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27.09.19 / Models mit Pickeln / Zur Gurkenzeit in den Spreewald – Der Mark-Brandenburger Wanderer Theodor Fontane gibt die Richtung vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-19 vom 27. September 2019

Models mit Pickeln
Zur Gurkenzeit in den Spreewald – Der Mark-Brandenburger Wanderer Theodor Fontane gibt die Richtung vor
Veit-Mario Thiede

Der Spreewald ist ein Idyll, das sich im Herbst von seiner goldigen Seite zeigt. Im Fontane-Jahr steht hier alles im Zeichen des großen Schriftstellers.

Anno 1859 kam der Weg von Berlin in den Spreewald einer kleinen Weltreise gleich. Der wohl erste Reiseschriftsteller, der diese damals als exotisch empfundenen Gefilde erkundete, war Theodor Fontane. Er fuhr in Begleitung dreier Freunde am 6. August 1859 mit der Nachtpostkutsche aus Berlin ab. Nach neuneinhalb Stunden Fahrt traf die Reisegesellschaft zum Pferdewechsel in der Garnisonsstadt Lübben ein. Heute braucht man mit dem Regionalexpress vom Berliner Hauptbahnhof bis Lübben etwas weniger als eine Stunde. Von Lübben reiste Fontane per Kutsche und Spreewaldgondel weiter nach Lübbenau, Lehde und Burg. Wir folgen seinen Spuren und besuchen die ihm zu Ehren eingerichteten Sonderausstellungen.

Als schönes Kennzeichen Lübbens lobte Fontane die die Straßen säumenden Oleanderbäume. Das erfahren wir in der Sonderschau „Durch die wendische Walachei – Lübben und der Spreewald in der Zeit Fontanes“. Sie läuft bis 3. November im Mu­seum Schloss Lübben. Ihr Thema ist der sich zur Zeit Fontanes entwickelnde Fremdenverkehr, dem der 1866 erfolgte Anschluss ans Ei­senbahnnetz förderlich war. 

Zwei Koffer und obenauf ein Zylinder erwecken den Eindruck, Fontane habe kurz mal einen Teil seiner Reiseausrüstung abgestellt. Sie bilden den Auftakt der mit historischen Bildpostkarten und alten Souvenirs bestückten Schau. Deren Kuratorin Marianne Wenzel spekuliert über die in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ verewigten Reiseberichte: „Möglicherweise kam Fontane die Idee zu diesem Werk, als er während des Pferdewechsels den Lübbener Oleander betrachtete?“

Von Lübben reiste der Journalist und Schriftsteller weiter nach Lübbenau, das er als die „Spreewald-Hauptstadt“ bezeichnete. Denn von hier aus gehen die be­gehrten Spreewaldprodukte in alle Welt. Unter ihnen steht die Gurke obenan, dicht gefolgt von Meerrettich und Leinöl, wie Fontane schrieb. Damals hieß es betulich: „Südfrucht vergeht, saure Gurke besteht.“ Der flotte heutige Werbespruch verkündet: „Unsere Models haben Pickel und kommen aus der Provinz.“ 

Besagte Models trifft man auf der „Gurkenmeile“ an. Hier bieten die Gurkeneinleger der Stadt vielerlei Arten in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen feil. Kostproben warten auf Testesser. 

Die sogenannte Gurkenmeile liegt am Spreewaldhafen. Er ist der ideale Ausgangspunkt für Kahn- und Paddelbootfahrten auf dem aus „Fließen“ und Kanälen bestehenden dichten Wassernetz des Spreewaldes. Das regte Fontane zu einem Kurzgedicht an: „Und daß dem Netze dieser Spreekanäle / Nichts von dem Zauber von Venedig fehle, / Durchfurcht das endlos wirre Flußrevier / In seinem Boot der Spreewalds-Gondolier.“

Wir tun es Fontane gleich und besteigen eine Spreewaldgondel. In geruhsamem Tempo stakt uns der Fährmann vorbei an Erlenwäldchen, Wiesen, Feldern und Blockhäusern. Dazu gibt es Gurkenhappen und frisches Brot mit Meerrettichaufstrich. Fontane machte in Lehde Station, das er als „Lagunenstadt im Taschenformat“ beschrieb: „Man kann nichts Lieblicheres sehn als dieses Lehde, das aus ebenso vielen Inseln besteht als es Häuser hat. Die Spree bildet die große Dorfstraße, darin schmalere Gassen von links und rechts einmünden.“

An der Anlegestelle des Freilandmuseums gehen wir von Bord. Auf dem Museumsgelände stehen vier alte Bauernhöfe, die aus Fontanes Zeit stammen. Über solche Gebäude schrieb Fontane in den „Wanderungen“: „Das Wohnhaus ist jederzeit ein Block­haus mit kleinen Fenstern und einer tüchtigen Schilfdachkappe.“ Dank originaler Einrichtung hallt in den Bauernhöfen des Freilandmuseums das Leben im Spreewald des 19. Jahrhunderts nach. In dem um 1840 erbauten Wohnstallhaus steht ein großes Familienbett, das am Fußende mit Schubladen als Schlafstätten der Kinder ausgerüstet ist. 

Im 1775 erbauten Haus Kittlitz lernen die Besucher die Sagen, Bräuche und Traditionen der Sorben und zugewanderten deutschen Kolonisten kennen. Ausführlich werden die Trachten der Frauen vorgestellt. Fontane be­zeichnete sie als „Spreewaldkostüm“, an dem der von ihm gründlich beschriebene Kopfputz das eigentlich „Spezielle“ sei. Im Schatten der Obstbäume des Bauerngartens ist die Sonderschau „Fontane erlesen“ eingerichtet: Auf roten Tafeln steht sein in den „Wanderungen“ veröffentlichter Reisebericht „In den Spreewald“.

Endstation unserer Kahnfahrt ist der Fährhafen der auf einer großen Lichtung mitten im Spreewald gelegenen „Eiche“. So hieß zu Fontanes Zeit ein „von Frau Schenker in gutem Ansehen er­haltenes Wirtshaus“. Aber das da­malige Blockhaus ist längst nicht mehr da. An seiner Stelle erhebt sich ein aus Ziegelsteinen erbautes modernes „Waldhotel“. 

Das zu Burgs Ortsteil Kauper gehörende Anwesen wirbt für sich mit den zutreffenden Worten: „In absoluter Alleinlage, fernab von Trubel und Hektik.“ Wir machen es wie der Dichter und nehmen unter alten Eichen im Biergarten Platz.

Und was gibt es zu essen? Auch da halten wir es wie Fontane: „Das wäre kein echtes Spreewaldsmahl, wenn nicht ein Hecht auf dem Tische stünde.“ Den passenden Trinkspruch liefert er gleich mit: „Die Leber ist von einem Hecht und nicht von einem Schleie, / Der Fisch will trinken, gebt ihm was, daß er vor Durst nicht schreie.“