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11.10.19 / Die Stadt der Zukunft / Zielvorgaben der Smart City sind effizient, digital, grün und sozial inklusiv

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-19 vom 11. Oktober 2019

Die Stadt der Zukunft
Zielvorgaben der Smart City sind effizient, digital, grün und sozial inklusiv
Friedrich List

Die Vision von der Hochtechnologie-Metropole der Zukunft mit einem digitalen Nervensystem ist nicht besonders neu. Relativ neu ist, dass in vielen Teilen der Welt Politik und Industrie diese Vision für sich zu nutzen wissen. Deren neueste Manifestation ist die Smart City.

Hinter dem Begriff verbirgt sich ein Bündel von Konzepten, das technologische Entwicklungen antreibt und Nachfrage nach Produkten erzeugt. Die Smart City ist leise, sauber und grün, digital vernetzt, verfügt über intelligente Verkehrsleitsysteme, umweltfreundliches Ressourcen- und Energiemanagement. Verkehrsmittel sind überwiegend elektrisch betrieben. Die öffentliche Verwaltung hat dank Digitalisierung immer geöffnet und ermöglicht den Bürgern außerdem vorher ungekannte Mitwirkungsmöglichkeiten. 

Allerdings steckt hinter der Smart City mehr als die Marktstrategien großer IT-Firmen und die Kampagnenbedürfnisse von Politikern aller Couleurs. Um 2050 werden drei Viertel aller Menschen auf der Welt in Städten und urbanen Ballungsräumen leben. Die am schnellsten wachsenden Metropolen liegen weder in Europa noch in Nordamerika, sondern in Asien. Deutschland liegt hier bestenfalls im Mittelfeld. Bis vor Kurzem fehlte eine echte nationale Strategie. Im Juni dieses Jahres gab nun Bundesinnenmi-nister Horst Seehofer die teilnehmenden Städte für die erste Staffel der „Modellprojekte Smart Cities“ bekannt. Unter den ausgewählten Städten waren Ulm, Solingen und Wolfsburg, aber auch Mittelstädte wie Cottbus und Gera. Sogar Kleinstädte und Landgemeinden kamen in die Auswahl.

Auf europäischer Ebene existieren Förderprogramme für Smart Cities, etwa die EU-Initiative für Smart Cities, die sich die stadtweite Reduktion von Treibhausgasen um rund vier Zehntel auf die Fahnen geschrieben hat. In Deutschland arbeiten Städte und Metropolen schon seit Jahren daran, eine Smart City zu werden. Recht weit sind große urbane Zentren wie Hamburg, Köln oder München und das Ruhrgebiet. Aber auch in Mittelstädten wie Göttingen oder Osnabrück gibt es Vernetzungsplattformen und Pilotprojekte. 

Hamburg schloss 2014 ein sogenanntes Memorandum of Understanding (MoU) mit Cisco Systems ab. Kern der Grundsatzvereinbarung war damals die Entwicklung einer ganzen Reihe von Projekten zum intelligenten Verkehr, im Bereich des Hafens, zur Verkehrslenkung und digitale Bürgerdienst-

leistungen. Viele Ziele von 2014 sind mittlerweile realisiert. So verfügt die Stadt über eine intelligente Straßenbeleuchtung, die heller wird, wenn Radfahrer vorbeifahren. Der Hamburger Hafen wird zum „Smart Port“ umgebaut, dessen intelligente Infrastruktur Waren- und Verkehrsströme möglichst optimal leitet. 

In der Bundeshauptstadt verlief der Start in die urbane Zukunft eher schleppend. Zwar verabschiedete der Berliner Senat 2015 eine Smart-City-Strategie, auf die ein Umsetzungsplan folgen sollte. Aber nach der 18. Abgeordnetenhauswahl vom darauffolgenden Jahr trat an die Stelle der rot-schwarzen eine rot-rot-grüne Regierungskoalition, die diesen Plan kippte. Außerdem entzog man der Stadtentwick­lungsverwaltung die Verantwortung. Die liegt nun zwar theoretisch beim Regierenden Bürgermeister, faktisch arbeiten aber drei Ressorts an dem Thema. Dabei bietet Berlin sehr wohl zukunftsweisende Lösungen. Die Stadt ist Leitregion für Elektromobilität und führend beim Carsharing. In Berlin-Adlershof errichtet der japanische Elektronikkonzern Panasonic das Modellquartier Future Living Berlin. Es besteht aus 69 Wohneinheiten, deren Strom- und Wärmefluss sich in einem Kreislaufsystem selbst regulieren soll. 

Allerdings löst die Smart City keine grundlegenderen Probleme. Nicht nur Berlin gibt viel Geld für intelligente Verkehrsleitsysteme aus, wird jedoch dem Wohnungsmangel oder der Obdachlosigkeit nicht Herr. Noch düsterer ist das Bild in US-amerikanischen Metropolen wie Los Angeles oder San Francis-co, die mehrstellige Millionenbeträge für Smart-City-Lösungen ausgeben, in denen aber Normalverdiener kaum noch die Mieten zahlen können und die Obdachlosen in Zeltsiedlungen neben den digital erfassten Schnellstraßen kampieren.