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04.10.19 / Barocker Sprachpolizist / Dichter und Bewahrer der deutschen Sprache – Philipp v. Zesen zum 400. Geburtstag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-19 vom 04. Oktober 2019

Barocker Sprachpolizist
Dichter und Bewahrer der deutschen Sprache – Philipp v. Zesen zum 400. Geburtstag
Martin Stolzenau

Die Republik habe Staatswesen zu heißen, die Tragödie Trauerspiel. Philipp von Zesen, der vor 400 Jahren geboren wurde, ersann einst diese und andere deutschen Wörter, mit denen er Fremdwörtern den Kampf ansagte.

Nachdem sich bis Anfang des 17. Jahrhunderts in Spanien, Frankreich, England und den Niederlanden eine eigenständige Kultur entwickelt hatte, deren Zeugnisse nachhaltig auf das zersplitterte Deutschland wirkten, gab es auch hier wachsende Be­mühungen zur Ausprägung einer eigenen Nationalkultur und Hochsprache. Die „Fruchtbringende Gesellschaft“, die 1617 in Weimar gegründet wurde und die so etwas wie der erste deutsche Sprachverein war, repräsentierte diese Aktivitäten ungeachtet mancher Übertreibungen im besonderen Maße. 

Mittendrin war ein Pfarrerssohn aus Anhalt, der sich selbst vor allem in der Nachfolge Martin Luthers als „Sprachreiniger“ sah. Das war Philipp von Zesen. Aber der selbsternannte Sprachreformer war als herausragendes Mitglied der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ weit mehr als das. Er vollbrachte während und nach dem Dreißigjährigen Krieg zudem besondere Leistungen als Übersetzer, der vieles aus der niederländischen Literatur ins Deutsche übersetzte, als Lyriker, der die Opitzschen Forderungen weiterentwickelte und darin der Nürnberger Dichtkunst zum Vorbild gedieh, und als Romancier, dem die eigenwilligsten Romane seines Jahrhunderts zu danken sind.

Mehr noch: Zesen hinterließ die „ersten bedeutenden deutschen Romane der Barockliteratur“ und erreichte damit bis in die Gegenwart eine gehörige Nachwirkung. Andererseits erntete er wegen seiner Übertreibungen als Sprachreformer zu Lebzeiten viel Spott und den Ruf einer „unseriösen Gestalt“.

Zesen wurde noch ohne Adelsprädikat am 8. Oktober 1619 in Priorau am westlichen Hochufer des Urstromtales der Mulde zwischen Raguhn und Dessau geboren. Sein Geburtsort wurde 1285 erstmals urkundlich erwähnt, gehörte bis 1815 als Exklave im Fürstentum Anhalt zum kursächsischen Amt Bitterfeld, wurde nach dem Wiener Kongress aber Teil der preußischen Provinz Sachsen. 

Zesens Vater war der Pfarrer von Priorau, versuchte sich ne­benbei als Hobbydichter und orientierte seinen Sprössling schon früh auf eine Theologen- Laufbahn. Die Mutter war eine Tochter von Zesens Amtsvorgänger im Pfarramt. Der Junge er­schloss sich die Muldelandschaft, die er später in seinen Dichtungen verarbeitete. Dann schickten ihn seine Eltern mit elf Jahren auf die Lateinschule in Halle/Saale. Hier kam er in die Obhut von Christian Gueintz, dem Rektor, der als Vorkämpfer für die Reinheit der deutschen Sprache entsprechende Schriften verfasste und auch Zesen prägte. 

Es folgte das Studium in Wittenberg, wo sich der junge Mann allerdings analog zu Gueintz mehr für die Sprachwissenschaften und die Literatur interessierte. Er schloss sich August Buchner an, der als Professor wirkte, als Ästhetiker, Literaturtheoretiker sowie Lyriker deutsche Bekanntheit erlangte und die Lehren des schlesischen Dichters Martin Opitz in ein System brachte. 

1641 erwarb Zesen den Magistergrad. Dazu verfasste er parallel seine Poesielehre „Deutscher Helikon“. Sie erlebte viele Auflagen, sorgte für erste Bekanntheit und gilt bis heute nach dem Werk von Opitz als die „bekannteste Poetik der Barockzeit“. 

Mit diesem Ersterfolg im Gepäck weilte Zesen 1641/42 in Hamburg. Er kam in Kontakt zu Johann Rist und dessen Kreis und war fortan lebenslang auf der Suche nach einer gutbezahlten Anstellung. Vergeblich. Daraus entwickelten sich viele kurzzeitige Aufenthalte, eine Dauerwanderschaft und zeitweilige finanzielle Not, was die allgemeine Meinung von der „brotlosen Kunst“ festigte.

Zesen ging mit Gottfried Hegenitz von Hamburg in die Niederlande, arbeitete als Übersetzer, machte eine Parisreise, die sich im Roman „Die adriatische Rosemund“ von 1645 niederschlug, weilte in Wittenberg sowie Köthen, wo er den Fürsten Ludwig um die Aufnahme in die „Fruchtbringende Gesellschaft“ drängte, und wurde 1648 mit dem Namen des „Wohlsetzenden“ endlich Mitglied. 

Sein Roman „Rosemund“, die „Geschichte einer unglücklichen Liebe“, die an den unterschiedlichen Religionen der Hauptfiguren scheitert, festigte seine Bekanntheit und trug ihm wohl 1652 die Berufung nach Dessau ein, wo er der Fürstin Gedichte widmete und als Gesellschafter des verunglückten Fürsten Johann Casimir fungierte, der dann seine Erhebung in den Adelsstand betrieb. Sie erfolgte 1653 auf dem Reichstag in Regensburg. 

Damit nicht genug genoss Zesen einige Jahre der Anerkennung, wurde kaiserlicher Hof- und Pfalzgraf, erhielt das Bürgerrecht von Amsterdam, wo er immer wieder lebte, und ein Ehrengeschenk der Hansestadt Hamburg. Aber zu einer Festanstellung reichte es nicht. Dafür unternahm er mit den spärlichen Einnahmen Reisen durch Deutschland, nach Frankreich und bis ins Baltikum, wo er in Riga vom schwedischen Statthalter ein Amt erhoffte. Vergeblich.

Letztlich blieb es beim oftmaligen Ortswechsel zwischen Hamburg und Amsterdam. Er verfasste Gedichte, Prosa, literaturtheoretische Abhandlungen, immer wieder Übersetzungen, eine „Be­schreibung von Amsterdam“ und den Roman „Assenat“. Mit „Assenat“ schuf der Dichter eine „Variante des Staatsromans“, der die Geschichte Josephs in Ägypten beinhaltet. Zesen heiratete 1672 in zweiter Ehe eine Stader Bürgerstochter, die dann einen Textilhandel unterhielt, und ließ sich mit ihr dauerhaft für den Rest seiner Zeit in Hamburg nieder. 

Er schien auch zwischendurch den Frauen sehr zugetan gewesen zu sein. Seine erotischen Gedichte und entsprechende Szenen in seinen Romanen lassen in dieser Hinsicht manches erahnen. Im Alter schließlich verewigte er mit viel Nostalgie seinen Geburtsort in „Priorau oder Lob des Vaterlandes“. Darüber starb der Dichter, der sich am Anfang als Sprachreformer in der Nachfolge des Reformators gesehen hatte, am 13. November 1889 in Hamburg. 

Das Pfarrhaus in Priorau als Geburtshaus blieb erhalten und besitzt inzwischen eine Gedenktafel. Dazu gibt es einen Gedenkstein und einen Zesen-Wanderweg, der bis Raguhn führt. Den Linguisten ist Zesen noch heute lieb und teuer. So erscheint seit den 1970er Jahren eine mehrbändige Ausgabe seiner „Sämtlichen Werke“.