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11.10.19 / Bewegte und bewegende Bilder von Cosel / Nach zwei Jahren Bauarbeiten hat die Stadt an der Oder ein neues Museum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-19 vom 11. Oktober 2019

Bewegte und bewegende Bilder von Cosel
Nach zwei Jahren Bauarbeiten hat die Stadt an der Oder ein neues Museum
Chris W. Wagner

Das oberschlesische Cosel hat ein Museum bekommen, das sich sehen lassen kann. Vor dem Eingang steht eine Glaspyramide. Sie birgt Überreste eines Schutz- und Wohnturmes aus dem 13. Jahrhundert und gehören zum ältesten, nichtsakralen Bau in Schlesien, betont das Museum. Der Turm könnte nach heutigem Stand der Wissenschaft vier 

Stockwerke umfasst haben und beherbergte Lebensmittellager, repräsentative Räume und Wohnungen. Er war mit einer Palisade und einer Mauer umgeben. Die Überreste dieses Donjons, eines Wohn- und Wehrturms einer mittelalterlichen Burg, ist die Attraktion des neuen Museums. 

Die Stadt am westlichen Oderufer, gegenüber der Klodnitzmündung gelegen, erhielt Ende des 13. Jahrhunderts Stadtrecht. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt zur Festung ausgebaut, die erst 1873 durch Reichsgesetz aufgehoben wurde, womit die Stadt sich erst verspätet ihres engen Korsetts entledigen und wachsen konnte. Mit dem Bau des Klodnitzkanals 1792 bis 1822, der das oberschlesische Industriegebiet an die Oder anband, und dem Bau des Umschlaghafens Cosel-Hafen erlangte Cosel dann doch noch überregionale Bedeutung. Nach Duisburg hatte Cosel vor dem Zweiten Weltkrieg den größten Binnenhafen Deutschlands. 

Doch ein Museum leistete sich die einst blühende Stadt dennoch erst 1924. Johann Alexander, Oberlehrer und Leiter des Coseler Gymnasiums, richtete es im Lehrerhaus ein. Im Krieg ist die Sammlung verschollen, viele Objekte wurden noch während des Krieges vermutlich „nach Deutschland“ verbracht, wie es auf der Internetseite des am 29. September eröffneten Museums heißt.

In der Dauerausstellung findet man vor allem Ausgrabungsartefakte aus der Steinzeit bis hin zu Exponaten aus der Zeit der Volksrepublik Polen. Hinter einer Glaswand kann der Besucher Teile freigelegter Mauerwerke des einstigen Coseler Schlosses sehen. „Im Augenblick müssen noch Projektgelder beantragt werden, um weitere Mauerteile vor weiterem Verfall zu sichern“, so Martin Tumulka, Journalist und Stadtaktivist. Obwohl er zum ersten Mal das neue Museum besucht, wurde er von der Stadt mit der Aufgabe betreut, eine Gruppe deutscher Kommunalpolitiker durch die neue Einrichtung zu führen. Deutschsprachige Informationen gibt es noch nicht, Tumulka ist auf sich gestellt. Er ist deutscher Cosel-Rogauer, der jetzt in Wiegschütz lebt, einem Dorf, das von 1936 bis 1945 nach Oberst David von Neumann den Namen Neumannshöh trug. 

David Neumann entstammte einer bürgerlichen ostpreußischen Familie und wurde für seine Verdienste 1779 in den preußischen Adelsstand erhoben. Am 11. September 1802 ernannte ihn der König zum Kommandanten der 

Festung Cosel. Oberst von Neumann verstarb während der Belagerung von Cosel 1807 an den Folgen eines Schlaganfalls. Fasziniert steht Martin Tumulka vor dem Gemälde „Die Belagerung von Cosel“, das einen zentralen Platz im Museum einnimmt. Es ist eine Kopie des Ölgemäldes von Wilhelm von Kobell aus dem Jahr 1808, dessen Original sich in der Münchner Pinakothek befindet. Es berichtet von einem Ereignis aus dem Dritten Napoleonischen Krieg im März 1807. „Bayerische und württembergische Truppen, denen nach dem Abzug Napoleons die Belagerung der Festung Cosel an der Oder anvertraut war, zerschlagen preußische Einheiten. Der Stab der bayerischen Armee hat sich auf der Anhöhe rechts im Vordergrund versammelt, während die eigentlichen Kämpfe in der verschatteten, noch nicht von der morgendlichen Sonne berührten Ebene darunter stattfinden“, zitiert Tumulka die Gemäldebeschreibung aus der Pinakothek. 

Es gibt aber auch bewegte Bilder zur Geschichte Cosels zu sehen. Bildschirme, die durch goldene Holzbilderrahmen verziert sind, zeigen zum Beispiel den Eisenbahnbau, den Cosler Ring oder das Leben an der Oder. „Es gibt keine Filmaufnahmen aus der Vorkriegsstadt, so hat man historische Fotos als Hintergrund genommen und die Menschen mit Computertechnik hineinprojiziert. Die Passanten auf dem Ring des 19. Jahrhunderts oder die Reisenden auf dem Bahnhof sind Cosler Bürger, die man vor einer Blue-Box in historischer Kleidung agieren ließ“, berichtet Tumulka, der vom Endeffekt begeistert ist. Was ihn aber enttäuscht, ist die etwas stiefmütterliche Behandlung des Themas Cosel-Hafen. „Auch wenn Cosel-Hafen eine eigenständige Gemeinde war und kein Teil von Cosel, so ist eine einzige Tafel in einer dunklen Ecke verborgen, zu wenig. Aber das Museum wächst noch und Museumsdirektor Jaroslaw Makowski hat noch viel vor”, verspricht Tumulka. Vielleicht finden dann auch Cosler Persönlichkeiten wie der Schachgroßmeister Theodor von Scheve, Internist Arthur Nicolaier oder Maler Heinrich Tischler einen angemessenen Platz in der Cosler Geschichtserzählung.