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01.11.19 / Charme einer alten Diva / Vor 500 Jahren wurde Havanna gegründet – Kubas Hauptstadt hat zum Jubiläum den Staub der Revolution abgeschüttelt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-19 vom 01. November 2019

Charme einer alten Diva
Vor 500 Jahren wurde Havanna gegründet – Kubas Hauptstadt hat zum Jubiläum den Staub der Revolution abgeschüttelt
Armin Neusius

„Havanna, sollten meine Augen dich jemals verlassen, / sollte mich das Leben in eine entfernte Ecke der Erde verbannen, / so schwör ich dir, ich werde sterben vor Heimweh und dem unstillbaren Wunsch nach deinen Straßen, deinen Vierteln.“

Dies ist eine Strophe des wohl bekanntesten Liedes des kubanischen Sängers Gerado Alfonso über Havanna. Jeder, der einmal die Stadt besucht hat, kann ihn verstehen und ihm nachfühlen.

Die Geschichte und die Entstehung der Stadt beginnt am Pavillon „El Templete“.

Hier am Hafenbereich soll an­geblich im November 1519, also vor 500 Jahren, die Stadt Havanna gegründet worden sein. Vor dem Pavillon steht der bekannte Ka­pokbaum. Touristen umrunden diesen Baum täglich, werfen kleine Münzen auf den Boden, und wenn sie in Gedanken einen Wunsch äußern, soll dieser – der Sage nach – in Erfüllung gehen. 

Auch die Einheimischen frönen diesem Ritual. Allerdings am Vorabend des 16. November, denn dieser Tag zählt seit dem 18. Jahrhundert als Gründungstag. In früheren Zeiten umrundeten sie den Baum dreimal, baten um Erfüllung dreier Wünsche und warfen Münzen über die linke Schulter. Anschließend gingen sie zur Kirche, klopften dreimal an die Tür, traten ein und betrachteten das Bild des Heiligen Christopherus. 

Im Inneren des Pavillons kann man drei Gemälde bewundern. Eines davon zeigt die erste Messe, die in Havanna gehalten wurde, ebenso die erste Stadtratsversammlung. Neben dem Tempel steht eine Säule, die zu Ehren der Stadtgründer errichtet wurde.

1592 erhielt Havanna die Stadtrechte und wurde im Jahre 1607 zur Hauptstadt Kubas erklärt, was der damaligen Hauptstadt Santiago de Cuba gar nicht gefiel. Außer den Spaniern versuchten auch die Holländer und Engländer die Stadt einzunehmen. Die Stadt wird oft verglichen mit einem verarmten Aristokraten, einer edlen Gestalt in abgetragenen Kleidern. Sie ist mit über zwei Millionen Einwohnern die größte Metropole in der Karibik, und die historische Altstadt ist anerkannt als Weltkulturerbe der UNESCO.

Seit mehr als 20 Jahren kümmert sich der Stadthistoriker mit deutschen Wurzeln, Eusebio Leal Spengler, um deren Restaurierung. Er ist einer der zehn mächtigsten Männer in Kuba und ge­hört zu der oberen Führungsriege. Sein Büro, ein altes Palais, ist die Zentrale, in der an dem Mammutprojekt der Renovierung der Altstadt gearbeitet wird. 

Fast 1000 Gebäude sind als „historisch“ eingestuft. In der Altstadt selbst stehen fast 4000 Gebäude. Mit einem Startkapital von einer Million US-Dollar be­gann er – als Leiter des Stadtbüros des Stadthistorikers – mit den kolossalen Renovierungsarbeiten. Er gründete „Habaguanex“, eine Aktiengesellschaft, die den Zerfall Havannas aufhalten sollte. Diese AG besteht aus unzähligen Firmen, in denen die Touristen mit ihren Devisen einkaufen. Das Geniale daran: Die Verkäufer und auch teilweise die Waren werden in kubanischen Pesos bezahlt. Und so macht „Habaguanex“ – übrigens der Name eines Ureinwohners, der sich den Spaniern entgegenstellte – riesige Gewinne.

Mit diesem Geld wird nicht nur vieles im sozialen Bereich getan, sondern hauptsächlich die Altstadt renoviert. Dies war auch dringend notwendig, denn die Stadt war dem Verfall preisgegeben. Einige hundert Millionen Dollar sind es bis jetzt dank des boomenden Tourismus geworden. 

Mit diesem Geld wurden bisher rund 20 Projekte abgeschlossen, darunter ist das bekannte Marti Theater, das rund 37 Jahre ge­schlossen war. Auch Sloppy Joe’s Bar, bekannt durch Graham 

Greenes Spionageroman „Unser Mann in Havanna“, wurde vollständig renoviert und ist seit wenigen Jahren wieder geöffnet. Eine Bar, die in jeder Großstadt dieser Welt stehen könnte.

Die Plaza Vieja – der alte Platz – strahlt in vollem Glanze. Eine absolute Meisterleistung, die hier vollbracht wurde. Erwähnenswert scheint, dass die Anwohner während der Bauphase umgesiedelt wurden. Sie konnten aber nach den Restaurierungen ihre Wohnungen wieder kostenlos beziehen. Die Vieja ist einer der schönsten Plätze in Havanna. Auch die ehemaligen Holz- und Tabakwarenhallen am Hafen, in denen nun eine Brauerei beherbergt ist, sind eine Augenweide. Das Kreuzfahrtterminal sowie die Kaimauer San Francis­co sollen noch erneuert werde. Wie dies alles einmal aussehen soll, kann man an Schautafeln auf der Plaza San Francisco sehen.

Seit vier Jahren ist die Renovierung des am Kapitol gelegenen Nationaltheaters abgeschlossen. Dieses große Theater von Havanna beherbergt das einflussreiche kubanische Nationalballett. Di­rekt da­neben befindet sich das mit der Sanierung seit 2018 fertiggestellte Kapitol, in dem bis zum Revolutionsjahr 1959 das Parlament tagte. Auch das Revolutionsmuseum erstrahlt rechtzeitig zum Jubiläumsjahr in neuem Glanz. Vor allem durch den boomenden Kreuzfahrttourismus konnten die notwendigen Investitionsgelder gesammelt werden.

Ein Wahrzeichen der Stadt ist die Wetterfahne auf der Turmspitze des Castillo de la real Fuerza die Giraldilla, bei der es sich angeblich um eine spanische Edelfrau handelt. Die gleiche Skulptur kann man auf einem Turm in der spanischen Stadt Sevilla sehen.

Eines der bedeutendsten Bauwerke ist wohl die Festung Castillo de los Tres Reyes del Morro. Mehr als 40 Jahre dauerte die Fertigstellung. Auch das Kapitol ist eines der schönsten Bauwerke Havannas. Hier beginnt der Kilometer Null des kubanischen Straßennetzes.

Die gesamte Altstadt ist ein großes Freilichtmuseum für Architekturliebhaber. Begeistert ist man heute noch über die faszinierenden Innenhöfe, die jetzt wie damals der Mittelpunkt des Lebens waren.

Auch die Bronzeskulpturen in der Altstadt sind sehenswert. Allen voran die des als Caballero de Paris bekannt gewordenen Vagabunden José Maria López Lledín an der am Kreuzfahrthafen gelegenen Plaza San Francisco de Asis. Jeder Fremdenführer erzählt, dass die Be­rührung des Bartes Glück bringe, und daher ist die Bronzeschicht des Bartes doch schon sehr abgenutzt. López war psychisch erkrankt und soll die Stadt niemals verlassen haben. Die Gebeine des ständig schwarz gekleideten Mannes wurden in der Krypta des Klosters San Francisco de Asis beigesetzt.

Schräg gegenüber sitzt auf einer Bank der polnische Komponist und Pianist Frédéric Chopin. Viele setzen sich dazu und lassen sich mit der Bronzefigur ablichten. Der Mutter Teresa wurde auf der Rück­seite des Klosters ein Denkmal in Form einer Bronzestatur gesetzt. Nicht weit davon, an der Plaza de la Catedral, steht eine Bronzestatur des spanischen Flamencotänzers Antonio Gades, der in Kuba bestattet ist.

Das tropische Klima und das US-Embargo gegen Kuba machen Havanna stark zu schaffen. Die Altstadt mit ihren salpeterzerfressenen Barockfassaden und den vielen bunten Oldtimern, die als Dreckschleudern durch die Gassen knattern, bröckelt daher weiter. Vieles wurde bereits renoviert, vieles bleibt aber noch zu tun oder, wie Eusebio Leal sagt: „Wenn wir sehen, was wir schon geschaffen haben, sehen wir erst, was wir noch tun müssen.“