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11.10.19 / Platte Propaganda / Ausstellung in Weimar: Warum der Eisbär in der Weimarer Republik stirbt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-19 vom 11. Oktober 2019

Platte Propaganda
Ausstellung in Weimar: Warum der Eisbär in der Weimarer Republik stirbt
Erik Lommatzsch

Ohne Botschaft scheint es nicht mehr zu gehen. Oder anders: Es entsteht der Eindruck, Vorhaben im historisch-kulturellen Bereich werden vor allem im Hinblick darauf realisiert, dass ihre Präsentation die derzeit politisch gewünschte Linie unterstützt. Und das alles andere als subtil.

Eines der jüngsten Beispiele ist das „Haus der Weimarer Republik“. Es befindet sich mitten in der Stadt Weimar, gegenüber dem Theater, in dem die Nationalversammlung 1919 tagte. Das Gebäude war Wagenremise und beherbergte das provisorische Bauhaus-Museum. Nun ist hier abermals eine Ausstellung zu sehen, eröffnet im Sommer, anlässlich des 100. Jahrestages der Weimarer Verfassung. Bis 2021 wird der Komplex noch erweitert.

Die auf einen großen, jedoch nicht allzu hohen und damit etwas drückenden Raum beschränkte Schau bietet dem in der deutschen Geschichte zwischen 1918 und 1933 nicht ganz unbewanderten Besucher kaum Neues. Neben den politischen Ereignissen liegt das Augenmerk auch auf dem Alltag oder den technischen Innovationen jener Zeit. Gelungen ist die Schau allenfalls mäßig. Die Vielzahl dicht nebeneinander arrangierter, oft kleiner Bilder, Texte und Objekte wirkt ermüdend. Soweit, so konventionell und unspektakulär.

Was aufmerken lässt, ist der Schluss der Ausstellung. Mit dem Stichwort „Weimarer Verhältnisse“ sieht man sich konfrontiert. Das Synonym für politisches Chaos – was im Fall der Weimarer Republik zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten führte – wird auch jetzt wieder gern gebraucht. Damit der Ausstellungsbesucher nicht im Unklaren darüber gelassen wird, wer der große Störenfried – oder möglicherweise noch mehr als das – der Gegenwart ist, werden ihm Zeitungsausrisse präsentiert. 

Etwa aus der „Frankfurter Neuen Presse“: „Manche sehen angesichts der AfD schon ‚Weimarer Verhältnisse‘ heraufziehen“ (3. Januar 2019). Noch klarer wird die Marschrichtung mit der Frage der „Frankfurter Allgemeinen“, „Wie viel NSDAP steckt in der AfD?“ (19. Juni 2017), oder der Aussage der „Zeit“, „Unklare Mehrheitsverhältnisse, polarisierte Milieus und eine Rechtsaußen-Partei im Parlament: Manchen erinnert das an die Jahre vor 1933“ (29. November 2018). Das Zitat des Historikers Jörg Leonhard, „Wer von Weimarer Verhältnissen spricht, will die Krise herbeireden“, geht dagegen unter.

Und dann findet man sich – wohlgemerkt immer noch in einer Ausstellung zur Weimarer Republik, unter dem Eindruck von deren Ende und dem Wissen, welchen Verlauf die Dinge in den nächsten zwölf Jahren nahmen – vor Texten wieder, die einem seltsam vertraut vorkommen, allerdings nicht aus dem Geschichtsbuch. Von dort werden höchstens noch Anleihen genommen. 

So heißt es, dass „auch heute immer wieder“ ein „scheinbar selbstverständliches demokratisches Grundprinzip“ in Frage gestellt werde, nämlich „die Chancengleichheit aller Menschen in der Gesellschaft“. Mit plumper Anspielung auf Marx und Engels heißt es: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Populismus. Längst überwunden geglaubte Gefahren für die Demokratien scheinen zurückzukehren.“ 

Die Frage, vor welche Herausforderungen „die Globalisierung unsere Demokratien“ stellt, wird aufgeworfen. Der Klimawandel, dessen Verursachung durch den Menschen hier natürlich nicht bezweifelt wird, darf nicht fehlen. „Reichen Likes sowie Petitionen und Demonstrationen aus, um den Klimawandel zu stoppen? Welche Folgen und Herausforderungen hat der Klimawandel für die Demokratie?“ 

Am Ende lassen sich die Ausstellungsmacher sogar zu der Frage hinreißen: „Ist die Demokratie überhaupt die richtige Staatsform, um den dringend notwendigen Wandel voranzutreiben?“ Illustriert ist die Klimathematik mit einem aus dem Internet bekannten Bild eines sterbenden Eisbären. Dieser wird gern zum Opfer der Erderwärmung erklärt. Fachleute haben reichlich Zweifel an diesem Zusammenhang geäußert und gemeint, das Bild zeige lediglich ein altes Tier am Ende seines Lebens. Kein schöner Anblick, aber der Lauf der Welt.

Insgesamt ist es ein großer Bogen, den das „Haus der Weimarer Republik“ schlägt. Am Eingang ruft Philipp Scheidemann via Filmdokument am 9. November 1918 die Republik aus, am Ende weiß man noch einmal genau, wer heute die Bösen sind und fühlt sich trotz besseren Wissens irgendwie doch schuldig am Tod des Eisbären.