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04.10.19 / Freundschaft mit Hindernissen / Seidenstraße im Blick – China und Kasachstan suchen Gemeinsamkeiten trotz ethnischer Spannungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-19 vom 04. Oktober 2019

Freundschaft mit Hindernissen
Seidenstraße im Blick – China und Kasachstan suchen Gemeinsamkeiten trotz ethnischer Spannungen
Markus Matthes

Der erst im Juni 2019 gewählte kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew hat vor Kurzem Peking besucht. Damit kehrte er zurück an den Ort, an dem er 1983/84 Hochchinesisch gelernt und von 1985 bis 1990 an der sowjetischen Botschaft gearbeitet hatte. 

Tokajew und Chinas Präsident Xi Jinping möchten eine strategisch und historisch einzigartige Partnerschaft festigen, deren Grundlagen Nursultan Nasarbajew, der postsowjetische Gründungsvater des modernen Kasachstans und Vorgänger Tokajews, in seiner fast 30-jährigen Herrschaft legte. Nazarbajews Bedeutung erkennt man daran, dass noch vor seinem Ableben die Hauptstadt Astana ihm zu Ehren umbenannt wurde. 

Genau dort verkündete Xi im September 2013 das globale Projekt einer Neuen Seidenstraße (BRI), das sich mit dem im November 2014 verkündeten Nurly-Zhol-Plan zur Stimulierung der kasachischen Wirtschaft durch die Modernisierung des Erziehungs-, Nachrichten- und Transportwesens und der Dienstleistungen ergänzt. Im Herzen Eurasiens gelegen, hat das neuntgrößte Land der Welt keinen Zugang zum Meer, teilt sich jedoch entlang einer 1782,75 Kilometer langen gemeinsamen Grenze mit China 24 Flüsse. über deren Nutzung seit 2010 gemischte Kommissionen beraten. Mit 18,3 Millionen liegt die Gesamteinwohnerzahl allerdings unter der Pekings. Durch das Absacken der Ölpreise betrug das Wirtschaftswachstum 2015 und 2016 lediglich ein Prozent. Dank der zwischen 2016 und 2018 um 6,6 Prozent gestiegenen chinesischen Direktinvestitionen waren es 2017 beachtliche 3,3 Prozent und das bilaterale Handelsvolumen erreichte 11,07 Milliarden US-Dollar: 16 Prozent aller Importe stammten aus China und zwölf Prozent aller Exporte gingen dorthin. 1995 waren es noch ein beziehungsweise 5,5 Prozent. 

Die Volksrepublik ist somit nach Russland zu Kasachstans zweitwichtigstem Markt avanciert. So kauften die Chinesen 2005 für 4,18 Milliarden US-Dollar die ehemals größte sowjetische Ölgesellschaft und investierten danach weitere 700 Millionen US-Dollar in eine Pipeline. Bereits im April 2016 kontrollierte man so bis zu 30 Prozent der gesamten kasachischen Ölförderung. Dank neuer internationaler Transportkorridore, unter anderem bis zum Kaspischen Meer, benötigt Fracht aus den südöstlichen Provinzen Chinas per Zug nur noch 15 Tage nach Europa – dreimal weniger Zeit als per Schiff. Zu den Rückschlägen zählte vergangenes Jahr die Einstellung der Finanzierung der Metro im Regierungssitz Nursultans durch die Chinesische Entwick-lungsbank wegen Zweckentfremdung eines Großteils der bereits gezahlten Summe. Das fast zwei Milliarden US-Dollar teure Projekt soll nun mit eigenen Mitteln phasenweise zu Ende geführt werden.

Heutzutage besuchen mehr als 14000 kasachische Studenten chinesische Universitäten, die gezielt um weitere werben. Gleichzeitig gibt es in Kasachstan sechs Konfuzius-Institute. Aber es besteht durchaus die Furcht vor einer „Invasion” chinesischer Immigranten, die Einheimischen Arbeitsplätze wegnehmen oder sogar Gebietsansprüche stellen könnten. 

Als die Behörden es 2016 versäumten, bei einer später verworfenen Landreform von Anfang an deutlich zu machen, dass Ausländer kein Land in Kasachstan besitzen dürfen, kam es zu heftigen Protesten. Durch das Grenzabkommen mit China 1995 waren nämlich lediglich 43 Prozent der umstrittenen Landfläche bei Kasachstan verblieben. Nur etwas über drei Prozent der Kasachen heißen Investitionen aus China gut und fast die Hälfte der Bevölkerung hat ein negatives Bild von der BRI. Auch die Internierungslager in der überwiegend von Moslems bewohnten ostchinesischen Provinz Xinjiang, in denen einige der ethnischen zirka 1,5 Millionen Kasachen mit chinesischem Pass inhaftiert sein sollen, sind im zu 70 Prozent muslimischen Kasachstan zu einem heiklen innenpolitischen Thema geworden. Doch die dagegen protestierende kasachische Chinesin Sairagul Sauytbay musste mittlerweile Asyl in Schweden beantragen, nachdem man es ihr im Ok-tober 2018 in Kasachstan mit Rücksicht auf China verweigert hatte. Der im Rahmen eines „Rück-kehrerprogrammes“ eingebürgerte Kasache Serikschan Bilasch, der im Frühjahr 2017 die Organisation „Freiwillige des Vaterlandes“ gegründet und zum „Dschihad” gegen Chinesen aufgerufen hatte, gab kürzlich erst nach Androhung von sieben Jahren Haft auf. 

Trotz der markanten Worte der Führungsriegen ist eine echte Freundschaft zwischen beiden Völkern aufgrund der ethnischen Spannungen daher unwahrscheinlich. Als Erbe des Zarentums und der Sowjetunion bleibt Kasachstan Teil der russischsprachigen Sphäre und die Annäherung an das Reich der Mitte eine wirtschaftliche Notwendigkeit.