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25.10.19 / Hitler kam davon, weil er kürzer redete / Georg Elsers Anschlag 1939 im Bürgerbräukeller war sorgfältig vorbereitet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-19 vom 25. Oktober 2019

Hitler kam davon, weil er kürzer redete
Georg Elsers Anschlag 1939 im Bürgerbräukeller war sorgfältig vorbereitet
Klaus J. Groth

Am Abend des 8. November 1939 erschütterte eine gewaltige Detonation den Münchener Bürgerbräukeller. Die Bombe sollte Adolf Hitler und führende Nationalsozialisten töten, explodierte aber erst, nachdem sie den Wirtsraum verlassen hatten. Sieben Menschen starben, 60 wurden verletzt. Der Attentäter Georg Elser wurde noch am selben Tag auf der Flucht verhaftet.

Elser gab beim Verhör durch die Gestapo an, er habe die Bombe allein konstruiert. Dass ein Schreiner mit geringer Schulbildung die Zeitzünderbombe ohne fremde Hilfe gebaut hatte, hielten Sprengstoffexperten für unmöglich. Hitler und Joseph Goebbels vermuteten den britischen Auslandsgeheimdienst Secret Intelligence Service (SIS), besser bekannt als MI6 (Military Intelligence, Section 6), als Drahtzieher. Denn nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen hatte Großbritannien Deutschland den Krieg erklärt. 

Das Propagandaministerium ließ Plakate mit den Fotos Elsers und des Premierministers Neville Chamberlain aufhängen. Darunter stand: „Das ist das Werkzeug des englischen Mordplanes, der Attentäter Georg Elser. Er ist zwar der ausführende Mordbandit, der wahre Schuldige aber heißt: England.“

Die Sonderkommission „Bürgerbräukeller“ fand keinen Beweis dafür, und Elser blieb im Verhör trotz Schlägen bei seiner Behauptung. Im Gefängnis musste er eine zweite Bombe bauen. Das gelang ihm. Sie funktionierte auf die Sekunde genau wie die im Bürgerbräukeller. Tatsächlich war das Attentat so präzise geplant und durchgeführt, dass es einem Einzelnen nicht zuzutrauen war. Gerüchte kursierten, Hitler selbst habe es in Auftrag gegeben, um seine Position zu festigen. 

Georg Elser wurde am 4. Januar 1903 im württembergischen Hermaringen als uneheliches Kind geboren. Seine Mutter heiratete den Holzkaufmann Ludwig Elser, der dem Jungen seinen Namen gab. Georg Elser lernte Tischler und machte die Gesellenprüfung. Er wechselte seine Wohnorte und seine Arbeitsstellen häufig, schreinerte Möbel und baute Uhrengehäuse für Stand- und Kaminuhren. 1928 oder 1929 trat er dem Roten Frontkämpferbund bei, einer paramilitärischen Vereinigung der KPD, war aber vermutlich politisch nicht aktiv. Aus seiner Abneigung gegen die Nationalsozialisten machte er kein Geheimnis. Er verweigerte den Hitlergruß und ging nach Berichten von Bekannten aus dem Zimmer, wenn Hitler im Radio sprach. 

Bei den Verhören gab er als Motiv für das Attentat an, er habe die Verhältnisse in Deutschland ändern und den Krieg durch die Beseitigung der „augenblicklichen Führung“ beenden wollen. „Unter der Führung verstand ich die ‚Obersten‘, ich meine damit Hitler, Göring und Goebbels. Durch meine Überlegungen kam ich zu der Überzeugung, dass durch die Beseitigung dieser drei Männer andere Männer an die Regierung kommen, die an das Ausland keine untragbaren Forderungen stellen, die kein fremdes Land einbeziehen wollen und die für eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse der Arbeiterschaft Sorge tragen werden.“ 

1937 begann Elser mit den Vorbereitungen für den Anschlag am 8. November. An diesem Tag kam Hitler jedes Jahr in Begleitung von Ministern nach München, um am Vorabend des Putschversuches von 1923 im Bürgerbräukeller zu seinen Anhängern zu sprechen. Elser wollte dort eine Bombe verstecken, die während seiner Rede explodieren sollte. Die Armaturenfabrik in Heidenheim, bei der er zu dieser Zeit arbeitete, stellte auch Pulverkörner und Geschosszünder her. Innerhalb von zwei Jahren stahl Elser 250 Pressstücke Pulver, ohne dass es jemandem auffiel. Er wechselte als Arbeiter in einen Steinbruch und beschaffte sich dort Dynamit. Am 5. August 1939 zog er nach München. Er mietete eine kleine Werkstatt, wo er die Bombe baute. Nachbarn erzählte er, dass er ein Erfinder sei. Abends ging er in den Bürgerbräukeller, um die Räumlichkeit auszukundschaften. Direkt hinter dem Rednerpult, an dem Hitler sprechen würde, stand eine Säule. In ihr wollte Elser die Bombe deponieren. Nach dem Verzehren einer „Arbeitermahlzeit“ für 60 Pfennig versteckte er sich in einer Besenkammer und wartete, bis das Lokal abgeschlossen wurde. Mit Hammer und Meißel höhlte er die Säule so weit aus, bis sie Platz für die Bombe samt Sprengkapseln bot. Das Loch verschloss er mit einem passgenauen Stück der Säulenverkleidung, das sich wie eine Tür öffnen und schließen ließ. Am nächsten Morgen trug er den Schutt in einem Koffer vorbei an den Kellnerinnen hinaus. Am 7. November setzte er die Bombe hinein, verschloss die Öffnung und horchte an der Stelle. Die Zeituhr tickte. Alles verlief nach Plan, nichts schien mehr schiefgehen zu können.

Der Bürgerbräukeller war schon am frühen Abend gesteckt voll, an die 2000 Menschen warteten auf den Führer. Aber Hitler kam nicht. Dichter Nebel in Berlin hatte den Start seines Flugzeugs verhindert. Deshalb bestiegen er, Hermann Göring, Goebbels und andere ranghohe Nationalsozialisten seinen Sonderzug und trafen verspätet in München ein. Weil sie noch in der Nacht nach Berlin zurück wollten, kürzte Hitler seine Rede ab und verließ das Lokal mit seiner Begleitung genau 13 Minuten, bevor die Bombe explodierte. Fotos des zerstörten Schankraums, dessen Decke eingestürzt war, erschienen in den Tagen darauf in Zeitungen und in der Wochenschau. Die gleichgeschalteten Medien verbreiteten die Mär, dass „Deutschlands geliebter Führer“ von der „Vorsehung“ gerettet worden sei. Der Attentäter wurde noch vor der Explosion des Sprengkörpers an der deutsch-schweizerischen Grenze in Konstanz festgenommen. Er hatte nur einen abgelaufenen Ausweis bei sich. Die Grenzbeamten fanden eine Abbildung des Bürgerbräukellers und Drähte vom Zeitzünder in seiner Tasche. An der Innenseite seiner Jacke steckte das Abzeichen des Frontkämpferbunds. 

Georg Elser wurde ohne Gerichtsverhandlung als „Sonderhäftling des Führers“ in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert und später nach Dachau verlegt. Nach dem „Endsieg“ sollte ein Schauprozess gegen ihn stattfinden. Kurz vor der Kapitulation der Wehrmacht wurde er am 9. April 1945 auf Anweisung Hitlers erschossen. Im Gegensatz zu den Verschwörern des 20. Juli fand Elser kaum Würdigung. 2003 erschien zu seinem 100. Geburtstag eine Sonderbriefmarke.