19.04.2024

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11.10.19 / Ein kurzes Nobelpreisglück

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-19 vom 11. Oktober 2019

Ein kurzes Nobelpreisglück
M. Stolzenau/tws

Die Frankfurter Buchmesse erfährt in diesem Jahr ein Novum: Eine Woche vor dem Messestart sind in Stockholm gleich zwei Literaturnobelpreise verkündet worden, einer für das aktuelle Jahr und einer für das Vorjahr. 2018 wurde der Preis ausgesetzt, weil eines der Akademiemitglieder für den Literaturnobelpreis in einen sexuellen Miss­brauchsskandal verwickelt war. 

Bereits im Kriegsjahr 1917 wurde der Literaturnobelpreis doppelt vergeben, allerdings aus anderen Gründen. Interessanterweise profitierte davon auch ein in Deutschland lebender Däne: Karl Gjellerup. Sein Fall zeigt hingegen, dass der Preis zwar viel Ruhm, aber nicht in jedem Fall dauerhafte Bekanntheit garantiert. Während seine zeitgenössischen Nobelpreiskollegen wie Gerhart Hauptmann oder Thomas Mann zu modernen Klassikern wurden, geriet Gjellerup schrittweise in Vergessenheit. Da­bei war er ein halber Deutscher. Er heiratete 1887 eine Dresdnerin, verbrachte seine gesamte zweite Lebenshälfte in Deutschland und verstarb vor 100 Jahren und nur zwei Jahre nach seiner Nobelpreisehrung im heutigen Dresdner Stadtteil Klotzsche.

Gjellerup wurde am 2. Juni 1857 in Roholte, einem kleinen Ort südlich von Kopenhagen, geboren. Nach Abschluss eines Theologiestudiums in Kopenhagen veröffentlichte er unter Pseudonym naturalistische Werke wie „Ein Idealist“, „Der ewige Strid“ und „Antigonos“. Er pflegte Kontakt zu bekannten Kollegen wie Georg Brandes und Jens Peter Jacobsen, ließ weitere Erfolgsprosa unter seinem wahren Namen folgen und ging nach einer Erbschaft auf eine Europareise. 

Germanophil veranlagt er­schloss er sich Deutschland, wobei ihn besonders Dresden begeisterte. Seine umfangreichen Reisenotizen, die heute zum Bestand der Sächsischen Staats-und Universitätsbibliothek gehören, schlugen sich in den folgenden Werken nieder. 1884 gelang ihm mit der lyrischen Tragödie „Brynhild“, die er bei seinem Aufenthalt in Dresden seiner Geliebten widmete, der große literarische Durchbruch. 

Seine Geliebte war Eugenia Heusinger, verheiratete Bendix, die Frau eines bekannten Musikers, die er nach ihrer Scheidung heiratete. Mit ihrer Unterstützung  schrieb er fortan auch in deutscher Sprache. Dabei entstand der weitgehend biografische Roman „Minna“, der seine Liebesgeschichte mit Eugenia zum Inhalt hat. Später wandte er sich dem Buddhismus zu. Unter diesem Einfluss entstanden der Roman „Pilger Kamanita“ und das Drama „Das Weib des Vollendeten“, die den Buddhismus mit dem Motiv der romantischen Liebe verknüpfen, was seinerzeit auf fruchtbaren Boden stieß.

Gjellerup, der während des Ersten Weltkrieges weiter in Dresden verblieb, gehörte damit zu den Nobelpreisaspiranten. Als man 1917 den Preis verteilte, wollte man aber wohl weniger den Autor als die dänische Literatur ehren, denn Gjellerup musste sich die Auszeichnung mit seinem Landsmann und „Hans im Glück“-Autor Henrik Pontoppidan teilen. Wegen der Kriegser­eignisse bekamen beide den Preis erst 1918 überreicht. Vom Preisgeld erwarb Gjellerup in Klotzsche in der Goethestraße 11 die Villa Baldur. Doch die Freude darüber dauerte nur kurz. Gjellerup kränkelte, starb am 11. Ok­tober 1919 in seinem neuen Refugium und fand danach auf dem Alten Friedhof in Klotzsche seine letzte Ruhe.