18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.11.19 / »Indien den Hindus« / Religiöser Fundamentalismus und wirtschaftlicher Liberalismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-19 vom 15. November 2019

»Indien den Hindus«
Religiöser Fundamentalismus und wirtschaftlicher Liberalismus
Bodo Bost

Hindutva heißt die Ideologie der Bharatiya Janata Party (BJP, Indische Volkspartei) von Narendra Modi. Der Kerngedanke lautet: „Indien den Hindus“. Mit ihr will der indische Premier sein Land zu einem globalen Spieler auf dem Weg zur Weltmacht machen. 

Der Staat, den die weltweite Symbolfigur des gewaltfreien Widerstands, Mahatma Gandhi, 1947 gegründet hat und der lange für religiöse Toleranz und politische Offenheit stand, ist heute auf dem Weg zurück zu seinen hindunationalistischen Wurzeln. Dafür steht die BJP, deren Aufstieg Anfang der 90er Jahre begann. 

Das Programm der BJP ist ein neoliberaler Marktfundamentalismus in Verbindung mit einem religiösen, hindu-chauvinistischen Nationalismus. Ihre Wurzeln hat die BJP im Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS, Nationale Freiwilligenorganisation). Diese radikal-hinduistische, hierarchisch strukturierte Kaderorganisation, deren erklärtes Ziel die Verteidigung des Hinduismus gegen seine Gegner ist, wurde 1925 nach dem Vorbild von Benito Mussolinis Schwarzhemden gegründet. Modi und fast alle seine Minister sind Mitglied des RSS, der weite Teile der Gesellschaft durchdrungen hat. Die Hindutva-Anhänger wollen die vermeintlich glorreiche „arische“ Zivilisation Indiens wieder aufleben lassen, die im Laufe der Jahrhunderte, vor allem unter der Herrschaft der muslimischen Moghul-Dynastien, unterdrückt wurde. Entsprechend werden bereits die Geschichtsbücher der Schulen und die Lehrpläne der Universitäten umgeschrieben. 

Modi gewann 2014 erstmals die Unterhauswahlen. Er tat dies mit absoluter Mehrheit und konnte diesen Erfolg dieses Jahr wiederholen. Das war seit 30 Jahren keiner Partei mehr gelungen. Der Wahlerfolg der BJP beruhte vor allem auf einer innovativen Kommunikationsstrategie. Man nutzte die Tatsache, dass die Hälfte der Inder unter 20 Jahre alt ist und ungeachtet der Tatsache, dass sechs Zehntel der Inder unterhalb der Armutsgrenze von 2,50 Euro pro Tag leben, fast jeder ein Mobiltelefon hat, mehr als die Hälfte davon sogar ein Smartphone.  Die neue Wirtschaftspolitik besteht vor allem aus Marktöffnung und Privatisierung. Das kam jedoch nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zugute. Der Aufstieg in die Mittelschicht ist für zwei Drittel der 1,3 Milliarden Inder nur ein ferner Traum. Auf dem Land, auf dem etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt, kommt es immer wieder zu Selbstmorden überschuldeter Bauern.

Indien hat immer noch eine rigide Kastengesellschaft, obwohl das Kastenwesen formal seit 1950 abgeschafft ist. Im Alltag existiert es weiter. „Niedere“ Arbeiten wie Toilettenreinigung, Müllentsorgung, Schlachtung und Lederverarbeitung sind immer noch weitgehend kastenlosen Dalits und Muslimen vorbehalten. Die Brahmanen, die höchste Kaste, bilden auch die wichtigste Basis von RSS und BJP. Deren Anhänger stellen das unter Gandhi eingeführte Quotensystem für Dalits und andere niedere Kasten in Frage. Auch den Säkularismus in der Verfassung wollen sie streichen. Ersetzt werden soll er durch Elemente des traditionellen hinduis-tischen Katechismus. 

Adivasi nennen sich die indigenen Waldbewohner und Ureinwohner Indiens. Sie leben vor allem in Zentralindien. Dort lagern große Mengen hochwertiger Rohstoffe. Erst ein Bruchteil davon wird abgebaut. Durch die Operation Green Hunt (Grüne Jagd) werden die Adivasi zu Maoisten abgestempelt; damit hat die Armee das Recht, sie zu töten und ihr Land für den Bergbau zu nutzen.