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15.11.19 / Taschenspielertricks der Statistiker / Wie die Inflation im EZB-Raum niedriggerechnet wird, um die Politik des billigen Geldes zu legitimieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-19 vom 15. November 2019

Taschenspielertricks der Statistiker
Wie die Inflation im EZB-Raum niedriggerechnet wird, um die Politik des billigen Geldes zu legitimieren
Norman Hanert

Aus niedrigen Inflationszahlen leitet die Europäische Zentralbank für sich das Mandat ab, mit Hilfe von Niedrigzinsen und billionenschweren Anleihekäufen eine lockere Geldpolitik betreiben zu müssen. Allerdings spricht einiges dafür, dass die Inflation deutlich höher liegt, als es die amtlichen Zahlen suggerieren. 

Über Wertpapierkäufe hat die Europäische Zentralbank (EZB) in den vergangenen Jahren bereits 2,6 Billionen Euro in den Finanzmarkt gepumpt. Trotzdem scheint die Zentralbank das selbstgesteckte Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent bislang meist zu verfehlen. Bereits seit dem Jahr 2013 liegen die Inflationszahlen, die für die Eurozone in ihrer Gesamtheit ermittelt werden, meist deutlich unter der angestrebten Marke. Das erstaunt, denn selbst in den gut fünf Jahrzehnten der als überaus hart geltenden Deutschen Mark lag gemäß den Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) die durchschnittliche jährliche Inflation in der Bundesrepublik bei immerhin 2,6 Prozent. 

Der Vergleich zwischen Euro und D-Mark hat jedoch einen Haken. Seit der Einführung des Euro im Jahr 2002 greifen die Statistiker auch hierzulande zur Inflationsermittlung auf die sogenannte hedonische Bewertungsmethode zurück. Dabei fließen angenommene Qualitätssteigerungen von Produkten preissenkend in die Berechnung des statistischen Warenkorbs ein. Kritiker sehen nicht nur mangelnde Transparenz und Manipulationsmöglichkeiten, sondern bemängeln auch, dass sich Qualitätsverschlechterungen oder eine geringere Lebensdauer von Produkten in der Statistik nicht genügend preistreibend widerspiegeln würden. 

Auch in den USA wird bei der Inflationsermittlung auf den hedonischen Bewertungsansatz zurückgegriffen. John Williams, der auf „shadowstat.com“ regelmäßig eine alternative Inflationsberechnung veröffentlicht, geht davon aus, dass bei einem Verzicht auf die hedonische Bewertungsmethode die offizielle Inflationsrate in den Vereinigten Staaten um drei Prozentpunkte höher ausfallen würde. 

Auch hierzulande sind Zweifel angebracht, ob die offiziell ausgewiesene Inflation tatsächlich die Realität im Land abbildet. Zur Berechnung der Teuerungsrate zieht das Statistischen Bundesamt einen Verbraucherpreisindex heran. Oft auch als Warenkorb bezeichnet, soll dieser Index „sämtliche Waren und Dienstleistungen repräsentieren, die private Haushalte in Deutschland für Konsumzwecke kaufen“. In der Regel wird die Gewichtung der einzelnen Waren und Dienstleistungen im Verbraucherpreisindex alle fünf Jahre einer grundlegenden Revision unterzogen. Aktuelles Basisjahr ist derzeit das Jahr 2015. Der lange Zeitraum birgt naheliegenderweise die Gefahr, der Preisentwicklung hinterherzuhinken. Das Statistische Bundesamt nimmt daher fortlaufend auch Aktualisierungen am Warenkorb vor. 

Im Februar dieses Jahres teilte das Bundesamt etwa mit, das im Wägungsschema der Ausgabenanteil für die Rubrik „Wohnen“ um 0,8 Prozentpunkte auf 32,5 Prozent gestiegen sei. Dies sei „größtenteils darauf zurückzuführen, dass die Garagenmiete von dem Bereich Verkehr zu dem Bereich Wohnen umsortiert wurde“. Erstaunlich ist allerdings, dass im Zuge dieser Revision außer einem Zuordnungstausch auch noch eine Absenkung stattfand. Während in Deutschland intensiv über steigende Mietbelastungen diskutiert wird, senkte das Statistische Bundesamt im Warenkorb die Gewichtung des Teilbereichs „Nettokaltmiete“. 

Zur Begründung führten die Statistiker an, „dass die Ausgaben für den Teilbereich Mieten weniger stark gestiegen sind als die Ausgaben für den gesamten Warenkorb“. Ein Blick in den Verbraucherpreis-index zeigt, dass die Nettokaltmieten seit der Revision nur noch mit einem Anteil von rund 19,6 Prozent bei der Inflationsermittlung berücksichtigt wird. 

Ob dies tatsächlich der Realität auf dem Mietenmarkt entspricht, scheint fraglich. Berechnungen des Deutschen Mieterbundes e.V. sprechen beispielsweise dafür, dass die Wohnkostenbelastung bei den Nettokaltmieten im bundesweiten Durchschnitt bereits in Richtung 22 Prozent gehen. Damit könnte die Wohnkostenbelastung der deutschen Haushalte mittlerweile sogar noch höher liegen als die im Warenkorb angesetzten 32,5 Prozent. 

Beim Bereich Wohnen wird noch ein anderer Umstand deutlich. Im Warenkorb werden Mietkosten berücksichtigt, nicht aber Kaufpreise für Häuser und Eigentumswohnungen. Gerade auf dem Immobilienmarkt haben aber die Preise in den letzten Jahren teilweise extrem angezogen. 

Im Kontrast zum Warenkorb des Statistischen Bundesamtes erfasst der Vermögenspreisindex des Flossbach von Storch Research Institutes die Preisentwicklung von Vermögensbestandteilen deutscher Haushalte. Ein Blick auf diesen Index zeigt, dass die Preise für Vermögenswerte wie Immobilien, Aktien und langlebige Verbrauchsgüter in Deutschland seit 2015 sehr viel stärker gestiegen sind als die Verbraucherpreise, die Löhne und auch das nominale Bruttoinlandsprodukt. Als Haupttreiber der steigenden Vermögenspreise macht die Kölner Vermögensverwaltung Flossbach von Storch die gefallenen Zinsen aus.