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01.11.19 / Identitätsstiftende Fundamente erhalten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-19 vom 01. November 2019

Identitätsstiftende Fundamente erhalten

Im Schatten Europas. Ostdeutsche Kultur zwischen Duldung und Vergessen“ lautet der Titel eines Sammelbands mit Artikeln und Essays von Klaus Weigelt, dem Präsidenten der Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa (OKR, bis 2008 Stiftung Ostdeutscher Kulturrat). Der 1941 in Königsberg geborene evangelische Theologe und Wirtschaftswissenschaftler war für die Konrad-Adenauer-Stiftung tätig und ist seit 1983 Vorsitzender der Stadtgemeinschaft Königsberg. 

Die Stiftung versteht sich als Vermittler und Bewahrer des ostdeutschen Kulturerbes mit einem Blick nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch auf die Gegenwart und die Zukunft Deutschlands und Europas. Die bisherige projektbezogene Förderung galt der grenzüberschreitenden Kulturarbeit in Richtung Ost- und Südosteuropa. Ein weiterer Aufgabenbereich ist die Zusammenarbeit mit den östlichen Nachbarn Deutschlands. Durch die „Konzeption 2000“ wurde die Stiftung von den institutionellen Förderungen des Bundes ausgeschlossen. Derzeit ruht die Projektarbeit.

Die in diesem Band zusammengefassten Essays und Artikel wurden aus insgesamt 80 Aufsätzen ausgewählt, die Weigelt innerhalb der letzten acht Jahre in der „Kulturpolitischen Korrespondenz“ (KK) veröffentlicht hat. Seit April dieses Jahres wird die monatlich erscheinende Publikation der Stiftung vom „Deutschen Kulturforum östliches Europa“ in Potsdam unter dem Titel „Kulturkorrespondenz östliches Europa” fortgeführt. Die Texte sind den Rubriken „Geschichte und Kultur“, „Europäische Fragen“, „Im Dienste der Menschheit“, „Königsberger Perspektiven“ und „Europäisches Judentum“ zugeordnet. Es sind im Wesentlichen Betrachtungen über die historischen Fundamente der deutschen Kulturnation, Analysen der Kulturpolitik der Bundesrepublik vor und nach der Vereinigung sowie europäische Fragestellungen. Ein besonderer Komplex betrifft die Erinnerung an das jüdische Leben in Osteuropa.

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen „undurchschaubaren Dimensionen“, etwa durch die Digitalisierung und eine zunehmend gespaltene Gesellschaft, verweist der Autor auf die Notwendigkeit, die identitätsstiftenden Fundamente zu erhalten, auf denen Deutschland und Europa stehen. Mehrfach wird der Vorwurf der Geschichtsvergessenheit staatlicher Kulturpolitik „aus purer Ignoranz“ erhoben. So fänden sich beispielsweise in dem 2018 erschienen Buch „Wachgeküsst. 20 Jahre neue Kulturpolitik des Bundes 1998–2018“ kaum Hinweise auf das reiche ostdeutsche Kulturerbe. Stattdessen fallen in dem kompakten Band zwielichtige Bemerkungen über die Bestrebungen – nicht nur der Heimatvertriebenen – nach der Bewahrung dieses ideellen Erbes, so Weigelt. In den Ländern Osteuropas herrsche demgegenüber längst eine vorurteilsfreiere Sicht auf die geschichtlichen Tatsachen. Zugleich grenzt er sich entschieden von jeglichem Fundamentalismus ab („Gegen Fundamentalismus helfen nur Fundamente“). In dem Beitrag „Was du ererbt, erwirb es – sonst verdirbt es“ weist er jegliche Geschichtsklitterung mit einem Zitat aus dem Europäischen Parlament im Zusammenhang mit der Initiative für das Europäische Jahr des Kul-turerbes 2018 zurück: „Das kulturelle Erbe Europas bildet das Kernstück des kollektiven Gedächtnisses und der Identität der Europäer.“ Der Einzige, der den untergegangenen historischen Kulturraum Mittel- und Osteuropas insgesamt betrachtet habe, sei Timothy Snyder in seinem erschütternden Buch „Bloodlands“ von 2001. Der Autor entwirft ferner Vorschläge für ein zukünftiges „Haus der europäischen Geschichte“ in Brüssel. 

In seinem Nachwort gibt er sich zuversichtlich. Die Zukunft der Stiftung sei gesichert. Er sieht Anzeichen für eine kulturpolitische Wende. Darauf fußt seine Hoffnung auf eine baldige Wiederaufnahme der Kulturförderung gemäß dem Gesetzesauftrag durch Paragraf 96 Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Sein Buch könnte einen Beitrag dazu leisten. D.J.

Klaus Weigelt: „Im Schatten Europas. Ostdeutsche Kultur zwischen Duldung und Vergessen“, Westkreuz-Verlag, Berlin/Bonn 2019, gebunden, 140 Seiten, 19,90 Euro