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27.09.19 / Ein Kampf ohne Gewalt für die Freiheit / Mahatma Gandhis starker Wille vertrieb die britischen Kolonialherren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-19 vom 27. September 2019

Ein Kampf ohne Gewalt für die Freiheit
Mahatma Gandhis starker Wille vertrieb die britischen Kolonialherren
Klaus J. Groth

Er war Revolutionär und Pazifist: Mahatma Gandhi erreichte mit friedlichen Mitteln die Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien. Der Nationalheld der Inder wurde vor 150 Jahren, am 2. Ok­tober 1869, in Porbandar im heutigen Bundesstaat Gujarat geboren. 

Die Kolonialherren schäumten vor Wut. Wieder erschienen in den Zeitungen die verhassten Fotos eines ausgemergelten Mannes, eingehüllt in ein weißes Baumwolltuch im Krankenbett. Geschwächt vom Hungerstreik, aber mit einem sanften Lächeln im Gesicht, gab er Vertretern der internationalen Presse Interviews. 17 Mal setzte Gandhi diese Waffe ein, gegen die seine Widersacher machtlos waren. 

Mohandar Karamchand Gandhi, genannt Mahatma (Große Seele), gehörte der oberen Hindu-Kaste an. Seinen gewaltlosen Kampf gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung begann er als junger Anwalt in Südafrika. Er sollte in Pretoria einen indischen Geschäftsmann vertreten. Indische Einwanderer hatten als Nicht-Weiße unter der Apartheid einen schweren Stand. Zum ersten Mal erlebte Gandhi Diskriminierung am eigenen Leib. In seiner Autobiografie berichtet er über eine Bahnfahrt, die sein Leben veränderte. 

„Ein Platz in einem Wagen der ersten Klasse war für mich bestellt worden. Ein Reisender … sah, dass ich ein ‚Farbiger‘ war – also schoss er hinaus und kam gleich darauf mit einem oder zwei Beamten zurück … ,Kommen Sie mit, Sie müssen ins Gepäckwagenabteil!‘ ,Aber ich hab eine Fahrkarte erster Klasse‘, erwiderte ich ... ,Sie müssen hier raus, oder ich muss einen Schutzmann rufen, damit er Sie rauswirft.‘ Der Schutzmann kam. Er nahm mich beim Arm und stieß mich hinaus.“

Gandhi blieb 21 Jahre in Südafrika. Er organisierte erfolgreich Proteste und Streiks gegen die ungleiche Behandlung bei Wahlen und die höhere Besteuerung seiner Landsleute. 

1914 kehrte er nach Indien zurück. Er legte seinen westlichen Anzug ab, den Anzug des britischen Sahibs mit Weste, und trug nur noch das weiße Baumwolltuch der Armen. Die Forderungen an sich selbst und seine Anhänger waren radikal. Sie mussten bereit sein, „auf der nackten Erde zu schlafen, grobe Kleider zu tragen, von anspruchsloser Nahrung zu leben und das Klo selber zu säubern“. 

Gandhi gehörte den Jai an, die sich zu „Ahimsa“ bekennen, zur absoluten Gewaltlosigkeit. Er war entschlossen, mit friedlichem Widerstand und zivilem Ungehorsam die britische Kolonialmacht aus dem Subkontinent zu vertreiben. Gandhi machte die Forderung nach Abzug der Engländer zu der einer Massenbewegung. Er wusste, dass er die Kolonialherren nicht mit moralischen Appellen erreichen konnte. Sein Aufruf zum Boykott britischer Waren war ein Handelskrieg. Millionen Inder warfen ihre westliche Kleidung ins Feuer, manche zogen sich nackt aus. Überall brannten die Stoffe aus britischen Webereien. Gandhis Anhänger trugen den Khadi aus handgesponnener Baumwolle als stummen Protest. Gandhi organisierte seine Kampagnen von seinem Aschram aus, seiner Einsiedelei. Er lebte dort als Asket, ernährte sich vegetarisch und verzichtete auf alle importierten Erzeugnisse. Symbol war das Spinnrad in seiner Zelle, auf dem seine Frau Kasturba Wolle spann. Kasturba, die er als Dreizehnjähriger heiratete, setzte seine Arbeit fort, wenn ihn die Briten wieder und wieder ins Gefängnis warfen. Insgesamt verbrachte Gandhi acht Jahre hinter Gittern.

Seine spektakulärste Kampagne war der Salzmarsch. Die Salzsteuer war ein weiteres Instrument der Briten, Profit aus ihrer Kolonie zu ziehen. Kein Inder durfte Salz produzieren, dieses Recht behielten sich die Engländer vor. Im März 1930 begann Gandhi den 200 Meilen weiten Weg von Ahmedabad nach Dandi zum Arabischen Meer. Die Wochenschauen zeigten den zierlichen Mann an der Spitze seiner immer größer werdenden Anhängerschar. Menschenmassen schlossen sich unterwegs der Satyagraha (Festhalten an der Wahrheit) an. Nach seiner Ankunft am Meer hob Gandhi eine Handvoll Salzkristalle auf. Tausende Inder wateten mit Pfannen an den Strand, um Salz zu gewinnen.

Die Kolonialverwaltung reagierte mit Härte. Gandhi und schätzungsweise 60000 Menschen wurden verhaftet. Die weltweite Empörung brachte die Briten zum Einlenken. Die Gefangenen wurden freigelassen, und Gandhi erreichte einen Kompromiss. Die Inder durften künftig Salz für den Eigenbedarf produzieren. 

1931 reiste er zu Verhandlungen über die Unabhängigkeit seines Landes nach London. In seinem Khadi, die bloßen Füße in Sandalen, stand er, eine Lichtgestalt, zwischen den britischen Politikern in ihren schwarzen Anzügen und mit Bowlern auf den Köpfen. Es dauerte noch 16 Jahre, bis Indien am 15. August 1947 die Freiheit erlangte. Der Subkontinent wurde geteilt, in die vorwiegend von Moslems bewohnte Islamische Republik Pakistan und die Republik Indien der Hindus. Ein halbes Jahr später, am 30. Januar 1948, wurde Gandhi von einem fanatischen Hindu in Delhi erschossen. 

Gandhi wurde fünfmal zum Friedensnobelpreis vorgeschlagen, das letzte Mal im Jahr seiner Ermordung. Vermutet wird, dass sich das Nobelpreiskomitee aus Rücksicht auf Großbritannien immer für einen anderen entschied. Der Hollywoodfilm „Gandhi“, verklärte den Pazifisten und Freiheitskämpfer 1982 zum Heiligen. Arundhati Roy, Autorin des Bestsellers „Der Gott der kleinen Dinge“, sieht auch seine Schattenseiten. Sie kritisiert, dass Gandhi sich zwar für die Gleichberechtigung der Unberührbaren einsetzte, aber das Kastensystem als „göttliche Ordnung“ erhalten wollte.