Die Heimat entwickelt sich im Medium Film zum Dauerbrenner. Der Filmemacher Edgar Reitz hatte mit seiner monumentalen „Heimat“-Saga das Genre einst völlig neu definiert. Auf seinen Spuren wandelt nun der Chinese Wang Xiaoshuai. Der aus Shanghai stammende Regisseur plant eine Heimat-Trilogie, deren erster Teil mit der Empfehlung zweier Silberner Bären für die beiden Hauptdarsteller bei der diesjährigen Berlinale am 14. November in die Kinos kommt.
Unter dem deutschen Titel „Bis dann, mein Sohn“ ist ein dreistündiges Epos zu erleben, von dem man keine Minute verpassen will. Erzählt wird die einen Zeitraum von über 30 Jahren überbrückende Geschichte eines Paares, ihre leidvolle Erfahrung mit der „Ein-Kind-Politik“ im Norden des kommunistischen China, ihre Trauer um ihren in einem Stausee ertrunkenen einzigen Sohn, ihr Schicksal als entlassene Fabrikarbeiter im marktwirtschaftlichen China und ihr Neuanfang mit einem rebellischen Adoptivsohn in einer Hafenstadt im Süden.
Das Raffinierte an dem Film ist die Erzählstruktur. Das Geschehen wird weitgehend in Rückblenden vom Jahr 2011 aus erzählt, wobei auf Einblendungen von Ort und Jahr verzichtet wird. Man muss sich selbst einen Reim auf das chronologische Wirrwarr machen. Als Navigationshilfe dient das sich durch Bauboom und Digitalisierung verjüngende China. Gegenläufig dazu altert das Ehepaar in Würde weiter.
Die leise Transformation der beiden Hauptdarsteller Wang Jingchun als Herr Yaojun und Yong Mei als Frau Liyun von jugendlichen Arbeitern zu älteren Silberlocken, ist tatsächlich meisterlich und preiswürdig. Die jüngere Geschichte Chinas passt dazu als idealer Rahmen für dieses Porträt, bei dem es auch um Vergangenheitsbewältigung geht.
So ist es eine ehrgeizige Verwandte, die als Funktionärin in ihrer Fabrik die „Ein-Kind“-Quote einhalten will und Frau Liyun zur Abtreibung eines zweiten Kindes zwingt. Als danach auch noch der einzige leibliche Sohn des Paares beim Badeunfall stirbt, bei dem der Sohn der Funktionärin eine Mitschuld trägt, herrscht nicht etwa Verbitterung oder gar Rachsucht. Am Ende kommt es zur Versöhnung. Es ist auch eine Versöhnung mit der wenig ruhmvollen Geschichte des eigenen Landes. Das macht diesen Heimatfilm zutiefst menschlich.