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25.10.19 / Ein seltsamer Widerspruch / Bizarre Abtreibungsdebatte: Aus Eigensinn erlaubt, bei Behinderten ein Frevel?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-19 vom 25. Oktober 2019

Ein seltsamer Widerspruch
Bizarre Abtreibungsdebatte: Aus Eigensinn erlaubt, bei Behinderten ein Frevel?
Dirk Pelster

Es war nur eine von vielen Entscheidungen, die der Gemeinsame Bundesausschuss, einem der wichtigsten Gremien des deutschen Krankenversicherungssystems, auf seiner Sitzung am 19. August in Berlin getroffen hatte. Doch nur er sollte die Schlagzeilen des Tages bestimmen. Neben verschiedenen anderen Maßnahmen beschloss die aus Vertretern von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen zusammengesetzte Kommission an diesem Tag, dass künftig die Kosten eines Bluttests zur Frühdiagnose von Trisomie 21, besser bekannt als Down-Syndrom (früher Mongolismus genannt), unter bestimmten Bedingungen von den Krankenkassen übernommen werden können. 

Schwangeren Frauen wird es damit ermöglicht, mittels einer von ihnen abzugebenden Blutprobe untersuchen zu lassen, ob ihr noch ungeborenes Kind von dieser geistigen Behinderung betroffen ist. Bereits jetzt besteht die Möglichkeit, eine Fruchtwasser­analyse als Kassenleistung in Anspruch zu nehmen. Dieses Verfahren ist weniger genau und birgt zudem ein erhebliches Risiko, hierdurch eine Fehlgeburt auszulösen. Schon bislang hatten werdende Eltern die Möglichkeiten einer molekulargenetischen Un­tersuchung des Mutterblutes genutzt, doch mussten sie die rund 600 Euro, die ein solcher Test kostet, aus eigener Tasche finanzieren. 

Auch jetzt besteht kein zwingender Anspruch auf eine Erstattung. Nach dem noch nicht rechtsgültigen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses kann eine Kostenübernahme für den Test durch die jeweilige Krankenkasse aber künftig dann erfolgen, „wenn er geboten ist, um der Schwangeren eine Auseinandersetzung mit ihrer individuellen Situation hinsichtlich des Vorliegens einer Trisomie im Rahmen der ärztlichen Begleitung zu ermöglichen“.

Die Unbestimmtheit dieser Regelung, aber auch die generelle Entscheidung des Gremiums rief sofort zahlreiche Kritiker auf den Plan. Sie fürchten, werdende Mütter könnten sich in Kenntnis einer absehbaren geistigen Behinderung ihres Kindes häufiger für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Diese Annahme ist nicht unbegründet, denn das Down-Syndrom ist nicht heilbar. Und ein Früherkennungstest während der Schwangerschaft verschafft den Eltern nicht nur Klarheit über eine mögliche Erkrankung, sondern kann durchaus dazu führen, dass diese sich schließlich gegen das Austragen des Kindes entscheiden. 

Interessant ist die Zusammensetzung des Chores der Kritiker. Die Bundestagsabgeordnete Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen) lud auf ihrer Internetseite unmittelbar nach der Entscheidung der Kommission eine Erklärung hoch, in der sie diese scharf angriff. Schwangeren solle nicht suggeriert werden, dass es ein Risiko sei, ein geistig behindertes Kind zu gebären, so der Tenor. Auch die Abgeordnete Kathrin Vogler (Linkspartei) befürchtet einen Präzedenzfall, der dazu führen könne, dass künftig noch andere Tests zur Früherkennung von genetischen Defekten an ungeborenen Kindern zur Anwendung kommen könnten. 

Ins selbe Horn stieß die linke „Tageszeitung“ aus Berlin, die gar von „Selektion“ redet. Allgemein zeigte man sich auf der linken Seite des politischen Spektrums besorgt darüber, dass künftig weniger Kinder mit einer Behinderung zur Welt kommen könnten, und sah darin vor allem eine Gefahr für die gesellschaftliche Vielfalt. 

In einem Kommentar fiel „Genderredakteurin“ Patricia Hecht dann zumindest der logische Bruch zu dem ansonsten von linker Seite postulierten uneingeschränkten Abtreibungsrecht auf. Während danach die Tötung eines völlig gesunden Embryos aus eigennützigen Motiven weiterhin moralisch völlig legitim sein soll, wird die Abtreibung eines schwer behinderten Kindes vor allem als Sonderfall einer unzulässigen Diskriminierung gedeutet. 

Kritisch gesehen wurde die Entscheidung des Bundesausschusses auch von Vertretern der Lebenshilfe, einem mächtigen Verein der Sozialindustrie, der zahlreiche Einrichtungen für Behinderte betreibt. Er lehnte die Übernahme der Kosten für Bluttests ab, da damit die Angst vor behinderten Menschen geschürt und Druck auf Frauen zum Abbruch der Schwangerschaft bei positivem Befund ausgeübt werden könne. Auf Ablehnung stieß die geplante Kassenleistung ebenso bei den christlichen Kirchen und Lebensschützern. Hier zeigte sich jedoch nicht die ansonsten anzutreffende Doppelmoral, denn die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruches wird hier ganz grundsätzlich abgelehnt.