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11.10.19 / Der Feind im Steak / Multiresistente Keime durch Tierhaltung werden ein Dauerproblem

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-19 vom 11. Oktober 2019

Der Feind im Steak
Multiresistente Keime durch Tierhaltung werden ein Dauerproblem
Dagmar Jestrzemski

Ein Team internationaler Wissenschaftler beschreibt in einer Studie die Massentierhaltungen in Drittwelt- und Schwellenländern als Zentren der Entstehung von Antibiotikaresistenzen. Die mit Abstand größten Brennpunkte des Vorkommens multiresistenter Erreger befinden sich nach Datenlage der Untersuchung in China und Indien, und sie vergrößern sich ungebremst. Das meldet das Fachmagazin „Science“ in einem vorab veröffentlichten Bericht zu der Studie.

Die Forscher um Thomas P. van Boeckel von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich werteten 901 Studien aus den vergangenen 18 Jahren über den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung aus. Während die Verabreichung von Antibiotika in Ländern mit hohem Einkommen bei stagnierendem Fleischkonsum zurückging, hat der wachsende Fleischkonsum in Asien, Afrika und Lateinamerika zu einer stark erhöhten Fleischproduktion geführt und damit einhergehend zu einer Zunahme der verabreichten Antibiotika um 68, 64 beziehungsweise 40 Prozent. 

Überprüft wurden Gebiete in Nordostindien, Nordostchina und im Delta des Roten Flusses in Vietnam, in Mexiko und Johannesburg. Problemzonen wie in Indien und China zeichnen sich demnach bereits in Kenia, Marokko, Uruguay und im Süden Brasiliens ab. In immer größerem Umfang werden in diesen Ländern routinemäßig Antibiotika zur Gesundheitsvorsorge und zur Wachstumsförderung verfüttert.

Die Studie fand heraus, dass der Prozentsatz von Multiresistenzen bei Schweinen und Geflügel signifikant höher ist als bei Rindern. Als Grund wird die stärker industrialisierte Haltung dieser Tiere auf engstem Raum angeführt. 

73 Prozent der verkauften Antibiotika werden in der Tierproduktion eingesetzt. Bei dem System der industriellen Mast gelangen weltweit bis zu 150000 Tonnen Antibiotika mit der Fütterung in die Tiere und mit der Gülle, dem Fleisch und den Schlachthofabwässern in die Umwelt. 

Der eigentliche Grund für die rasante Zunahme antibiotikaresistenter Keime in der Human- und Veterinärmedizin sei jedoch des Menschen unbändiger Hunger auf Fleisch, erklären die Urheber der Studie. Neue, wirksame Antibiotika gegen Problemkeime werden dringend gebraucht, sind aber aus finanziellen Gründen nicht mehr bis zur Marktreife entwickelt worden. Die Studie warnt vor einer möglichen apokalyptischen Entwicklung. 

Gefährdet sei neben der menschlichen Gesundheit auch die Landwirtschaft und damit die zukünftige Ernährung der Menschheit. Noch sei das Zeitfenster offen, die Resistenzen einzugrenzen. Voraussetzung sei ein Übergang zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und Tierhaltung nicht nur in den stark betroffenen Ländern. Zusammen mit einer Obergrenze für Fleischkonsum könnte der Antibiotikaeinsatz bei Tieren bis 2030 um 80 Prozent reduziert werden,

In Großbritannien wird bereits davor gewarnt, was sich in diesem Zusammenhang für die Zeit nach dem Brexit als wirtschaftliche Auswirkung abzeichnet. Die Regierung könnte den Zolltarif für Importfleisch senken. Infolgedessen würde Fleisch aus Regionen mit niedrigen Tierwohlstandards und unreguliertem Antibiotikagebrauch in das Land gelangen.