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25.10.19 / Der Vater des ersten deutschen Passagierjets / Vor 50 Jahren starb mit Brunolf Baade der Konstrukteur des Strahlverkehrsflugzeuges 152

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-19 vom 25. Oktober 2019

Der Vater des ersten deutschen Passagierjets
Vor 50 Jahren starb mit Brunolf Baade der Konstrukteur des Strahlverkehrsflugzeuges 152
Friedrich List

Deutschlands erstes Passagierflugzeug mit Düsenantrieb entstand in der DDR, im VEB Flugzeugwerke Dresden. Sein Konstrukteur war Brunolf Baade, der als Vater der DDR-Luftfahrtindustrie gilt.

Den Ersten Weltkrieg erlebte Baade als Schüler. 1922 machte er am Berliner Kaiser-Friedrich-Wilhelm-Realgymnasium sein Abitur. Er wollte eigentlich Schiffskonstrukteur werden, studierte Maschinenbau und ging für ein Praktikum nach Hamburg zu Blohm & Voß. Man setzte ihn beim Bau des Frachters „Waskenland“ ein. Auf dem heuerte Baade als Kohlen­trimmer an und fuhr nach Südamerika. Dort musterte er ab, um sich Land und Leute anzusehen. Nach seiner Rückkehr wechselte er zum Flugzeugbau. Außerdem lernte er selbst fliegen, beteiligte sich an Segelflug-Wettbewerben und erhielt 1927 seine Motorflug-Lizenz. Zu dieser Zeit arbeitete er an der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) in Berlin, machte jedoch sein Diplom in München. Er trat als Volontär in die Bayerischen Flugzeugwerke (BFW) ein und arbeitete nach Abschluss seines Studiums dort weiter als Konstrukteur. 

Bedingt durch die Weltwirtschaftskrise ging er 1930 in die USA, um dort für BFW Lizenzen zu verkaufen. Später wechselte er zu verschiedenen US-Unternehmen. Obwohl er sich erfolgreich in den USA etabliert hatte, bemühte er sich um Kontakte zu deutschen Luftfahrtunternehmen, aber zunächst ohne Ergebnis. 

1936 fuhr er mit seiner Frau nach Deutschland, um sich die Olympischen Spiele anzusehen. Im Oktober wurde er Leiter der Konstruktionsabteilung von Junkers in Dessau. In seinem selbstverfassten Lebenslauf für die sowjetischen Besatzungsbehörden hat er später geschrieben, dass die Gestapo die Pässe von ihm und seiner Frau ungültig gemacht habe, um ihn an der Rückkehr in die USA zu hindern. Ob die Episode so stimmt, wie Baade sie geschildert hat, sei dahingestellt.

Baade war jedenfalls bald ein respektiertes Mitglied der Unternehmensleitung. Sein Wirkungskreis erweiterte sich. 1938 übertrug man ihm und einem Kollegen die konstruktive Gestaltung des neuen zweimotorigen Bombers und Zerstörers Junkers Ju 88. 1941 erhielt er die Gesamtverantwortung für die gesamte Typenreihe einschließlich der Wei­ter­ent­wick­lungen wie den schweren Jägern und Nachtjägern, dem Bomber und Aufklärer Ju 188 sowie der Ju 388 der letzten Kriegsphase. Auch für den 1943 eingestellten mittleren Bomber Ju 288 war er verantwortlich. Zudem betreute er die Düsenbomber-Entwicklung, die noch 1944 zu einem ersten Versuchsträger für den mittleren Strahlbomber Junkers Ju 287 mit vorwärts gepfeilten Flügeln führte. Der Erprobungsträger für den neuen Flügel kam im August 1944 noch zum Fliegen.

Baade selbst geriet bei Kriegs­ende zunächst in US-amerikanische Gefangenschaft. Er erfuhr, dass man die Zerschlagung der gesamten deutschen Industrie plante. Dessau lag von April bis Anfang Juli 1945 in der amerikanischen Besatzungszone. US-amerikanische Experten transportierten alle technischen Unterlagen, das komplette Werksarchiv, Flugzeuge und Motoren ab. Viele Junkers-Mitarbeiter nahmen das Angebot an, in den USA zu arbeiten.

Baade war bereits im Juni 1945 entlassen worden. Nun wandte er sich an die sowjetische Besatzungsmacht, um den Junkers-Werken das Überleben zu sichern. Die erlaubte zunächst die Herstellung von Gebrauchsgütern wie Kochtöpfen oder Zeltstangen für den täglichen Bedarf. Naheliegenderweise wollten sich auch die Sowjets deutsche Luftfahrt-Expertise sichern. Also mussten Baade und seine Mitarbeiter zunächst ihr Wissen niederschreiben. 

Baade schlug der sowjetischen Militärverwaltung vor, die Arbeiten an einer Reihe von Projekten wieder aufzunehmen. Die Sowjets reagierten positiv, wollten sie doch die Ergebnisse dieser Projekte als Reparationsleistungen, die das besiegte Deutschland zu erbringen habe, einheimsen. Im September 1945 nahm die Junkers AG unter sowjetischer Führung ihre Arbeit auf. Die Arbeiten an mehreren Projekten aus der Kriegszeit wurden fortgesetzt. Dabei fand ein Austausch mit sowjetischen Konstruktionsbüros nicht statt. 1946 wurden auch Baade und seine Mitarbeiter Opfer der Aktion Ossawakim, einer Geheimoperation unter Leitung der sowjetischen Militärverwaltung, in deren Rahmen mehr als 2500 ausgewählte deutsche Fachkräfte aus militär- und wirtschaftspolitisch relevanten Betrieben und Institutionen der sowjetischen Besatzungszone und des sowjetischen Sektors von Berlin samt rund 4000 Familienangehörige in die Sowjetunion verschleppt wurden.

Nach Josef Stalins Tod im Jahre 1953 beschloss die sowjetische Führung, diese Verschleppten wieder in die Heimat zu schicken, nachdem man deren Wissen erfolgreich abgeschöpft hatte. Baade suchte erneut nach Wegen, Junkers weiterleben zu lassen und überzeugte die Führung der mittlerweile gegründeten DDR davon, sich im Flugzeugbau zu engagieren. Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 hatte in den Führungen der DDR und der UdSSR für ein Umdenken gesorgt. Nikita Chruschtschow und Walter Ulbricht wollten in den Wirtschaften ihrer Länder neue Wege gehen und gaben deshalb grünes Licht. Chruschtschow versprach uneingeschränkte Hilfe, darunter eine lizenzfreie Produktion des Kurz- und Mittelstrecken-Verkehrsflugzeugs Iljuschin Il-14, Rohstoffe, Geräte und Experten. Außerdem erteilte er einen Bauauftrag für ein neues Verkehrsflugzeug, einen vierstrahligen Mittelstreckenjet. 

Dieses „152“, „Typ 152“, „Flugzeug 152“ oder „Baade 152“ genannte Passagierstrahlflugzeug war eine Weiterentwicklung des „150“, „Alexejew 150“, „Samoljot 150“ oder „EF 150“ genannten sowjetischen Frontbombenflugzeugs, an dem Baade in der Sowjetunion mitgearbeitet hatte. So hoffte man auf eine schnelle Entwicklung. Aber die Verhältnisse in der DDR und die Unzuverlässigkeit der sowjetischen Seite, die in allen Angelegenheiten das letzte Wort behielt, sorgten für Verzögerungen und letztlich unlösbare Probleme. Die Sowjetunion lieferte nur zögerlich Material, hielt Unterlagen zurück und bremste bei Konsultationen. Trotzdem flog am 4. Dezember 1958 der erste Prototyp. Er stürzte jedoch drei Monate später bei einem Vorführflug anlässlich der Leipziger Messe ab.

1960 flog die zweite Maschine. Probleme mit der Tankanlage führten jedoch zu einem vorläufigen Startverbot. Bereits 1959 hatte die Sowjetunion ihre Bestellung storniert und 1961 wurde das gesamte Programm eingestellt. Die bereits produzierten oder noch im Bau befindlichen Maschinen wurden verschrottet. Nur ein Rumpf überlebte. Baade musste nun das Werk auflösen und durfte sich immerhin das Institut für Leichtbau und ökonomische Verwendung von Werkstoffen (IfL) schaffen. Er blieb bis zu seiner Pensionierung im März 1969 dessen Direktor. Ein halbes Jahr später,  am 5. November 1969, starb er in Berlin.