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18.10.19 / Die Verwandlung des Gregor Sander / Wendezeit aus Sicht eines Drogisten – Berliner Autor stellt neuen Roman auf Frankfurter Buchmesse vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-19 vom 18. Oktober 2019

Die Verwandlung des Gregor Sander
Wendezeit aus Sicht eines Drogisten – Berliner Autor stellt neuen Roman auf Frankfurter Buchmesse vor
Silvia Friedrich

Als Gregor Sander eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in einem neuen Staat wieder. In Abwandlung von Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ könnte man das beschreiben, was dem Berliner Autor Gregor Sander widerfahren ist.

„Ich habe so viel gemacht, dass ich eigentlich nur noch Schriftsteller werden konnte“, sagt Gregor Sander. Für seine Erzählungen wurde Sander vielfach ausgezeichnet, sein Romandebüt „ab­wesend“ von 2007 war für den Deutschen Buchpreis nominiert, und das Drehbuch seines Werkes „Was gewesen wäre“ stammt ebenfalls aus seiner elektronischen „Feder“ und kommt als Film mit Christiane Paul und Ronald Zehrfeld am 21. November in die deutschen Kinos.

Der neue Roman „Alles richtig gemacht“ (Penguin Verlag, 240 Seiten, 20 Euro) des 1968 in Schwerin geborenen Schriftstellers ist be­reits in aller Munde, wird in Kultursendungen des Landes in den höchsten Tönen gelobt und vom Autor an diesem Wochenende auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Die Ge­schichte liefert einen Einblick in die Lebensläufe der „Generation Wende“. Sie handelt von den Freunden Thomas und Daniel, die sich als Jugendliche kennenlernten und es sich im vereinigten Deutschland, den veränderten Umständen entsprechend, so an­genehm wie möglich machen.

Den ironisch gemeinten Titel „Alles richtig gemacht“ will Sander doppeldeutig verstanden wissen. „Wenn einem das große Ding gelungen ist, kann man sagen: alles richtig gemacht. Man kann es aber auch sagen, wenn alles schief gegangen ist“, meint Sander. Was er selbst im Leben richtig gemacht hat, mögen andere entscheiden. Er hoffe jedoch, dass die Leute von ihm sagen, er habe gute Bücher geschrieben. Es sei ihm wichtig, dass man ihn als freundlichen Menschen sehe, der auch zuhören könne.

Was ist das für einer, den manche als ersten deutschen Nachwendeautor bezeichnen, der Au­toren bewundert, die 800 Seiten lange Bücher verfassen, der bei Lesungen mit tosendem Applaus vom Publikum begrüßt wird und doch eher bescheiden auftritt, so, als ob ihn der plötzliche Erfolg beinahe überrumpelt hätte und er sich stets erinnern müsse, dass es auch Zeiten gab, als noch nicht alles so glatt lief? Er sei jemand, der in den letzten 50 Jahren viele Erfahrungen gemacht habe, für die er aber auch dankbar sei, lässt er wissen.

Was lange währt, wird endlich gut. Selten trifft der Inhalt eines Sprichwortes so sehr zu wie auf Sander, der seit 20 Jahren in Berlin-Mitte wohnt und sich mit Frau und zwei Söhnen auch dort zu Hause fühlt.

„Ich wollte nicht die Ausbildung zum Schlosser mit Abitur machen“, sagt Sander, aber zum Abitur wurde er im sozialistischen Teil Deutschlands zunächst nicht zugelassen. In Schwerin gab es zu DDR-Zeiten bei 130000 Einwohnern ein Gymnasium. Darin einen der wenigen Plätze zu ergattern, war äußerst schwierig. Da im ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden dieser auch alle Bereiche des täglichen Le­­bens kontrollierte, wurde ebenfalls darüber entschieden, wer zum Abitur zugelassen wurde und wer nicht. Sanders Notendurchschnitt von 1,3 nützte da wenig. Erst nach einer „Eingabe“, dem Oberbegriff für Beschwerden aller Art in der DDR, gelang es ihm, doch noch zum „Instandhaltungsmechaniker mit Abitur“ ausgebildet zu werden. Der Spaß am Beruf spielte dabei keine Rolle.

Sander wechselte sofort nach Ende der Ausbildung in die medizinische Richtung als Krankenpfleger und zu einem kurzen Intermezzo an der medizinischen Fakultät der Universität Rostock. Der Autor bewundert Ärzte und ihren Beruf, seiner sei es jedoch nicht. Da ihn die Literatur immer interessiert hat, begann er an der Berliner Humboldt-Universität ein Studium der Ge­schichte und Germanistik. Endlich und kurz vor der Altersbegrenzung zur Aufnahme an der Schule fand der heute so erfolgreiche Autor 1996 an der Berliner Journalistenschule einen Ort, an dem er sich äußerst wohlfühlte.

Die Lerninhalte gefielen ihm, der eigentlich immer nur schreiben wollte. Jetzt hatte Sander Mut, sich für ein Stipendium zu bewerben, was auch gleich klappte. Er sei richtig von sich selbst beeindruckt gewesen, als ihm das gelang, lässt er wissen. Und plötzlich ging es aufwärts mit dem, was er am liebsten tat: schreiben. 2002 erschien der Erzählband „Ich aber bin hier geboren“, es folgten Preise und Stipendien, darunter auch 2012 eines an der Queen Mary University of London.

Ein Tag im Leben des Gregor Sander in Berlin beginnt so profan wie überall mit der Früh­stückszubereitung für die Kinder. Danach geht es ins Büro, das sich in einer alten Fabrik in einem anderen Berliner Bezirk befindet. Hier ist er ungestört, auch ohne Internet, in dem man sich verlieren kann, und ohne jede Ablenkung aus dem häuslichen Umfeld. Gleichzeitig arbeiten außer ihm dort noch andere Leute in verschiedenen Professionen. Sander werkelt hier an seinen Büchern und, wie zuletzt, auch an einem Drehbuch gleichzeitig, was ganz schön anstrengend war. Einmal in der Woche steht er der „Kulturpresseschau“ bei Deutschlandfunk Kultur zur Verfügung.

Im jüngst erschienenen Werk wollte der Autor weg vom Klischee der Plattenbauten und dass es in der DDR kein Privateigentum gegeben habe. So arbeitet der Vater des Protagonisten Thomas Zeit seines Lebens in der eigenen Drogerie, bis ihn das neue System mit den großen Drogerie-Ketten dazu zwingt, sein Geschäft aufzugeben. Ohne seinen Laden, der von Generation zu Generation in der Familie weiter vererbt wurde, möchte auch er nicht mehr leben. Eigentlich wollte Sander in diesem Buch die DDR außen vor lassen. Dieses sei ihm aber nur bedingt gelungen, eines der 

16 Kapitel spielt in der Vorwendezeit. „Es hatte sich nach der Wende wirklich alles geändert“, sagt er, „von der Krankenversicherung bis zur Berufsausbildung, vom Schulsystem bis zum Mietvertrag. Abiturzeugnisse wurden um ein paar Kommastellen abgewertet.“ Für junge Menschen sei das machbar, für Ältere sei es oft eine Überforderung gewesen.

Vom „Deutschland einig Vaterland“ seien wir leider noch ein ganzes Stück entfernt, meint Sander. Und auf die Frage, was wir Deutsche seiner Meinung nach tun müssten, um wieder ein vereinigtes Volk zu werden, antwortet der Schriftsteller beinahe weise: miteinander reden, nicht übereinander.


Am 18. Oktober startet Sander in Frankfurt eine Lesetour, die ihn bis März unter anderen nach München (23.10.), Berlin (31.10., 8.1.) Köln (27.11.) und Potsdam 25.3.2020) führen wird. Alle Termine im Internet unter: www.randomhouse.de/termine/66177.rhd