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25.10.19 / Psychotricks als politisches Kampfmittel / Zersetzung, Diffamierung, Ausgrenzung – Wie Oppositionelle durch ausgefeilte Techniken zerstört werden sollen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-19 vom 25. Oktober 2019

Psychotricks als politisches Kampfmittel
Zersetzung, Diffamierung, Ausgrenzung – Wie Oppositionelle durch ausgefeilte Techniken zerstört werden sollen
Wolfgang Kaufmann

Die Demokratie hat es hierzulande zunehmend schwer. Das zeigt sich unter anderem an der wachsenden Unterdrückung freier öffentlicher Debatten. Gegner und Kritiker der Machteliten werden attackiert und ausgegrenzt – während regierungsnahe Medien ihre Nähe zu den Mächtigen kaum noch kaschieren. Beim Kampf gegen Oppositionelle kommen auch verschiedene psychologische Techniken zum Einsatz, welche schon das DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS, Stasi) im Rahmen seiner „Zersetzungsmaßnahmen“ verwendete. Daher lohnt ein Rückblick.

Im Januar 1976 trat die Stasi-Richtlinie Nr. 1/76 zur Entwick­lung und Bearbeitung Operativer Vorgänge (OV) in Kraft. Darin war akribisch aufgelistet, mit welchen psychologischen Tricks Dissidenten und Oppositionelle kaltgestellt oder zumindest aus der Bahn geworfen werden sollten. Glücklicherweise verschwand die Institution Stasi 1990 im Orkus der Geschichte. Ihr Geist scheint jedoch weiterzuleben, wie vor allem der heutige Umgang mit dem politischen Gegner auf der rechten Seite des Meinungsspektrums zeigt. Manchmal drängt sich sogar der Eindruck auf, dass die Streiter für „Toleranz“ und „Offenheit“ die Mielke-Fibel aus der Zeit des Kalten Krieges zur ausdrücklichen Richtschnur ihres Handelns gemacht haben.

Die Ausgrenzung beziehungsweise Ausschaltung von Personen mit der „falschen“ Gesinnung wird heute ähnlich wie in der DDR durch die Verwendung von Denunziations- und Diffamierungsfloskeln sowie Anheftung negativer Etiketten eingeleitet. Was im Honecker-Staat die „feindlich-negativen Kräfte“ oder „Feinde der Arbeiterklasse“ waren, das sind nunmehr die „Populisten“, „Verschwörungstheoretiker“, „Ewiggestrigen“ und „geistigen Brandstifter“. Legitime Kritik wird, wenn sie von dieser Seite kommt, sehr schnell als „Hassrede“, „Hetze“ oder „Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas“ hingestellt. Allerdings lässt sich der politische Gegner so nicht vollkommen mundtot machen. 

Das gilt insbesondere für die Fälle, wo die „Rechten“ Themen von erheblicher Brisanz aufgreifen. Da helfen dann zunächst zwei Techniken: die drastische Verengung des Debatten-Raums mittels Druck oder Manipulation und das dreiste Kleinreden von Problemen, die jedermann ins Auge stechen, durch tatsächliche oder vermeintliche Experten auf der Basis manipulierter Statistiken und Meinungsumfragen. Natürlich immer begleitet vom Trommelfeuer der regierungsnahen Medien, welche die „korrekte“ Denkweise vorgeben und zugleich eine Nebelkerze nach der anderen zünden, um von den heiklen Sachverhalten abzulenken. 

Sollte dies nicht ausreichen, dann schlägt die Stunde der gröberen Instrumente: Dazu zählt das Lächerlichmachen aufgrund von körperlichen Äußerlichkeiten oder gar gesundheitlichen Handicaps. Ebenso infam ist die gezielte Skandalisierung von Bagatellen, wobei die Medien wiederum willfährig assistieren, indem sie bei regierungskritischen Personen sehr viel strengere Maßstäbe anlegen als bei Vertretern des politischen Establishments.

Eine weitere, auch heute angewendete Zersetzungstechnik aus der Werkstatt der sogenannten „Operativen Psychologie“ des MfS wurde in der Stasi-Richtlinie von 1976 folgendermaßen beschrieben: „Systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Pre­stiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer und diskreditierender, sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben“, gerne auch unter „Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe“, „kompromittierender Fotos“ oder „gezielter Indiskretionen“. Präziser kann man den derzeitigen Umgang mit AfD-Politikern, Pegida-Aktivisten und anderen politischen Parias wohl kaum beschreiben. Dabei stellt sich die Frage, ob die Parallelen zwischen der Zeit bis 1989 und der Lage von 2019 nur aus der vergleichbar starken Bedrängnis der Herrschenden resultieren, oder ob nicht vielleicht auch manche der Zersetzungsexperten von einst nun im Dienst des früheren „Klassenfeindes“ die Strippen ziehen.  

Was heutzutage ebenfalls fast immer spürbare Wirkung entfaltet, sind Boykottaufrufe – man denke da nur an die Kampagnen gegen missliebige Autoren wie Akif Pirinçci. Die Stasi sprach hier seinerzeit von „systematischer Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge“. Zusätzlich besteht nun durch das Internet die Möglichkeit, den politischen Gegner an einen virtuellen Pranger zu stellen. Egal, wie absurd die Anwürfe sein mögen, welche die Empörungswelle – auf neudeutsch „Shitstorm“ – ausgelöst haben: Irgendetwas bleibt immer im Hinterkopf des mehr oder weniger naiven Normalbürgers hängen.

Der Zweck solcher Aktionen ist die soziale Vernichtung des Gegners. Eine Rufschädigung führt ja meistens auch zu materiellen Schäden und damit unter Umständen zum Wegbrechen der Existenzgrundlage. Außerdem wird das Selbstvertrauen des Opfers der Zersetzungsmaßnahme unterminiert. Und wenn nicht Einzelpersonen, sondern Gruppierungen das Ziel der Angriffe darstellen, dann kommt die Zerstörung des Gruppenzusammenhalts hinzu – auch dies hatte die Stasi schon 1976 als erfolgversprechende Vorgehensweise bezeichnet: 

Zur Zersetzung gehöre ebenso das „Erzeugen bzw. Ausnutzen und Verstärken von Rivalitäten innerhalb von Gruppen, Gruppierungen und Organisationen durch zielgerichtete Ausnutzung persönlicher Schwächen einzelner Mitglieder“. Parallel zu alldem wird noch versucht, dem politischen Gegner alle Möglichkeiten zu verwehren, sich öffentlich zu artikulieren: „Extremisten keine Bühne bieten“, heißt das in der Sprache des 21. Jahrhunderts.

Die Krone des Ganzen stellt freilich die Pathologisierung und Kriminalisierung von Andersdenkenden dar. Entweder durch mit Aplomb vorgetragene psychiatrische Ferndiagnosen oder durch die Instrumente des deutschen Strafrechts. Dazu gehören insbesondere die Gummi-Paragrafen 90, 90a und 90b (Verunglimpfung des Bundespräsidenten beziehungsweise des Staates und seiner Symbole sowie Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen), 95 und 97 (Offenbaren beziehungsweise Preisgeben von Staatsgeheimnissen), 103 (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten) und 130 (Volksverhetzung).

Wem das alles nicht ausreicht, der kann zusätzlich den quasiphilosophischen oder quasireligiösen Pfad beschreiten und seinem Gegner unterstellen, er verkörpere das Böse schlechthin. Damit erübrigt sich logischerweise jede weitere Argumentation.

Der Einsatz dieser Zersetzungstechniken führt bei den Opfern vielfach zu Angst und geistiger Lähmung oder verursacht zumindest starke Motivationsverluste. Daraus resultiert der teilweise oder vollständige Rückzug aus der Politik – vor allem, wenn keine Solidarisierungseffekte eintreten, weil die Angreifer erfolgreich zu suggerieren vermochten, der Betreffende trage selbst Schuld an dem Ganzen. Gelegentlich kommt es aber auch zu aggressiven Ausbrüchen. Wie der ehemalige Mitarbeiter des US-Geheimdienstes CIA und Psychiater Marc Sagemann in einer breit angelegten empirischen Studie nachwies, münden gesellschaftliche Isolierung und bewusst verweigerter Respekt überdurchschnittlich häufig in aggressive Handlungen.

Und die spielen dann natürlich jenen in die Hände, welche den Dissidenten oder Oppositionellen mittels diverser psychologischer Zersetzungstechniken in die Ecke gedrängt haben: Nun können sie genüsslich zuschauen, wie sich die Sicherheitsorgane des „wehrhaften Staates“ auf den nervlich zerrütteten Systemkritiker stürzen und er den endgültigen sozialen oder gar physischen Tod stirbt.