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01.11.19 / Ein Gigant wird gejagt / Das Schlachtschiff, das nicht eine Schlacht schlug: die »Tirpitz«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-19 vom 01. November 2019

Ein Gigant wird gejagt
Das Schlachtschiff, das nicht eine Schlacht schlug: die »Tirpitz«
Klaus J. Groth

Als britische „Lancaster“-Bomber am 12. November 1944 das Schlachtschiff „Tirpitz“ versenkten, da kenterte Europas größte schwimmende Festung ihrer Zeit, ohne jemals an einer Seeschlacht teilgenommen zu haben. 1204 Seeleute kamen bei dem letzten Angriff ums Leben, 809 überlebten.

 Der Bau des damals größten Schlachtschiffes der Welt begann im November 1936 auf der Kriegsmarinewerft in Wilhelmshaven. An dem Schwesterschiff, der „Bismarck“, wurde in Hamburg bei Blohm & Voss bereits seit Monaten gearbeitet. Die Grundentwürfe beider Schiffe glichen sich. Nie wieder wurde in Europa ein Schlachtschiff gebaut, das größer war als die „Tirpitz“. 

Der Stapellauf der „Tirpitz“ erfolgte am 1. April 1939. Adolf Hitler war anwesend, Taufpatin war Ilse von Hassell, Tochter des Marinestaatssekretärs und Großadmirals Alfred von Tirpitz. Als Staatssekretär im Reichsmarineamt hatte er den Reichstag 1898 überzeugt, unglaubliche Mittel für den Bau einer Flotte bereitzustellen. Er argumentierte: „Das Zusammenballen von Riesennationen Panamerika, Great Britain, das Slawentum und möglicherweise der mongolischen Rasse mit Japan an der Spitze werden Deutschland im kommenden Jahrhundert vernichten oder doch ganz zurückdrängen, wenn Deutschland nicht eine politische Macht auch über die Grenzen des europäischen Kontinents wird. Die unerlässliche Grundlage hierfür – ist eine Flotte.“ Ein Schlachtschiff vom gewaltigen Format der „Tirpitz“ entsprach dieser Argumentation.

Die Bedrohung, die von dem Koloss ausging, war zugleich sein Verhängnis. Vom Beginn des Krieges an machten die Briten Jagd auf die „Tirpitz“. Wiederholt griffen sie die Werft in Wilhelmshaven an. Dadurch konnte die „Tirpitz“ erst am 25. Februar 1941 abgeliefert werden.

Ab Sommer 1941 war sie einsatzbereit. In der Annahme, die Briten planten eine Invasion in Norwegen, wurde die „Tirpitz“ dorthin verlegt. Von dort unternahm sie Feindfahrten gegen britische Geleitzüge, die stark bewacht Waffen in die Sowjetunion bringen sollten. Nicht jedes Störmanöver war erfolgreich. Entweder konnten die Verbände nicht entdeckt werden oder sie lösten sich auf, sobald die „Tirpitz“ und ihre Begleiter sie aufgespürt hatten. In der Summe aber waren die Einsätze erfolgreich. Nachdem im Dezember 1943 die „Scharnhorst“ bei einem Seegefecht vor dem Nordkap versenkt worden war, endeten für die „Tirpitz“ die operativen Fahrten.

Großbritanniens Premier Winston Churchill bezeichnete die Versenkung der „Tirpitz“ als vorrangige Aufgabe der Royal Navy. Wiederholte Angriffe aus der Luft blieben wirkungslos, die Panzerung war zu stark. Zudem schützten das Schiff mehrfache Absicherungen. Eine doppelte Barriere aus Torpedosperrnetzen gehörte ebenso dazu wie 17 Flakstellungen, die den Himmel sicherten, und acht „Rauchschiffe“, die sie einnebeln konnten. Bei den „Rauchschiffen“ handelte es sich um alte, überwiegend requirierte Schiffe, deren Maschinen auf möglichst schlechte Verbrennung eingestellt waren. Aus deren Schornsteinen quoll ein dichter Qualmvorhang, der einen gezielten Abwurf verhinderte.

Den ersten großen Angriff startete die Royal Navy in der Nacht vom 30. auf den 31. März 1942. Dabei setzte sie 34 „Halifax“-Bomber ein. Doch die 2000-Pfund-Bomben verfehlten allesamt ihr Ziel. Die Briten änderten die Taktik. Wenn der Koloss nicht mit Bomben auszuschalten war, musste man ihm seine Bewegungsfähigkeit nehmen. Als im April ein neuer Angriff geflogen wurde, sollten die „Halifax“-Bomber mit 1000-Pfund-Minen den Fjord absperren. Das war nur im Tiefflug 50 Meter über der Wasseroberfläche möglich. Fünf der 40 „Halifax“ kehrten nicht zurück.

Die Briten versuchten es mit getarnten Aktionen. Die Deutschen entdeckten einen Fischkutter, der gesunken im Trondheimfjord lag. Da dieser Fjord zugleich Zugang zum Faettenfjord war, in dem die „Tirpitz“ lag, sah man sich den Kutter genauer an. Dabei stellte man fest, dass er an Außenleinen zwei Torpedos geschleppt und bei einem Unwetter verloren hatte. Die britisch-norwegische Besatzung hatte den Kutter versenkt. 

Einen neuen Versuch unternahmen im September 1943 drei britische Kleinst-U-Boote im Kae­fjord, in den die „Tirpitz“ inzwischen gewechselt hatte. Zwei von ihnen gelang es, zwei Tonnen schwere Minen mit Zeitzünder unter dem Schlachtschiff in Position zu bringen. Dabei wurden die Boote entdeckt, die Besatzung gefangen genommen. Doch die Zeit bis zur Explosion war zu kurz, um den Liegeplatz zu wechseln. Die Detonation der Seeminen verursachte im Schiff schwere Schäden, die „Tirpitz“ war für ein halbes Jahr außer Gefecht. 400 Werftarbeiter aus Deutschland machten sie wieder einsatzfähig.

Zur Vorbereitung der Invasion in der Normandie 1944 wurden die Angriffe auf die „Tirpitz“ verstärkt, das Schlachtschiff sollte keine Möglichkeit haben, in die Kämpfe einzugreifen. Fünf Flugzeugträger tauchten vor der norwegischen Küste auf. Die ab dem 3. April 1944 gestarteten und bis zum August wiederholten Luftangriffe richteten an dem Schiff kaum Schaden an, aber die Zahl der Toten und Verwundeten war mit 400 Marinesoldaten hoch. 

Ab September starteten „Lancaster“-Bomber in der Nähe von Archangelsk. An Bord hatten sie sogenannte „Tallboys“, Bomben, die zum Zerstören fünf Meter dicker Betondecken entwickelt worden waren. 24 „Tallboys“ wurden abgeworfen. Dennoch gelang es nicht, das Schiff zu versenken. Das Feuer der Flak war stark, die Nebelwerfer effektiv. Es gab nur einen Treffer, der aber war schwerwiegend. Er durchschlug das Vorschiff und detonierte außerhalb des Schiffes. Die „Tirpitz“ war nicht mehr seefähig.

Nach einer Notreparatur wurde das Schiff nach Tromsö verlegt, die letzte Station des Giganten. Dieses Ziel war für die Royal Air Force von Schottland aus erreichbar. Sie griff am 12. November 1944 mit 32 Lancaster-Bombern an. Und hatte ideale Bedingungen: klares Wetter, keine Nebelwerfer, keine Abfangjäger. Zwei „Tallboy“-Bomben trafen schwer. Nach einer Explosion kam der Befehl „Alle Mann von Bord“. Die „Tirpitz“ neigte sich zur Seite und kenterte.