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18.10.19 / Die Zeichen stehen auf Schwarz-Grün / Sondierungsgespräche nach Nationalratswahl in Wien – Kurz verhandelte mit Kogler und Hofer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-19 vom 18. Oktober 2019

Die Zeichen stehen auf Schwarz-Grün
Sondierungsgespräche nach Nationalratswahl in Wien – Kurz verhandelte mit Kogler und Hofer
Michael Link

Nach der österreichischen Nationalratswahl Ende September, bei der die Volkspartei (ÖVP) mit 37,5 Prozent der abgegebenen Stimmen als klarer Wahlsieger hervorging, stehen die Zeichen der Regierungsbildung auf Schwarz-Grün.

Dem Ex-Bundeskanzler und Wahlsieger der 27. Nationalratswahl in Österreich, Sebastian Kurz, stehen mehrere Optionen einer Koalition offen. Der Chef der Schwarzen hätte sowohl mit dem bisherigen Regierungspartner, den Freiheitlichen (FPÖ), als auch mit den Sozialdemokraten (SPÖ) sowie mit den Grünen die Mehrheit im Parlament.

Als wahrscheinlichste Variante wird allerdings eine Koalition mit den Grünen gehandelt, die sich an einem Stimmenzuwachs von zehn Prozent erfreuen konnten. Mit knapp 14 Prozent erzielte die Öko-Partei – nur zwei Jahre nach dem Rauswurf aus dem Nationalrat – ihr bestes Wahlergebnis seit ihrer Gründung.

Bereits vergangenen Mittwoch hat ÖVP-Obmann Sebastian Kurz mit Grünen-Chef Werner Kogler den letzten seiner Gäste zu einem Sondierungsgespräch empfangen. Nach dem rund zweistündigen Gespräch sprach sich Kogler für „vertiefende Sondierungen“ aus.

In Anbetracht des Stimmenzuwachses der Grünen sei es „völlig logisch“, dass sich die Partei auf vertiefende Sondierungsgespräche vorbereite, wie auch darauf, dass man das gemeinsam mit der ÖVP tue, verwies Kogler auch auf die starken Zugewinne der Volkspartei.

Über Inhalte habe man noch nicht gesprochen. „Wir werden uns jetzt weiter vorbereiten auf ernsthafte Sondierungen“, so der Obmann der Grünen nach seiner Unterredung mit Kurz. „Ich gehe davon aus, dass der Ex-Kanzler in den nächsten Wochen einen bestimmten Sondierungsfahrplan vorlegen wird.“ Er habe mitgenommen, „dass wir in echte Gespräche einsteigen wollen und werden“, sagte Kogler über das Gespräch mit Kurz.

Zudem verwies Kogler auf die nun anstehenden innerparteilichen Beratungen bei den Grünen. Die Grünen würden nun beginnen, ein „Sondierungsteam“ zusammenzustellen.

Kogler wollte sich jedoch nicht festlegen, wie lange die Sondierungsgespräche gehen könnten. Die Hoheit über den weiteren Fahrplan liege jedenfalls beim ÖVP-Chef, betonte Kogler. Es gelte nun, die Fragen, wie für die Grünen wichtige Themen wie Umweltpolitik, Klima- und Naturschutzfragen, aber auch Fragen der Wirtschaft in diese Sondierungen einzubringen.

Eine große Herausforderung dieser Variante liegt allerdings in den zum Teil großen inhaltlichen Differenzen der beiden Parteien. So fordern die Grünen eine CO²- sowie eine Vermögenssteuer, was die ÖVP strikt ablehnt. Auch beim Thema Asyl und Zuwanderung bestehen deutliche Differenzen zwischen den beiden Parteien. Demnach gilt es, bis zum Abschluss allfälliger Koalitionsverhandlungen zahlreiche Kompromisse zu erzielen.

Nach wie vor gibt es die inhaltlich größte Schnittmenge zwischen der Volkspartei und den Freiheitlichen, die jedoch bereits abgewunken und den Gang in die Opposition angekündigt haben. Zu groß war mit 9,8 Prozent der Stimmenverlust wenige Monate nach dem Bekanntwerden der „Ibiza-Affäre“ ihres früheren Parteichefs Heinz-Christian Strache. Zuletzt hatte FPÖ-Chef Norbert Hofer wiederholt erklärt, dass das schlechte Abschneiden der Freiheitlichen nicht als Regierungsauftrag zu betrachten sei.

Auch eine Koalition mit den Sozialdemokraten unter Pamela Rendi-Wagner gilt als eher unwahrscheinlich. Immerhin erlitten die Roten bei der Nationalratswahl mit einem Absacken um fast sechs Prozentpunkte auf 21,2 Prozent ein historisches Debakel. Zwar sprach die SPÖ-Chefin nach dem Gespräch mit Kurz von einem „freundlichen Austausch“, inhaltlich habe man „sehr an der Oberfläche die wichtigsten Themenbereiche besprochen“. Allerdings würde sich die SPÖ auf keinen Fall für „Scheingespräche“ zur Verfügung stellen. Ob sich die SPÖ am Ende eher in der Koalition oder in der Opposition befinden wird, hänge davon ab, „wie man uns jetzt begegnet“, betonte Rendi-Wagner.

Wie zur FPÖ gilt auch zu den Sozialdemokraten die Vertrauensbasis der ÖVP als belastet, wurde diese doch durch einen von FPÖ und SPÖ eingebrachten Misstrauensantrag im Mai abgewählt. Kurz zuvor waren die Freiheitlichen in Folge des Rücktritts von Vizekanzler  Strache sowie der Suspendierung des freiheitlichen Innenministers Herbert Kickl aus der Regierung ausgetreten.

Demnach ist auch rechnerisch eine rot-blaue Koalition – vor der die ÖVP im Wahlkampf immer gewarnt hatte – nicht möglich. SPÖ und FPÖ kommen zusammen nur auf die 71 Mandate, welche die Volkspartei jetzt schon alleine hat – 21 Mandate weniger als die erforderliche Mehrheit der 183 Mandate.

Auch eine Dreierkoalition mit den liberalen und offenkundig regierungsbereiten Neos ist nicht ausgeschlossen, haben diese doch mit der Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger und 8,1 Prozent der Stimmen ihr bislang bestes Ergebnis auf Bundesebene erzielt.

Ungewiss ist auch, ob es noch in diesem Jahr zur Bildung einer neuen Bundesregierung kommen wird. Bis dahin wird das von Bundespräsident Alexander Van der Bellen Ende Mai angelobte Expertenkabinett unter der Verfassungsjuristin Brigitte Bierlein die Amtsgeschäfte führen.