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11.10.19 / Namensgeber des Marshallplans / Der General, Außen- und Verteidigungsminister sowie Friedensnobelpreisträger des Jahres 1953 starb vor 60 Jahren in Washington

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-19 vom 11. Oktober 2019

Namensgeber des Marshallplans
Der General, Außen- und Verteidigungsminister sowie Friedensnobelpreisträger des Jahres 1953 starb vor 60 Jahren in Washington
Dirk Pelster

In Amerika ist er vor allem als bedeutender General des Zweiten Weltkrieges und als Außenminister der Nachkriegszeit in Erinnerung geblieben, in Deutschland hingegen verbindet man mit dem Namen des am 16. Oktober 1959 gestorbenen George C. Marshall vor allem den nach ihm benannten Wiederaufbauplan für das zerstörte Europa. 

Dem Mann, dem in der Mitte des letzten Jahrhunderts eine zentrale, wenn auch keine besonders prominente Rolle bei der Bestimmung der Geschicke der Welt zufiel, war dieses Schicksal keineswegs in die Wiege gelegt. Geboren wurde er 1880 in eine Mittelschichtsfamilie in Uniontown im Bundesstaat Pennsylvania. Er verlebte dort eine unauffällige Kindheit, über die vergleichsweise wenig bekannt ist. Als nach dem für die USA siegreichen Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 heimkehrende Soldaten durch seine Geburtsstadt paradierten, beschloss der junge Mann, ebenfalls eine militärische Karriere einzuschlagen. Er schrieb sich beim Virginia Military Institute ein und absolvierte dort seine Kadettenausbildung. Nach dem Abschluss trat er im Februar 1902 als Leutnant in die US-Armee ein und diente noch im selben Jahr im Philippinisch-Amerikanischen Krieg, der eine Million Filipinos, einem Fünftel der damaligen Bevölkerung, das Leben kostete. Während des Ersten Weltkrieges gehörte er dem US-Expeditionskorps in Frankreich an, wo er sich bereits den Ruf eines hervorragenden Organisators erwarb. In der Zwischenkriegszeit nahm er verschiedene Funktionen innerhalb der Armee wahr. 1939 wurde er schließlich zum Stabschef des Heeres ernannt. 

Diese Aufgabe sollte er bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ausüben. Von Washington aus koordinierte er die Kriegsaktivitäten seines Landes sowohl im Pazifik als auch in Europa. Großbritanniens Premier Winston Churchill nannte ihn später den wahren Architekten des alliierten Sieges. Obwohl Marshall die Invasion in der Normandie maßgeblich geplant hatte, erhielt er dennoch nicht das Kommando über die bislang größte amphibische Militäroperation der Weltgeschichte. Zugunsten von Dwight D. Eisenhower musste er zurücktreten. Als Grund galt seine Nähe zum damaligen US-Präsidenten, der ihm in besonderem Maße vertraute. Überliefert ist das Bonmot von Franklin D. Roosevelt, er könne nachts nicht schlafen, wenn Marhall nicht in Washington weile. 

Die enge Verbindung, die der Stabschef schon während des Krieges zum Präsidenten und zum Kongress unterhielt, sollten wegweisend für seine spätere politische Karriere sein. Doch mit dem Tod Roosevelts fiel zunächst auch dessen schützende Hand weg. Nach dem Ende des Weltkrieges wurde mit Henry Clausen ein Sonderermittler eingesetzt, der die Versäumnisse aufklären sollte, welche die fatalen Auswirkungen des Angriffes der Japaner auf Pearl Harbor im Dezember 1941 erst ermöglichten. Die Amerikaner hatten den japanischen Nachrichtencode bereits seit Längerem geknackt und waren über die geplante Attacke des fernöstlichen Kaiserreiches auf ihre Pazifikflotte in Hawai gut unterrichtet. Trotzdem wurden die Informationen nicht rechtzeitig genug an die Militärs vor Ort weitergereicht, um noch Abwehrmaßnahmen einzuleiten. Das von Marshall an den in Pearl Harbor verantwortlichen Admiral Husband E. Kimmel adressierte Telegramm mit einer Warnung wurde erst eine Stunde vor dem Angriff in Washington abgeschickt und kam erst neun Stunden nach dessen Beendigung auf Hawai an. Doch der Clausen-Report schob die Schuld für die unzureichende Verteidigung des Flottenstützpunktes überwiegend in Richtung der örtlichen Kommandeure. Marshall, Roosevelt und Pazifik-Oberbefehlshaber Douglas MacArthur wurden weitestgehend von ihrer Verantwortung freigesprochen, was bis heute nicht nur Gegenstand von Kritik, sondern auch von Spekulationen ist, da alle drei – ebenso wie Clausen selbst – Mitglieder des Freimaurerordens waren.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Marshall im Dezember 1945 von Präsident Harry S. Truman nach China entsandt, um die verfeindeten politischen Lager um den Kommunisten Mao Tse-tung einerseits und den Kuomintang-Führer Tschiang Kai-schek andererseits zu versöhnen. Doch die Mission blieb erfolglos. 

Obwohl er selbst keiner der beiden großen Parteien angehörte, wurde Marshall im Januar 1947 aufgrund seiner bisherigen Verdienste zum Außenminister der USA berufen. Ein halbes Jahr später stellte er der Weltöffentlichkeit den nach ihm benannten Marshallplan zum Wiederaufbau Europas vor. Die Idee hierzu stammte nicht von ihm und ursprünglich sollte Präsident Truman zum Namenspaten des Projekts werden, dieser lehnte jedoch ab und ließ dem populären General den Vortritt. Noch heute ranken sich viele Mythen um den Marshallplan. Von bundesdeutschen Politikern wird er gerne als selbstloser Freundschaftsdienst der USA dargestellt, der nun zur dauerhaften Treue gegenüber der westlichen Supermacht verpflichten würde. Tatsächlich handelte es sich um Mittel, die teils als Subvention und teils als rückzahlbares Darlehen vergeben wurden. Vordergründig sollte der Einfluss der Sowjetunion auf Europa eingedämmt werden, in Wirklichkeit ging es aber primär darum, die während des Krieges aufgeblasene US-Industrie vor dem Zusammenbruch zu bewahren, indem man ihr neue Absatzmärkte auf der anderen Seite des Atlantiks verschaffte. Die Zahlungen waren daher auch mit der Auflage verbunden, in einem bestimmten Umfang US-amerikanische Waren dafür zu erwerben. Der innerhalb der vierjährigen Laufzeit auf Deutschland entfallende Teil der Leistungen des Marshallplanes entsprach von seiner Kaufkraft her in etwa der jährlichen Nettozahlung der Bundesrepublik an die EU, freilich ohne dass die Deutschen dafür im gleichen Umfang auf Rück­zahlungen oder gar Dankbarkeit hoffen können. Für das unter seiner Schirmherrschaft ersonnene Programm erhielt Marshall 1953 als bislang einziger Berufssoldat den Friedensnobelpreis.

Da war Marshall schon nicht mehr Minister. Bereits 1949 war er aus gesundheitlichen Gründen aus dem Außenministerium ausgeschieden, jedoch 1950 nach dem Ausbruch des Koreakrieges auf Bitten des Präsidenten als Verteidigungsminister in die Regierung zurückgekehrt. Dieses Amt übte er jedoch nur ein Jahr aus. Im Wesentlichen war diese Zeit überschattet von dem Konflikt zwischen Präsident Truman und dem immer häufiger gegen ihn rebellierenden General MacArthur, der die US-amerikanischen Truppen im Koreakrieg befehligte. Auch auf Anraten von Marshall wurde MacArthur schließlich von seinem Kommando entbunden. 

Nach seinem Rückzug aus der Politik noch im Jahre 1950 trat er nur noch selten öffentlich in Erscheinung. Geschätzt wurde er über alle politische Lager hinweg vor allem für sein schon fast preußisch anmutendes Dienstethos. Senator Richard B. Russel fasste dies in seiner bekannten Einschätzung zusammen, dass die meisten Menschen nur Sklaven ihres eigenen Ehrgeizes seien, General Marshall aber sei ein Sklave seiner Pflichten.