19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.11.19 / Plädoyer für eine deutsch-russische Partnerschaft / Fördererkreis Ostpreußisches Jagdmuseum lud ins Landesmuseum zu einem Vortrag Wladimir Gilmanows von der Kant-Universität

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-19 vom 08. November 2019

Plädoyer für eine deutsch-russische Partnerschaft
Fördererkreis Ostpreußisches Jagdmuseum lud ins Landesmuseum zu einem Vortrag Wladimir Gilmanows von der Kant-Universität
Manuel Ruoff

Der Fördererkreis Ostpreußisches Jagdmuseum – Hans-Ludwig Loeffke Gedächtnisvereinigung e.V. hatte einmal wieder nach Lüneburg ins Ostpreußische Landesmuseum geladen, und wieder waren viele dem Ruf gefolgt. Das mit rund 90 Besucherplätzen bestuhlte Foyer war gefüllt, darunter auch viele Mitglieder des gastgebenden Fördererkreises, dessen turnusmäßige Mitgliederversammlung mit dem Rechenschaftsbericht für das abgelaufene Jahr 2018/2019 unmittelbar zuvor ebenfalls in den Räumlichkeiten des Museums stattgefunden hatte. 

Gewohnt groß wie der Zuspruch war auch wieder das Rahmenprogramm. Entsprechend dem Vereinsnamen „Fördererkreis Ostpreußisches Jagdmuseum“ sorgten die Böhmsholzer Jagdhornbläser in gewohnter Manier für einen eindrucks- und stimmungsvollen musikalischen Rahmen. Mit 15 Personen waren sie angerückt, was zu einem vollen Sound führte. Die Stücke und Signale „Fürstengruß“, „Auf, auf zum fröhlichen Jagen“, „Ein Jäger aus Kurpfalz“, „Hubertusmarsch“, „St. Hubertussignal“, „Aufbruch zur Jagd“, „Elch tot“, „Jagd vorbei, Halahi“, „Hegewaldfanfare“, „Deiner Söhne Land im Osten“, „Ännchen von Thaurau“, „Land der dunklen Wälder“ und „Auf Wiedersehen“ standen auf dem Programm. Auf Wunsch des Gastgebers trugen die Bläser zusätzlich noch das „Ostpreußische Reiterlied“ mit der Melodie des Volksliedes „Prinz Eugen, der edle Ritter“ vor.

In ihrer Begrüßung schlug Barbara Loeffke als Vorsitzende des gastgebenden Fördererkreises den Bogen vom Redner dieser Vortragsveranstaltung, dem Germanistikprofessor an der Baltischen Föderalen Immanuel-Kant-Universität Wladimir Gilmanow, zum Hausherren, dem Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums Joachim Mähnert. Letzterer lobte anschließend seine Vorrednerin für die in der Tat emotionale Einführung, um dann in seinen weiteren Ausführungen ein Resümee nach dem ersten Jahr seit der Neueröffnung seines Hauses zu ziehen und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Nicht ohne Freude und mit Dank an sein Team berichtete der gut gelaunt wirkende Museumsdirektor von hohen Besucherzahlen und dem Besuch eines Staatschefs, des lettischen Präsidenten Raimonds Vejonis, im Februar dieses Jahres. Was die Zukunft angeht, verwies er auf etwa 700 Quadratmeter zusätzliche Ausstellungsfläche, vorrangig zur Würdigung des wohl bekanntesten Ostpreußen Immanuel Kant, deren Fertigstellung bis 2024 geplant ist.

Nachdem Loeffkes Stellvertreter Karsten Uffhausen einen Gruß des seit 2009 direkt gewählten christdemokratischen Bundestagsabgeordneten Eckhard Pols ausgerichtet und einen an Loeffke gerichteten Brief des Vorsitzenden der Freunde des Ostpreußischen Landesmuseums, Rolf-Dieter Carl, verlesen hatte, trat der Vortragende dieses Abends zu seinem mit wenigen, aber stimmungsvollen, Bildern unterstützten Referat „Deutschland und Russland: Eine Schicksalsgemeinschaft und die Zukunft“ an das Mikrofon. 

Es gibt eine interessante Parallele zwischen Frankreich und Deutschland. Beide empfinden sich als vergleichsweise rational und vernunftgeleitet, während der große Nachbar im Osten – im Falle Frankreichs die Deutschen, im Falle Deutschlands die Russen – als ungleich stärker von Mystik, Irrationalität und Emotionalität geprägt erscheint, wovon man sich mal angezogen und mal abgestoßen fühlt. Hieran konnten sich deutsche Zuhörer erinnert fühlen, wenn Sie an jenem Oktoberabend im Ostpreußischen Landesmuseum Gilmanows Worten lauschten. In ihnen ging es nämlich weniger um Wissen und harte Fakten als um Glauben und Seele. Bereits im ersten Satz sprach Gilmanow von Russland als einem „geistig-historischen Geheimnis“, bereits im zweiten Satz zitierte er das Bonmot des russischen Dichters und Diplomaten Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew aus dem Jahre 1866: Verstehen kann man Russland nicht, und auch nicht messen mit Verstand. Es hat sein eigenes Gesicht. Nur glauben kann man an das Land. 

Für den Garanten des „Glaubens an die ewigen menschenverbindenden Werte“ hält Gilmanow explizit „vor allem Wladimir Putin“. Es folgte ein Plädoyer für den russischen Staatenlenker, das in seiner Klarheit angesichts des Kampfes gegen Putin (und Russland) in Politik und Leitmedien der Bundesrepublik aufhorchen lässt: „… ihm Arglist, Machtgier, politische Gemeinheit, Heuchelei und so weiter vorzuwerfen, wäre auf keinen Fall realistisch. Er ist ein Mann und ein Politiker einer dramatischen Transformationsepoche der russischen Geschichte mit allem Pro und Contra der russischen Anthropologie. Er ist aber ein Mann des Mutes und der Verantwortung. Er sucht, sein Land lieben zu lernen, was auch in seinem großen Mitleid mit zahlreichen Leidenden zu sehen ist. Er weiß die heutigen Probleme treffend zu benennen – die noch anhaltende technische Rückständigkeit der Industrie, mehrere Beispiele der Willkür und Korruption in der Bürokratie und so weiter. Er sucht eine solidarische, moralisch orientierte Gesellschaft entwickeln zu helfen, auch zum Vorteil des gesamten Europas, dessen Vision – das Europa von der Atlantis bis Wladiwostok – er teilt. Es sei auch betont, dass nach dem Mord des letzten russischen Zaren Nikolaus II. Wladimir Putin der erste russische Leiter in der neusten Staatsgeschichte ist, der ein rechtgläubiger Christ ist … Es lohnt sich auf keinen Fall, den Glauben an Russland aufzugeben ...“

Noch mehr als für Putin warb Gilmanow in seinem Vortrag für eine deutsch-russische Verständigung. Er leidet erkennbar unter der Diskrepanz zwischen dem, was angesichts der von ihm konstatierten „bemerkenswerten existenziellen megahistorischen Wahlverwandtschaft zwischen Deutschen und Russen“ möglich wäre, und dem, was gegenwärtig Realität ist: „Nie in der Nachkriegszeit war das geistig-historische, anders formuliert – das metahistorisch hermeneutische Verhältnis Deutschlands zu Russland so schlecht wie heute.“ 

Bescheiden führte der Russe aus, dass sein Land viel mehr von deutschen Kulturideen beeinflusst gewesen sei als umgekehrt. Aber er ließ doch klar erkennen, auf welcher Seite er primär die Ursache für die Diskrepanz zwischen Möglichem und Status quo sieht: „Wer hat die EU-Idee, wenn schon nicht verraten, dann irregeführt? – Russland, das nach der Rede Wladimir Putins in München 2007 gegen das amerikanische Modell der einpolaren Weltarchitektur zu wirken begann? Oder Deutschland, das allem Anschein nach dieses Modell of the end of history and the last von Francis Fukuyama anzunehmen scheint?“

Das deutsche Publikum dankte dem russischen Gast dessen Plädoyer für eine Verständigung zwischen ihren beiden Nationen an jenem Abend im Museum mit großem, lang anhaltendem Applaus.