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18.10.19 / Millionen Dollar lösten sich in Luft auf / Am Schwarzen Freitag platzten die vielen Träume vom schnellen Reichtum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-19 vom 18. Oktober 2019

Millionen Dollar lösten sich in Luft auf
Am Schwarzen Freitag platzten die vielen Träume vom schnellen Reichtum
Klaus J. Groth

Das abrupte Ende der sogenannten Goldenen Zwanziger kam am 25. Oktober 1929, dem Schwarzen Freitag, der eigentlich ein Donnerstag war, mit einem massiven Absturz der Aktienkurse an der New Yorker Wallstreet. Milliardenvermögen lösten sich in Luft auf. Der Börsenkrach verursachte eine Wirtschaftskrise, deren schwerwiegende Folgen auf der ganzen Welt zu spüren waren. Die Wirtschaft benötigte 25 Jahre, um sich von diesem Schock zu erholen.

Die Zeitverschiebung machte aus dem Schwarzen Donnerstag, an dem die Börse in New York zusammenbrach, in Europa den Schwarzen Freitag. Die Nachricht von den Turbulenzen erreichte Europa erst mit einem Tag Verzögerung. Und auch dann deutete man die Ereignisse von New York nicht richtig. Die Kurse an den europäischen Börsen stiegen sogar leicht an, man hoffte, nun werde Kapital aus den Staaten ins sichere Europa fliehen. Doch in den Staaten gab es kein Halten mehr. Die Wirtschaft wurde in einem Strudel abwärts gerissen. 

Alarmsignale hatte es schon zuvor genügend gegeben. An der Wallstreet waren die Kurse schon länger merkbar abgesackt. Man hatte das zur Kenntnis genommen – und achselzuckend weitergemacht. Eine kleine Verstimmung an der Börse, das würde vorübergehen. Hatten die Kurse nicht seit 1924 um 300 Prozent zugelegt? Der Erste Weltkrieg hatte aus den weltweit verschuldeten USA einen Staat gemacht, bei dem andere Länder in der Kreide standen. Nach Inflation und Währungsschnitten glaubten die Menschen nicht mehr an den Sinn einer langfristigen Geldanlage. Es wurde nicht gespart, der internationale Geldmarkt war überflutet. Die Wirtschaft plante für morgen, nicht für übermorgen, kurzfristige Kredite waren gefragt.

Nach dem Mangel der Kriegsjahre schwappte die Konsumwelle hoch. Es musste viel nachgeholt, vieles ersetzt werden. Und viele Erfindungen kurbelten die Kauffreude an: Auto, Radio, Film, Perlon und Nylon – alles neu. In Detroit baute man jährlich fünf Millionen Autos zusammen. Aktien von Auto- und Radiobauern waren so begehrt wie später in den 90er Jahren Internetaktien bei den Kleinaktionären. Die Welt, so schien es, erfand sich neu. Die Industrieproduktion wuchs innerhalb von zwei Jahren um 25 Prozent. Wer an diesem Aufschwung teilhaben wollte, der spekulierte an der Börse. Nur leider konnte der Markt nicht die Mengen der Waren aufnehmen, die im Überschwang produziert wurden. Doch als das bemerkt wurde, war es zu spät. Die überhitzte Produktion förderte vor allem in den Staaten die Erwartung ständig steigender Aktienkurse. Der gehandelte Wert der Papiere lag weit über dem tatsächlichen Wert der Unternehmen. Es wurde gekauft, ohne lange zu fragen. Vielfach auch ohne eigenes Geld. Aktien wurden auf Kredit erworben, die Schulden sollten mit dem erwarteten Gewinn beglichen werden. Jeder wollte ein Stück vom Kuchen.

Im Rückblick waren Warnsignale klar erkennbar. Warum sie auf der Jagd nach dem leichten Gewinn gerne übersehen wurden, zeigte jüngst die Wiederholung der Krise im Jahr 2008. Sie hatte beim Zusammenbruch der Investmentbank „Lehman Brothers“ dieselben Symptome. Nur war es 2008 nicht die Jagd auf Aktiengewinne, sondern das Platzen der Immobilienblase in den USA. Das Gemenge war jedoch das Gleiche. Der Finanzmarkt verfügte über Geld im Überfluss. Kredite wurden den Kunden förmlich aufgedrängt. Wer sie in einem Haus anlegte, benötigte keine weitere Sicherheit, das Haus genügte. So kamen auch Bürger an Geld, die kein Geld hatten. Kredite wurden an Leute vergeben, die weder über Job noch Einkommen verfügten. Das Geschäft florierte, bis die Immobilienblase überdehnt war und die Welt abermals in wirtschaftlichen Turbulenzen taumelte. Wie 1929 hatte man wieder einmal alle Warnzeichen ignoriert.

Auch 1929 begann der Niedergang an der Börse nicht über Nacht. Seit Anfang Oktober standen auf den Kurszetteln fast nur noch Minuszeichen. Es dämmerte den Anlegern, dass sich die Hoffnung auf baldigen Reichtum nicht erfüllen könnte. Der Abwärtstrend beschleunigte sich, bis am 20. Oktober gemeldet wurde: „Verkaufswelle sinkender Aktien überschwemmt den Markt.“ 

Die Anleger überkam Angst. Diejenigen, die ihr Erspartes angelegt hatten, fürchteten um ihr Geld, diejenigen, die auf Pump spekuliert hatten, fürchteten, ihre Schulden nicht begleichen zu können. Die Unruhe war so spürbar, dass die Polizei am 23. Ok­tober das Umfeld der Wallstreet absperrte. Am folgenden Tag brach die Panik aus. Die Anleger versuchten, ihre Aktien zu verkaufen, ganz gleich für welchen Preis. Mehrfach brach der Markt zusammen.

Die Bosse der Finanzimperien versuchten mit einem bewährten Trick, die Situation zu retten. Sie ließen durch bekannte Händler mit vorzüglichem Ruf mitten im Absturz große Mengen an Papieren kaufen. Das stoppte vorübergehend den Abwärtstrend. Die beteiligten Banken schlossen den Tag sogar mit leichtem Gewinn ab, sie waren eingestiegen, als die Kurse besonders niedrig waren, anschließend zogen sie wieder an. Aber Hunderttausende Kleinanleger hatten ihr Geld verloren. Zudem hatten die mechanisch betriebenen Börsenticker die Kursstürze nicht mehr bewältigen können. Sie lieferten noch Katastrophenmeldungen, als die Katastrophe abgewendet schien.

Ein Sprecher der Bankenbosse betonte inmitten der Turbulenzen, es sei nicht Aufgabe der Banken, einen Aktienkurs zu halten oder die Profite der Anleger zu schützen. Diese Worte beschleunigten den Absturz, die Kleinanleger fühlten sich verraten. Einige Aktien verloren 99 Prozent ihres Wertes. An einem einzigen Tag wurden 16410030 Aktien an der Wallstreet verramscht. 

Millionen Anleger verloren ihr Erspartes, kleinere und größere Vermögen. Der Absturz beschränkte sich nicht auf einige Tage. Er hielt an, 90 Prozent des in Aktien angelegten Geldes der US-Amerikaner löste sich bis 1932 in Luft auf. In den Staaten waren 30 Millionen Menschen ohne Arbeit. Wichtige Industrien waren zusammengebrochen, große Banken ebenso. Erst 1959 erreichten die Aktienkurse an der Wallstreet wieder die Höhe, auf der sie vor dem Absturz 1929 gestanden hatten.