten für die Serienproduktion gestaltete.

Von den geometrischen Formen der Malerei Kandinskys ließ sich die Weberin Grete Reichardt zu abstrakten Textilkompositionen anregen. Der Bauhausdirektor Hannes Meyer und sein Schüler wie späterer Mitarbeiter Konrad Püschel waren sich darin einig, dass Architektur und Produktgestaltung dem „Volksbedarf“ dienen sollen. Püschel war überdies in der DDR maßgeblich für die Rückbesinnung auf das Bauhaus verantwortlich. Vor allem ging es ihm dabei um die Würdigung des Wirkens von Hannes Meyer. 

Nicht recht gelungen ist hingegen der Ausstellungsbereich „Fabrik“. Den Raum durchschneidet grell orangefarben eine Art Lagerregal. „Vorlaut“ übertönt die Farbgebung die optischen Reize der im Regal präsentierten Bauhaus-Produkte. Die von der Teetasse über Möbel bis zu Architekturmodellen reichenden Stücke belegen den Anspruch des Bauhauses, die Lebenswelt der modernen Gesellschaft mitzugestalten.


Bauhaus Museum Dessau, Mies-van-der Rohe-Platz 1, geöffnet bis 31. Oktober täglich 9 bis 18 Uhr, ab 1. November täglich 10 bis 17 Uhr. Eintritt Museumsausstellung: 8,50 Euro, Eintritt Museum und alle Bauhausbauten 15 Euro. Der Katalog der Sammlung ist im Kerber Verlag erschienen. Internet: www.bauhaus-dessau.de