28.03.2024

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01.11.19 / Nur noch auf dem Papier / In der Praxis verlieren die Bundesländer immer mehr an Bedeutung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-19 vom 01. November 2019

Nur noch auf dem Papier
In der Praxis verlieren die Bundesländer immer mehr an Bedeutung
Dirk Pelster

Das Verhältnis der Deutschen zum Föderalismus der Bundesrepublik ist zwiespältig. Grundsätzlich scheint er bejaht zu werden, aber spätestens, wenn die eigene Familie Leidtragende des Diktums „Vater versetzt, Kind sitzen geblieben“ wird, stellt sich schnell Unverständnis ein. 

Die große Sehnsucht nach Gleichbehandlung wird in Deutschland auch an die bundesstaatliche Ordnung herangetragen. In der Bundesrepublik ist dem Bedürfnis nach einer flächendeckenden Rechtsgleichheit bereits weitgehend Rechnung getragen worden. Das Grundgesetz verlangt nach der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, und die Gestaltungsspielräume der Bun-desländer wurden in den letzten Jahrzehnten massiv eingeschränkt. 

In der Theorie liegt die originäre Gesetzgebungszuständigkeit nach wie vor bei den Gliedstaaten, und der Bund sollte ursprünglich nur bei elementaren Fragen wie der Landesverteidigung, der Erhebung von Zöllen oder bei Währungsangelegenheiten die alleinige Zuständigkeit besitzen. Das Grundgesetz sieht neben dieser alleinigen Zuständigkeit des Gesamtstaates eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz vor. Danach können die Länder eine Rechtsmaterie im Alleingang regeln, wenn der Bund dies noch nicht getan hat. Heute gibt es jedoch nur noch wenige Lücken, die noch nicht durch bun-deseinheitliche Gesetze geschlossen wurden. 

Immer dann, wenn sich in der Geschichte der Bundesrepublik neue bedeutende politische Fragestellungen wie etwa der Bau von Atomkraftanlagen oder der Schutz der Umwelt auftaten, zog der Bund die Gesetzgebungskompetenz an sich. Die Überlagerung des deutschen Rechts durch Normen der EU tat ihr Übriges, denn in Brüssel verhandelt man weniger mit Düsseldorf oder Erfurt als direkt mit der Bundesregierung in Berlin. 

Aber auch dort, wo noch Spielräume vorhanden sind, werden diese von Landespolitikern kaum für die Erzeugung von Rechtsungleichheit benutzt. Viele Gesetze und Verwaltungsvorschriften der Länder gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Auf den regelmäßigen Fachkonferenzen der Landesminister werden Mustergesetze erarbeitet, die man den jeweiligen Landtagen dann zur Übernahme empfiehlt. Die Gliedstaaten und die Kommunen dienen überwiegend zur Exekution des Bundesrechts, denn der Bund selbst unterhält nur eine kleine Verwaltung und keine erstinstanzlichen Gerichte. 

Eine wesentliche politische Bedeutung haben die Länder im Wesentlichen nur insoweit, als ihre Regierungen über den Bundesrat an den Entscheidungen des Gesamtstaates beteiligt werden. Ansonsten dient die Landesebene überwiegend als Versorgungsstation und Experimentierfeld für die zweite Garnitur der Parteien.

Dies müsste indes nicht sein. In der Politikwissenschaft wurde bereits um die Jahrtausendwende über die Vorteile des Modells eines sogenannten Wettbewerbsföderalismus diskutiert. Danach sollten den Gliedern eines Bundesstaates möglichst weitgehende Entscheidungsspielräume eröffnet werden, um so eine gewisse Konkurrenz im Ringen um bessere politische Lösungen unter Berücksichtigung regionaler Belange gewährleisten zu können. In der bescheiden ausgefallenen Föderalismusreform von 2006 wurden einzelne Impulse aus der akademischen Diskussion aufgenommen, aber zwi-schenzeitlich bereits teilweise wieder kassiert. Ein leistungsfähiger und dem Leitgedanken der Subsidiarität verpflichteter Bun-desstaat existiert in Deutschland heute nur noch auf dem Papier.