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01.11.19 / Tsunami an Gewalt / Im Kampf um die Unabhängigkeit erlebt Katalonien seit Wochen die schlimmsten Krawalle seit Langem

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-19 vom 01. November 2019

Tsunami an Gewalt
Im Kampf um die Unabhängigkeit erlebt Katalonien seit Wochen die schlimmsten Krawalle seit Langem
Markus Matthes

Katalanische Separatisten verursachten in Barcelona seit Oktober eine Riesenwelle der Gewalt. Zur politischen Lösung mit der spanischen Zentralregierung in Madrid dürfte diese Krawallorgie wenig beitragen.

Die Urteile des Obersten Spanischen Gerichtshofes vom 14. Ok­tober 2019 gegen die zwölf wegen der illegalen Unabhängigkeitserklärung Kataloniens am 1. Okto­ber 2017 angeklagten Separatisten blieben weit hinter den geforderten Haftstrafen zurück. Die Richter in Madrid gingen letztendlich nicht wie die Staatsanwaltschaft von einem „Staatsstreich“ aus und erkannten lediglich auf „Aufruhr“ und/oder „Veruntreuung von öffentlichen Geldern“ statt „Rebellion“ sowie auf „Widerstand gegen die Staatsgewalt“. 

Trotz dieser Geste des guten Willens seitens der Judikative und obwohl bereits der offene Strafvollzug für die von Sympathisanten als „politische Gefangene“ bezeichneten Akteure im Gespräch ist, riegelten Unterstützer der Abspaltung von Spanien noch am gleichen Tag den Zugang zum Internationalen Flughafen El Prat stundenlang ab. Hunderte gestrandete Passagiere mussten aufgrund der abgesagten Flüge dort behelfsmäßig übernachten. 

Der Hochgeschwindigkeitszug AVE fiel am 15. Oktober auf der Strecke zur französischen Grenze durch Sabotage zeitweise aus. Ebenso war die Küstenautobahn AP-7 südlich von Barcelona blockiert. Von den 2017 zur Zeit des Referendums über eine Loslösung entstandenen „Komitees zum Schutz der (katalanischen) Republik“ setzten sich am Morgen des 16. Oktober fünf sogenannte Freiheitsmärsche aus den vier Provinzen Barcelona, Gerona, Lérida und Tarragona in Richtung der katalanischen Hauptstadt in Bewegung. 

Nach drei Tagen nächtlicher Randale mit Dutzenden Verletzten und Festgenommenen schob der selbst an Straßenblockaden teilnehmende Regionalpräsident Quim Torra am 17. Oktober die Schuld dafür „infiltrierten Agenten“ in die Schuhe. Zwar hatte der sofort von der linken Gewerkschaft CSC ausgerufene Generalstreik zunächst lediglich bei Mitarbeitern der autonomen Institutionen und im Erziehungswesen gewisse Resonanz gefunden, doch demonstrierten am 18. Oktober in Barcelona 525000 Menschen gegen angeblich ungerechte und antidemokratische Haftstrafen. 

Wenige Stunden nachdem der spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska betont hatte, dass ein Besuch dort problemlos  möglich sei, eskalierten die bür­gerkriegs­ähnlichen Zustände bereits tagsüber weiter. Nachts wurden Polizisten aus der Region und ganz Spanien mit Kettensägen, Schaufeln und Äxten angegriffen, mit Pflastersteinen, Gasflaschen, und Kugellagern beworfen. Chaoten versuchten zudem, einen Hubschrauber der Ordnungskräfte mit Pyrotechnik zum Absturz zu bringen und die Benzinleitung eines Einsatzwagens anzusägen.

Trotz der Verhaftung mehrerer Bombenbauer im Vorfeld wurde ein selbstgemachter Sprengsatz sichergestellt. Es kam zu Plünderungen von Geschäften im Stadtzentrum, in dem eingeschlagene Schaufensterscheiben, verwüstete Terrassen der Gastronomiebetriebe, Barrikaden aus Blumenkübeln und brennende Müllcontainer, welche die Anwohner zum Teil selber löschen mussten, das Bild prägten. 

Mehrere Hotels sahen sich gezwungen, ihre Zugänge mit Me­tallplatten zu sichern. Zahllose Gäste aus dem In- und Ausland stornierten ihre Buchungen ganz oder quartierten sich in die sicheren Außenbezirke ein. Die provisorisch ermittelten Schäden beliefen sich nach einer Woche auf über drei Millionen Euro. Einige Straßen in der Innenstadt blieben tagelang abgeriegelt. 

Die Aktionen werden von der vermutlich diesen Sommer in Genf von separatistischen Politikern, darunter dem im belgischen Waterloo im Exil lebenden Unabhängigkeitsführer Carles Puigdemont, gegründeten anonymen Plattform „Demokratischer Tsunami“ koordiniert. So auch der Sitzstreik vor dem Sitz der Zentralregierung in Katalonien. 

Der eigentlich auf Ausgleich bedachte spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez weigerte sich, Anrufe vom Regionalpräsidenten Torra entgegenzunehmen, ehe dieser nicht ohne Wenn und Aber die extreme Gewalt seiner Gefolgsleute verurteilt. Als der Regierungschef unter starken Sicherheitsvorkehrungen verletzte Polizisten in einem Krankenhaus in Barcelona besuchte, wurde er von Teilen des Personals übel beschimpft. Alle Polizeigewerkschaften kritisierten dagegen das zögerliche Vorgehen der politischen Führung. Da Verstärkung zu spät eintraf, konnten Randalierer gar das Polizeipräsidium umzingeln. 

Die allgemeine Lage beruhigt sich langsam, doch selbst die Kirche traute dem Frieden nicht: Am 26. Oktober blieb die weltberühmte Kirche Sagrada Familia von Gaudí aufgrund der angekündigten nächsten großen Demonstration der Sezessionisten geschlossen.