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01.11.19 / Für Polen gestorben – vom Kattowitzer IPN saniert / Öffentlicher Aufruf zur Gräbersuche des Kattowitzer Institutes für Nationales Gedenken (IPN)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-19 vom 01. November 2019

Für Polen gestorben – vom Kattowitzer IPN saniert
Öffentlicher Aufruf zur Gräbersuche des Kattowitzer Institutes für Nationales Gedenken (IPN)
Chris W. Wagner

Das für die Woiwodschaften (Ostober-)Schlesien und Oppeln regional zuständige Kattowitzer Institut für Nationales Gedenken (IPN) möchte eine Übersicht über Gräber der Aufständischen nach dem Ersten Weltkrieg erstellen, um die Gräber der propolnischen Aufständischen zu sanieren. Ein Aufruf zur Mithilfe bei der Findung solcher Grabstätten in Oberschlesien wurde sowohl in überregionalen Medien als auch ab dem 27. Ok-tober in Gottesdiensten in Oberschlesien verlesen. Gesucht werden auch Gräber von Aufständischen, die nach 1921, also nach den Kämpfen starben. Die Aktion des IPN heißt „Aufständische sind Glaube, Hoffnung und Wunder – wir bewahren die Gräber schlesischer Aufständischer vor dem Vergessen” und soll bis 2022 andauern.

„Bislang sind uns 147 Grabstätten von Aufständischen bekannt, es ist erschreckend wenig, wenn man dies mit den 2700 (AdR.: nur polnischen) Gefallenen der Aufstände vergleicht oder mit den etwa 60000 (AdR.: Polen), die daran teilgenommen haben“, sagte Jan Kwasniewicz, Leiter des IPN im Radio Kattowitz. Besonders wichtig ist für Kwasniewicz, die vernachlässigten Gräber auf Friedhöfen zu lokalisieren, denn diese verschwänden immer häufiger aus der Öffentlichkeit: „Die Gräber werden vergessen, oft abgeschafft, viele wuchern zu. Wir verlieren Informationen über den Gefallenen oder würdigen ihn nicht mehr auf angemessene Weise.“ Dass so wenig über die Gräber der Aufständischen bekannt ist, liegt seines Erachtens daran, dass bereits viele Grabstätten eingeebnet worden seien oder die Grabstätten einfach keine Hinweise auf den Umstand enthielten, dass hier ein Aufständischer ruhe. 2018 sind fünf nach diesem Verständnis vernachlässigte Gräber polnischer Aufständischer in Königshütte [Chorzow] durch das IPN saniert worden.

Nun stellt sich die Frage, warum Gräber der Helden polnischer Aufstände nicht gepflegt werden und in Vergessenheit geraten? Sind nicht etwa die Nachkommen, wie man in Oberschlesien oft sarkastisch sagt, nach Deutschland ausgesiedelt? Sind die großen Gesten und Gedenkfeierlichkeiten zu 100 Jahren Aufstand in Oberschlesien am Ende nur aufgesetzt und die Erinnerung an die großen polnischen Helden in der oberschlesischen Bevölkerung doch nicht so wach, wie in Warschau angenommen?

„Man muss bedenken, dass die Aufstände Ausdruck einer starken propolnischen Einstellung eines großen Teils Oberschlesiens nach dem Ersten Weltkrieg waren, das Plebiszit vom März 1921 hat die polnische Seite jedoch verloren. Im Plebiszit über die Staatszugehörigkeit haben 60 Prozent der Bürger für den Verbleib bei Deutschland plädiert, obwohl die Verwaltung in der Region nicht eine deutsche, sondern die der Interalliierten Regierungs- und Plebiszitskommission für Oberschlesien (IK) war. Diese bestand aus Vertretern Italiens, Frankreichs und Großbritanniens. Die Plebiszitsregion wurde durch ein Militär der Verbündeten okkupiert“, so Sebastian Rosenbaum vom IPN gegenüber dem Geschichtsportal dzieje.pl. Der 1974 in Broslawitz [Zbroslawice] geborene Historiker ist Autor zahlreicher Publikationen zur Geschichte Oberschlesiens. Auch er stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Aufstände in der gesamtpolnischen Gedächtniskultur und stellt fest, dass – auch wenn die Aufstände stets als Freiheitskampf, Kampf gegen eine Germanisierung, als Kampf fürs Polentum und die polnische Kultur bezeichnet wurden – diese dennoch eine weit geringere Rolle als beispielsweise der Posener Aufstand (27. Dezember 1918 bis zum 

16. Februar 1919) spielen. In diesem militärischen Aufstand kämpften Polen für eine Angliederung der Provinz Posen an den wiedererstandenen polnischen Staat.

„Die Schlesischen Aufstände haben zwar in der Region eine starke Resonanz, aber aus zentraler Perspektive spielen sie eine untergeordnete Rolle. Das ist möglicherweise auf die regionale Eigenart Oberschlesiens zurück-zuführen. Einerseits war Oberschlesien immer schon aus wirtschaftlichen Gründen für Polen wichtig, andererseits war die Region durch ihre nationale, sprachliche und kulturelle Besonderheit kompliziert.“ 

Rosenbaum bedauert, dass sich Wissenschaftler nach der politischen „Wende“ dieser Thematik nur im begrenzten Maße widmeten und das Feld der Publizistik überließen. Diese hätte sich zwar dem Thema aus unterschiedlicher Sichtweise angenähert und von den Aufständen als Bürgerkrieg, polnischer Intervention in Oberschlesien oder gar von einem verkappten polnisch-deutschen Krieg gesprochen, doch: „Man baute eine Narration auf, die völlig anders als die der Volksrepublik war. Sie basierte jedoch auf einer schwachen Forschungsreflexion“, so Rosenbaum.