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18.10.19 / Bündnis aus Multis und Politik / Gemeinsames Video von Ministerin Klöckner und Boersch von Nestlé spricht Bände

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-19 vom 18. Oktober 2019

Bündnis aus Multis und Politik
Gemeinsames Video von Ministerin Klöckner und Boersch von Nestlé spricht Bände
Dirk Pelster

Das Thema Wirtschaftslobbyismus ist in Deutschland ein medialer Dauerbrenner. Doch trotz der permanenten Aufmerksamkeit wird es in den Schlagzeilen zugleich nur an wenig prominenter Stelle platziert. 

Zuletzt geriet Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) in die Kritik, weil sie in einem gemeinsamen Video mit dem Deutschland-Chef des Lebensmittelgiganten Nestlé, Marc-Aurel Boersch, die Anstrengungen des Schweizer Konzerns lobte, den Anteil von Fett und Zucker in dessen Produkten zu reduzieren. Eine parlamentarische Anfrage offenbarte, dass die Ministerin sich seit ihrem Amtsantritt im März 2018 bereits über 25 Mal mit Vertretern von Großkonzernen getroffen hatte. 

Dies ist symptomatisch für eine interessante Entwicklung, die schon seit rund zwei Jahrzehnten zu beobachten ist und längst nicht nur das von Klöckner geleitete Ministerium betrifft. Zwar suchten Wirtschaftslobby­isten schon immer in der Politik nach einem geneigten Ohr und schon immer waren deutsche Politiker bereit, es ihnen zu leihen. In früheren Zeiten wurde die Vertretung von Wirtschaftsinteressen allerdings weit überwiegend durch entsprechende Lobbyorganisationen betrieben, die bestimmten Branchen entstammten. Dies geschieht zwar nach wie vor, doch zunehmend versuchen große Unternehmen im Alleingang und ohne den Umweg über einen Interessenverband gezielt Einfluss auf wichtige politische Schlüsselfiguren auszuüben. Umgekehrt versuchen deutsche Politiker verstärkt, die Lenker von Konzernen für sich zu gewinnen. 

Ein besonders anstößiges Beispiel hierfür dürfte die 2009 von Angela Merkel für Josef Ackermann, dem damaligen Vor­stands­chef der Deutschen Bank, auf Kosten der Steuerzahler zu dessen 60. Geburtstag im Kanzleramt ausgerichtete Party gewesen sein. In jüngster Zeit bestätigen vor allem die weniger teuren Treffen deutscher Regierungsmitglieder mit Face­book-Chef Mark Zuckerberg diese Tendenz. 

Ein infolgedessen zunehmend beobachtbares Phänomen ist der sogenannte Drehtür-Effekt. Immer mehr Politiker wechseln nach ihrer Amtszeit auf einen gut dotierten Posten in der Wirtschaft. Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der ehemalige Staatsminister Eckart von Klaeden oder Ex-Entwick­lungs­hil­feminister Dirk Niebel sind nur einige der bekannteren Beispiele. 

Da für die Öffentlichkeit häufig nicht transparent ist, welchen Tätigkeiten diese Ex-Politiker in ihren neuen Funktionen genau nachgehen, steht vielfach der Vorwurf im Raum, dass es sich hierbei um eine Form der nachträglichen Belohnung für vergangene Gefälligkeiten handelt. Diese Entwicklung ist durchaus besorgniserregend. 

Dabei ist der unausgeräumte Verdacht, dass sich einzelne Politiker auf Kosten der Allgemeinheit ihre Privatschatullen auffüllen, noch von untergeordneter Bedeutung. Viel gefährlicher ist der Fokus, der heute auf die Interessen weniger Einzelkonzerne gelegt wird. Er zeigt deutlich, dass das Wohl kleinerer und mittlerer Unternehmen längst aus dem Blickfeld der Politik gerückt ist. 

Zugleich zeigt die Annahme von vielen Regierungspolitikern, sie könnten vornehmlich im Verbund mit multinationalen Großunternehmen gesellschaftliche Probleme lösen, dass ihnen die Bodenhaftung weitestgehend verloren gegangen ist. Für Firmen wie Nestlé ist es vergleichsweise einfach, den immer neuen und weitergehenden Regulierungsforderungen aus der Politik nachzukommen. Die hierfür anfallenden Kosten können sie angesichts ihrer Marktmacht bequem auf die Endverbraucher umlegen. Für kleinere mittelständische Unternehmen gilt dies nicht, sie laufen Gefahr, im Wettbewerb an Terrain zu verlieren.