25.04.2024

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08.11.19 / Zeitzeugen berichten über ihre Erinnerungen an den Mauerfall

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-19 vom 08. November 2019

Zeitzeugen berichten über ihre Erinnerungen an den Mauerfall
Dagmar Jestrzemski

Der Berliner Mauerfall vor 30 Jahren war ein historischer Moment, der den Menschen in Mitteldeutschland die lang ersehnte Freiheit brachte, für die sie zuletzt mit den groß angelegten Demonstrationen gekämpft hatten. Für alle, die das einschneidende Ereignis bewusst miterlebt haben, sind die Fernsehbilder des 9. und 10. November 1989 nach wie vor präsent, sofern man nicht selbst vor Ort war. Was sich infolge der friedlichen Revolution am Brandenburger Tor abspielte, verbindet sich auch für die Bürger der alten Bundesrepublik mit freudigen Erinnerungen und ist im kollektiven Gedächtnis eingebettet als Endpunkt einer sich dramatisch zuspitzenden Vorgeschichte und Beginn der nun schon 30-jährigen Geschichte des vereinigten Deutschlands. 

Die mehrfach ausgezeichnete Schauspielerin und Regisseurin Freya Klier hat 23 Zeitzeugen aus der DDR und der alten Bundesrepublik nach ihren Erinnerungen an den Mauerfall befragt. Welche Hoffnungen und Ängste hatten die Menschen in dem zerfallenden mitteldeutschen Staat? Welche Änderungen ergaben sich durch den Umbruch für die Berichterstatter und welche Sicht haben sie auf die Entwicklungen im vereinigten Deutschland? Die in ihrer Vielfalt schillernden Erlebnisberichte hat Klier zusammengeführt und als Buch mit dem Titel „Und wo warst du? 30 Jahre Mauerfall“ herausgegeben. Die gebürtige Dresdenerin war als Bürgerrechtlerin selbst Schikanen ausgesetzt, wurde 1988 inhaftiert und schließlich zusammen mit ihrem Ehemann aus der DDR ausgewiesen. 

Vielfach kommt in den Beiträgen die Entfremdung der Menschen in West- und Mitteldeutschland zum Ausdruck. Die meisten Berichterstatter lebten zur Zeit der friedlichen Revolution in der DDR. Einige hatten Fluchtgedanken, andere engagierten sich als Oppositionelle in der Umweltbewegung und im Neuen Forum, wurden schikaniert und inhaftiert. Fast schon unwirklich, gleichsam fiktional, erscheint aus dem zeitlichen Abstand die Kaltschnäuzigkeit, mit der die DDR ihre Bewohner wie eine Verfügungsmasse manipulierte. Unter den Autoren sind nur wenige öffentlich bekannte Personen, darunter der ehemalige thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel. Zu Wort kommen unter anderem Journalisten, Filmschaffende und Schriftsteller, ein Fluchthelfer, ein Aussteiger aus der Neonazi-Szene und eine ehemalige RAF-Terroristin. Die damals in Lübeck wohnende Professorin für Musikpädagogik Gudrun Schmidt-Kärner, Jahrgang 1941, organisierte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Hilfstransporte nach Königsberg [Kaliningrad]. Damit begann eine bis heute währende Zusammenarbeit. 

Uwe Spindeldreier, geboren 1957 in Soest, leitete bis 2018 die Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Bundespresseamt. Er erinnert sich daran, dass es bei den meisten seiner Altersgenossen verpönt war, die Verstöße der SED-Diktatur gegen die Menschenrechte beim Namen zu nennen. Wer anderer Auffassung war, galt als „kalter Krieger“. 

Der 1970 in Burgstädt/Sachsen geborene Schriftsteller und Weltreisende Marko Martin bringt sich mit kritischen Bewertungen des Verhaltens einiger prominenter DDR-Schriftsteller ein und fragt: „Wo waren die Älteren, die in Ostdeutschland den Jüngeren ebenso beigestanden hätten wie in Polen?“ „Ethisch verhunzt“ nennt er jenes rückblickend verklärte bei und der vermeintlichen mitteldeutschen Solidargesellschaft. So bildet das Buch in Teilen durchaus auch ein Meinungsspektrum ab, wenngleich in einem sehr überschaubaren Rahmen.

Freya Klier (Hg.): „Und wo warst du? 30 Jahre Mauerfall“, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2019, gebunden, 270 Seiten, 20 Euro